Nutzt ihr im Unterricht gendergerechte Sprache?

  • Natürlich kann man den Tenor eines Beitrages auch absichtlich missverstehen oder ignorieren. Ich habe mich in erster Linie an der rein binären Denkweise gestoßen. Dass Termini in Denotation und Konnotation kontrovers diskutiert werden, ist damit doch nicht ausgeschlossen.

    Aber vielleicht habe ich nicht präzise formuliert, ich versuche es erneut: Es gibt mir sehr zu denken, dass offenbar keine semantischen Unterschiede jenseits von 1 und 0 gesehen werden.

    Das könnte aber auch der ganzen Thematik geschuldet sein, die sich teilweise doch arg versteift hat. Dass du in einem Beitrag davor mit "Ok, Boomer" geantwortet hast, schlägt ja eigentlich ebenso in diese binäre Kerbe: die alten Säcke vs. die progressiven jungen Leute.


    In einem langen Aufsatz habe ich es mal sehr gut auf den Punkt gebracht gelesen:

    Zitat

    Es [das Gendern] zu ignorieren ist nicht immer möglich, weil man dann als rückständig und frauenfeindlich hingestellt wird und in Bildungseinrichtungen oder im Beruf mit Benachteiligung rechnen muss; erst recht natürlich, wenn man sich darüber beschwert. Es empfiehlt sich auch nicht, sich darüber lustig zu machen. Da die Formen dazu geradezu einladen, ist das nicht originell und geht allen nur auf die Nerven. Das bestätigt dann die These der Rückständigkeit.


    Sich anzupassen und die Sprechweise zu imitieren, ohne daran zu glauben, ist auch keine Lösung. Die Imitierten könnten auch das so auffassen, dass man sich über sie lustig macht. Man müsste sogar deren Inkonsequenz nachahmen, denn möglichst konsequent umgesetzt würde es erst recht wie eine Parodie klingen.

  • In dem Fall wählt man eine sprachliche Konstruktion, die lediglich ausdrückt "eine Person mit der ich zusammenarbeite". Es ist im Deutschen vergleichsweise schwierig, eine Person rein nach Eigenschaften zu charakterisieren, ohne das Geschlecht dieser Person zu benennen, wenn man dieses aus welchem Grund auch immer unbenannt lassen möchte.

    "ens Kollegx"

    Eigentlich ganz einfach.

  • vor allem mit Hinblick auf Menschen im Brennpunkt sowie Menschen mit Lern- und/oder Sprachstörungen

    sagt ens (Ober?)Studienratx ens Sonderpädagogx.


    "ens" wird übrigens meines Wissens nicht dekliniert - eindeutig ein Vorteil für beschriebene Personengruppen.

  • Vergewaltiger*innen, Kinderschänder*innen habe ich auch noch nie gehört. Sobald es dann unschön wird, wird dann auf das Gendern verzichtet. :daumenrunter:

    Ich verwende bei diesem Thema immer beide Geschlechtsformen für die Umschreibung der Täter:innen, mache aber auch sehr deutlich, dass über 90% Täter sind, sprich männlichen Geschlechts sind, wohingegen bei den Opfern 90% weiblichen Geschlechts sind. Diese Unwucht bei den Täter - Opfer-Relationen gilt es auszudrücken, ebenso wie es wichtig ist für Opfer, dass deutlich ist, dass es eben auch Männer /Jungen treffen kann, die Opfer werden, aber eben auch Täterinnen gibt.

    Wenn du das "noch nie gehört" hast machst du es wohl selbst nicht. Da würde ich an deiner Stelle zuerst einmal ansetzen, statt direkt mit dem Finger auf andere zu zeigen, nur um unsachliche Argumente gegen das Gendern zu finden.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Vor allem beim (Gummi-)Begriff Gender wünsche ich wirklich viel Vergnügen, da jeder da etwas anderes drunter versteht. Mir sind Definitionen von Synonym für "sex" (biologisches Geschlecht) bis Geschlechtsidentität (so einer Art angeborener geschlechtlicher Essenz/Seele, die in einem wohnen soll) bekannt.

    Ich kenne folgende begriffliche Zuordnungen bzw. Begriffe:

    Sex --> biologisches Geschlecht

    Genus --> grammatikalisches Geschlecht

    Gender --> soziales Geschlecht

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Was auch immer das sein soll.

    Es ist schon sinnvoll, sich klar zu machen, dass es gesellschaftlich geprägte, individuell erlernte Geschlechterrollen gibt, die sich noch dazu in verschiedenen Gesellschaften stark unterscheiden können.

  • Das dürfte höchst selten vorkommen.

    Im Radio war letzt die Sprache davon, dass es letztes Jahr mehr männliche Friseurinnen gab. Dazu wurde dann auch eine Prozentzahl genannt. Ich habe keine Ahnung, wie der Text geschrieben war, den der Sprecher vorgelesen hat (mit Stern oder mit Binnen-I), es klang jedenfalls für mich rein weiblich und damit nach meinem Empfinden falsch, da ja bewußt nur von männlichen Personen gesprochen wurde.

    Ich fand das ziemlich irritierend.

  • Vielleicht nutzte der Sprecher ähnlich wie O. Meier das generische Femininum und innerhalb dieser Sprachlogik macht "männliche Friseurinnen" Sinn. Die Friseurinnen ist erst einmal eine Anzahl an mehreren, nicht näher geschlechtlich (oder auch sonstwie) spezifizierten Menschen, die dem Friseurhandwerk nachgeht, und die Spezifierung dieser großen Gruppe erfolgt durch vorangeschobenes Adjektiv, hier "männlich".

  • Im Nachbarort gibt es tatsächlich einen Mann, der beruflich Haare schneidet und mit einer Frau verheiratet ist. Der dazugehörige Vater ebenso. Aber gut, vielleicht weißt du ja etwas, was die Beiden nicht wissen ;).

    Klaas Heufer-Umlauf ist übrigens auch gelernter Friseur (oder gelernte Friseurin?).

  • Es ist schon sinnvoll, sich klar zu machen, dass es gesellschaftlich geprägte, individuell erlernte Geschlechterrollen gibt, die sich noch dazu in verschiedenen Gesellschaften stark unterscheiden können.

    Gender kann man sich aussuchen (i.S.v. selbst bestimmen). Wer sich als Frau fühlt, kann sein Gender "Frau" festlegen. Dadurch ändert sich aber weder die Sozialisierung, das äußere Erscheinungsbild oder die Wahrnehmung durch andere. Das was du beschreibst, kann es also nicht sein.


    Vielleicht ist Gender einfach nicht dasselbe, wie "soziales Geschlecht"? Vielleicht hat das "soziale Geschlecht" doch eher etwas mit dem biologischen und damit mit der Sozialisierung zu tun? Vielleicht sind das auch nur Konstrukte, weil Menschen gerne Schubladen benutzen?

    Vielleicht ist "Geschlecht" gar keine so wichtige Kategorie und schon gar nicht eine der Wichtigeren?


    "Geschlechterrollen lernen" finde ich schräg. Was soll das sein? Männer gehen arbeiten, Frauen stehen am Herd und hüten die Kinder? Jungs spielen Fußball, Mädchen mit Puppen? Ich weiß, dass es vielen Menschen offenbar wichtig ist, Mädchen als rosa Prinzessinnen anzuziehen und Jungs als Draufgänger. Dämlich und kaum nachvollziehbar ist das trotzdem. Gerade als Lehrer sollte man so einen Quatsch nicht auch noch fördern.

  • Wann ist das so kompliziert geworden?


    Noch vor 20 Jahren hat man einfach zwischen die Beine geguckt.

    Vor 20+ Jahren war es zudem noch viel relevanter, was da zwischen den Beinen ist und hatte reale Auswirkungen auf das Leben.


    So sehr mich die Art, wie mit solchen Themen umgegangen wird nervt, finde ich es schon gut, dass es Möglichkeiten für Menschen gibt, die einen Leidensdruck erfahren. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass jemand, der aussieht wie ein Mädchen, sich aber nicht so fühlt, einen starken Leidensdruck erfährt, weil in Erziehung und Bildung ständig ein Unterschied zwischen Jungen und Mädchen gemacht wird und man ständig (manchmal unterschwellig, manchmal sehr direkt) vermittelt bekommt "du bist ein Mädchen, die anderen sind Jungen". Mein bester Freund ist ein Transmann und hatte in der Kindheit unter anderem einen Schaff, vor allem mit der Mutter, die ständig wollte, dass er, wie es sich für ein Mädchen gehört, lange Haare hat und Kleider trägt.

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