Englischunterricht streichen

  • Bei uns wurde es in den Klassenstufen 1 und 2 vor einigen Jahren ja bereits wieder abgeschafft zugunsten von Deutsch- und Mathematikförderstunden. Hier beträfe es also nur die Klassen 3 und 4.

  • Ich bin für die Streichung, gerade weil ich ein Freund von England und der englischen Sprache bin. Mir stehen jetzt noch die Haare zu Berge, wenn ich an die Pflichtfortbildung denke, die angeblich das Rüstzeug zum Vermitteln der englischen Sprache bereitstellen sollte, sei es nur im Grundwortschatz und in ein paar Wendungen.


    Wenn der Unterricht (im weitesten Sinne) als Immersion von Muttersprachlerinnen mit grundschulpädagogischer Ausbildung durchgeführt würde, wäre ich für ein Angebot als AG in kleinen Gruppen, drei Stunden wöchentlich.

  • Als Englischlehrer am Gymnasium:

    Entsetzt bin ich nicht. Aber ich finde es ein wenig schade. Wenn es aber den Effekt hat, der beabsichtigt ist, wäre das vermutlich ein sinnvolles Opfer.

    Ich kann mich erinnern, als der Englischunterricht an bayerischen Grundschulen eingerichtet wurde. Damals ging es, wenn ich mich richtig erinnere, um das spielerische Heranführen an Fremdsprachen im Allgemeinen, also gar nicht so auf Englisch bezogen. Vielleicht ließe sich ja sowas in zeitlich reduzierter Form irgendwie erhalten.

    Ansonsten: In den Anfangszeiten kam es immer wieder vor, dass Grundschullehrer ohne Englischquali auch Englisch unterrichtet haben. Das habe ich auch kritisch gesehen, im Sinne des sprachlichen Vorbilds, das ja eine so große Rolle im Fremdsprachenunterricht spielt. Inzwischen gibt es aber ja recht viele ausgebildete Grundschullehrerinnen mit Fach Englisch.

    Ich weiß auch nicht, ob diese kritische Sicht auf fachfremde Englischlehrer in der Grundschule vielleicht auch durch meine voreingenommenen Blick als Englischlehrer beeinflusst ist. Wahrscheinlich sehen Lehrer anderer Fächer den fachfremden Unterrichtet ausgerechnet in ihrem Fach genauso kritisch.

  • Absolut für die Abschaffung! Studien zeigen, dass sich der frühe Englischunterricht nicht signifikant positiv auf das Lernen ab Klasse 5 auswirkt. Wenn das so wäre, müsste man abwägen. So kann die Antwort aber nur lauten, abschaffen und die frei werdenden Ressourcen für Mathe und vor allem Deutsch nutzen.


    Das gilt zumindest für meine Gegend, wo wegen Mangels an Lehrern in der Nachbarstadt die Stundentafel im letzten Jahr um drei Stunden gekürzt wurde, im kommenden Jahr womöglich um mehr als das, und wo derzeit fast alle Schulen abordnen müssen, weil es irgendwo noch schlechter aussieht als an der eigenen Schule. Wo dreizügige Grundschulen 330 Lehrerstunden haben, kann man natürlich auch Englisch unterrichten.

  • Studien zeigen, dass sich der frühe Englischunterricht nicht signifikant positiv auf das Lernen ab Klasse 5 auswirkt.

    Gibt es entsprechende Studien auch für andere Fächer (Musik, Kunst, Sachunterricht, Sport, ...)?

    Eventuell kann man dann noch viel mehr Fächer in der Grundschule abschaffen. Wenn das das einzige Argument ist.

  • Aus Sekundarstufen-Englischlehrersicht: ich habe keine Einwände und befürworte den Vorschlag. Das, was die Kinder in Klasse 5 können, ist ohnehin marginal und geht über ein paar Wörter nicht hinaus. Dazu kommen noch extreme Unterschiede zwischen einzelnen Grundschulen, also fängt man faktisch sowieso bei 0 an.


    Mir wäre tatsächlich lieber, die Grundschule würde sich darauf konzentrieren, anständiges Leseverständnis und Schreiben im Deutschen zu vermitteln.

  • Ich stimme dir absolut zu. Was noch dazu kommt: Bevor der der Englischunterricht in der Grundschule eingeführt wurde, hatte die Gesamtschule in Klasse 5+6 jeweils 5 Wochenstunden Englisch, danach nur noch 4. Die Begründung war, das die SuS mit so viel Vorerfahrung und Vorwissen in die Sek 1 kämen, dass 4 Stunden/Woche ausreichend wären.

  • Gibt es entsprechende Studien auch für andere Fächer (Musik, Kunst, Sachunterricht, Sport, ...)?

    Eventuell kann man dann noch viel mehr Fächer in der Grundschule abschaffen. Wenn das das einzige Argument ist.

    Wenn es dazu eine eindeutige Studienlage gibt, könnte man drüber nachdenken ;)


    Bei Musik würde ich einwenden, dass im Musikunterricht viel entstehen kann, von dem außerhalb des Unterrichts die ganze Schulgemeinschaft profitiert. Und dass durch ein Streichen eine Ausdrucksebene wegfiele für die Kinder, die im Sprachgebrauch nicht so fit sind. Bei Kunst hätte ich genau die gleichen Einwände. Beim Sachunterricht fände ich es schade um das Wissen über die unmittelbare Lebenswelt der Kinder und beim Sport um die Gesundheitsförderung …


    Und bei allen Fächern, Englisch eingeschlossen, gibt es natürlich noch überfachliche Kompetenzen, die neben den fachlichen Kompetenzen vermittelt werden. Trotzdem sind aber einige Fächer grundlegender als andere im Sinne von: Wenn ich erstmal weiß, was Nomen, Verben, Subjekte, Prädikate sind, dann fällt mir auch das Lernen einer Fremdsprache leichter.

  • Ich bin auch dafür, in meiner Klasse 2 "kämpfen" die Schüler*innen oft jetzt schon mit drei Sprachen. Sie brauchen wirklich keinen Englischunterricht in den nächsten beiden Klassen. Diese Stunden können wir sinnvoller verwenden.

    Zudem wurde bereits von der SL angekündigt, dass mangels ausgebildeter Englischlehrkräfte die Klassenleitungen das wohl wieder selbst übernehmen müssen, ohne Qualifikation. Ich habe das schon mal ein Halbjahr lang machen müssen. Vom Lehrgeng her (playway) und der Stoffvermittlung ging es. Aber was Sprachgefühl bzw. Aussprache anging, hatte ich eher ein schlechtes Gewissen nach jeder Stunde...

  • Zumindest gibt es dazu Erfahrungswerte. Es hilft halt, wenn wir im Englischunterricht alle eine Vorstellung haben, welches Wort im Satz das Verb ist und was ein Subjekt bezeichnet usw. In meinem letzten 5. Schuljahr gab es eine Schülerin, die konsequent nicht in der Lage war, ein Subjekt zu identifizieren - schon durchaus blöd, gerade, wenn es um die Bewusstmachung von Wortstellung oder dergleichen geht.

  • Ich kann mich erinnern, als der Englischunterricht an bayerischen Grundschulen eingerichtet wurde. Damals ging es, wenn ich mich richtig erinnere, um das spielerische Heranführen an Fremdsprachen im Allgemeinen, also gar nicht so auf Englisch bezogen. Vielleicht ließe sich ja sowas in zeitlich reduzierter Form irgendwie erhalten.

    Ansonsten: In den Anfangszeiten kam es immer wieder vor, dass Grundschullehrer ohne Englischquali auch Englisch unterrichtet haben. Das habe ich auch kritisch gesehen, im Sinne des sprachlichen Vorbilds, das ja eine so große Rolle im Fremdsprachenunterricht spielt. Inzwischen gibt es aber ja recht viele ausgebildete Grundschullehrerinnen mit Fach Englisch.

    Da du von Bayern schreibst:

    Das mit dem spielerischen Herangehen an die Sprache war ein bisschen zu wenig (viele haben in der Anfangszeit nur gesungen und gespielt). Das hat man schnell erkannt, da das intuitive Sprachbad in Klasse 3/4 halt doch nicht funktioniert. Deswegen hat man in den Englischunterricht mehr Niveau reingebracht (u.a. auch, nachdem man gemerkt hatte, dass die Anschlüsse an die weiterführenden Schulen überhaupt nicht stimmen) und nur noch auf Englisch kanalisiert.


    Da man viel Wert auf die mögliche Einsprachigkeit legte, musste man von Anfang an in Bayern für die Grundschule einen mündlichen Sprachtest machen, den nicht alle bestanden. Die Bewertung unterlag einem Punktesystem und man musste eine gewisse Anzahl von Punkten erreichen. Wenn man in einem Bereich etwas schwächer war - Aussprache, Grammatik oder Wortschatz - wurde einem eine sprachliche Fortbildung ans Herz gelegt. Außerdem machte man im Anschluss an die Prüfung einen Vollzeit- Didaktikkurs - also Fortbildung den ganzen Tag - ich glaube, meiner war eine Woche lang. Den fand ich sehr gewinnbringend. Da hat man sich von den Organisatoren schon ins Zeug gelegt, uns gut fortzubilden - mit didaktischen Ansätzen, native speakers und Unterrichtshospitation. Zusätzlich hat man noch Sprachaufenthalte für Englischlehrer in England angeboten.


    Interessanterweise musste man für die Mittelschule keine Eignungsprüfung machen, sich aber über bestimmte Englischmodule fortbilden.


    Die ursprüngliche Intention war, dass man den Englischunterricht beim Klassenlehrer (der die Eignung hatte) belässt, damit man immer mal wieder kleine Module im Unterrichtsalltag einbauen kann. Es war nicht unbedingt gefordert, volle 45 Minuten Englisch zu machen. Ich fand das gut, ich habe das auch so gemacht und es hat den Unterrichtsvormittag zusätzlich rhythmisiert. Der Vorteil war, dass ich im Klassenzimmer eine Englischwand hatte, Englischmaterialien in der freien Arbeit benutzt werden konnten und ich im Wochenplan Englischaufgaben einbaute. Das bereicherte das Angebot. Da nicht alle den Eignungstest machen wollten, war man dann zusätzlich gezwungen, in anderen Klassen Englisch zu unterrichten, da musste man dann die Englischstunden komplett dann machen, wenn sie stundenplanmäßig dran war.


    Ich war jemand, der Englisch sehr gern unterrichtete und ich hatte durch einige Reisen in englischsprachige Länder und grundsätzlicher Freude eine englisch zu sprechen auch einen emotionalen Bezug zu dem Fach. An Kolleginnen, die den Eignungstest mit didaktischer Fortbildung machten, gab es solche und solche: Manche waren eher so wie ich, anderen war Englisch eher lästig, hatten aber auch kaum einen Bezug zur Sprache. So sah dann auch der Umgang mit dem Englischunterricht aus.

  • Zum Stand des Englischunterrichts:

    Die Grundschule wollte eigentlich Grundlagen für das Sprachverständnis legen. So wie der Englischunterricht angelegt ist, halte ich das schon für zielführend. Wir arbeiten mit Hörverständnis und Rollenspielen innerhalb eines Wortschatzes, gewisse Satzfloskeln werden dadurch eingeübt. Es wird geschrieben, gesprochen, gehört, gelesen. Ich fand es sinnvoll und eine gute Vorbereitung für das Verständnis der Sprache in der Sekundarstufe.

    Meine Tochter hatte in der Umbruchsphase kein Englisch in der Grundschule, andere schon. Die, die kein Englisch hatten, hatten große Nachteile gegenüber ihren Mitschülern, denn sie mussten sich erst mühsam in die Sprache reinfinden.


    Wenn es aber jetzt so ist, dass es zu wenig Lehrer gibt, die mit Freude und Professionalität die Sprache in der Grundschule vermitteln können, die Sekundarstufenlehrer unbedingt wollen, dass sie mit Englisch anfangen (Achtung! 1 Jahr später kommt am Gymnasium dann die 2. Fremdsprache), man meint, dass man Englisch am ehesten streichen kann und diese Stunden für Deutsch nutzt, dann muss wohl Englisch bei den heutigen heterogenen Klassen geopfert werden. Im Gegenzug gibt es mehr Lesentrimmen. Eigentlich schade, dass viele Eltern nicht mehr mit regelmäßigem Üben mitziehen. Ich würde das Fach vermissen, ich empfand es als Bereicherung.


    In Bayern hätte man noch den Spielraum, dass man das dreistündige Fach Religion/Ethik um eine Stunde und Sport (3 stündig) oder Musik (2 stündig) um eine Stunde kürzt.

  • In den Ländern, die unter 100 Stunden in der Stundentafel in der GS haben, könnte man auch einfach die Stundenzahl raufsetzen.


    Dass es zu wenige Lehrkräfte gibt, wird sich nicht dadurch ändern, dass man Englisch streicht.

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