Bin ich "altmodisch" (Forderung von Einhaltung von Regeln - Konferenzbeschlüssen)?

  • Und dann gibt es Regeln, die zwar nicht festgeschrieben sind, die aber dennoch gelten, wie zum Beispiel, daß man als Mann in geschlossenen Räumen die Kopfbedeckung abnimmt, oder daß man bei feierlichen Anlässen Anzug und Krawatte trägt.

    Inwiefen „gelten“ diese Regeln? Du sagst, sie seien nicht festgeschrieben? Woher weiß man denn, dass sie gelten sollen?


    Was auch immer feierliche Anlässe seien mögen. Ja, manche Kleidung passt in gewissen Situationen besser. Der Smoking ist mir tatsächlich für die Gartenarbeit zu unbequem. Er lässt sich auch nicht gut waschen.


    Das mag vielleicht altmodisch sein, aber es gibt durchaus Leute, die darauf Wert legen

    Ja. Und andere legen auf anderes Wert. Wonach entscheidest du, wessen Werte dein Handeln bestimmen?


    und wenn einer dieser Leute der potentielle Arbeitgeber ist (oder sonst jemand wichtiger), täte man gut daran, diese ungeschriebenen Regeln auch einzuhalten.

    Unterschiedliche Arbeitgeberinnen legen auf unterschiedliche Dinge Wert. Das hängt von der Branche ab, von der Unternehmensphilosophie, vom Druck, Leute zu brauchen, und wieviel Zeit man hat, sich an so etwas abzuarbeiten.


    Um sie einhalten zu können, müssen sie zunächst einmal vermittelt werden, und das ist meines Erachtens schon auch eine Aufgabe von uns Lehrern.

    Wir sollten den Schülerinnen schon vermitteln, dass ihre Außenwirkung eine Außenwirkung ist. Da ist man aber mit „Kappe ab! haben wir schon immer so gemacht.“ noch nicht fertig.


    Ich erkläre den Schülerinnen durchaus, dass Jacke und Kappe im Unterricht auf mich so wirkten, als sei man noch nicht angekommen, sondern säße noch an der Bushaltestelle. Das wird wohl bei einigen auch zutreffen. Und, dass es praktisch sei, sich anschauen zu können. Das deklariere ich klar als meinen Eindruck. Andere können andere Eindrücke haben.

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

    5 Mal editiert, zuletzt von O. Meier ()

    • Offizieller Beitrag

    Nein. Es gibt Regeln, die einzuhalten sind, einfach weil sie da sind. Das nennt man Rechtspositivismus. Ich muß diese Regel nicht verstehen, ich muß sie auch nicht für gut befinden, aber ich habe sie einzuhalten - ein Beispiel: Vor der roten Ampel bleibe ich stehen, auch wenn kein Querverkehr kommt. Ich zahle meine Steuern, auch wenn ich ihre Verwendung oftmals nicht einsehe (und auch, weil mir nichts anderes übrig bleibt).

    Und dann gibt es Regeln, die zwar nicht festgeschrieben sind, die aber dennoch gelten, wie zum Beispiel, daß man als Mann in geschlossenen Räumen die Kopfbedeckung abnimmt, oder daß man bei feierlichen Anlässen Anzug und Krawatte trägt. Das mag vielleicht altmodisch sein, aber es gibt durchaus Leute, die darauf Wert legen - und wenn einer dieser Leute der potentielle Arbeitgeber ist (oder sonst jemand wichtiger), täte man gut daran, diese ungeschriebenen Regeln auch einzuhalten. Um sie einhalten zu können, müssen sie zunächst einmal vermittelt werden, und das ist meines Erachtens schon auch eine Aufgabe von uns Lehrern.

    Vor der roten Ampel stehen bleiben: dafür gibt es einen ziemlich guten Grund, den man erklären und verstehen kann. Auch dass man vor einer roten Ampel stehen bleibt, obwohl kein Verkehr ist, lässt sich über die Vorbildfunktion einleuchtend erklären. (Wobei ich ehrlich gesagt glaube, dass diese Regel nicht mehr gilt.)

    Steuer zahlen: ob du es einsiehst oder nicht, spielt keine Rolle. Aber die Regel "Man zahlt seine Steuer" lässt sich zumindest einleuchtend erklären.


    Beide von dir genannten Beispielregeln sind also eindeutig begründbar und erklärbar.


    Die Regel mit den Kopfbedeckungen kannst aber auch du nicht sachlich begründen. Du begründest sie nur damit, dass halt Leute "Wert darauf legen". Okay, dann sollten die einmal ihre Wertvorstellungen überprüfen.

  • Ich glaube, lera1 meinte bei dem „rote Ampel - Beispiel“ eher, dass sie mit dem Auto stehen bleibt.

    Die Weisheit des Alters kann uns nicht ersetzen, was wir an Jugendtorheiten versäumt haben. (Bertrand Russell)

    • Offizieller Beitrag

    Ich glaube, lera1 meinte bei dem „rote Ampel - Beispiel“ eher, dass sie mit dem Auto stehen bleibt.

    Okay, es ist aber trotzdem minimal über die Vorbildfunktion zu erklären. Unabhängig davon ist es definitiv sicherer auf Grün zu warten, weil dann die anderen Rot haben und einen nicht über den Haufen fahren.

  • Okay, es ist aber trotzdem minimal über die Vorbildfunktion zu erklären. Unabhängig davon ist es definitiv sicherer auf Grün zu warten, weil dann die anderen Rot haben und einen nicht über den Haufen fahren.

    An vielen Ampeln in Städten ist man sicherer dran, wenn man über rot geht als Fußgänger. Bei grün hat oft der Autoverkehr auch grün und rast einen beim Abbiegen um.

  • Das sind Gesetze und Verordnungen. Was haben die mit Regeln in der Schule zu tun?

    Es gibt eine Art "Gesetzeshierarchie": ganz oben stehen Verfassungsgesetze, dann kommen einfache Gesetze, Verordnungen, Erlässe und ganz weit unten Hausordnungen und Schulordnungen. Auch diese "leges minimae" sind einzuhalten - einfach deshalb, weil sie jemand erlassen, bzw. beschlossen hat (bei der Schulordnung immerhin der Großteil der Schulpartner).


    Warum nur als Mann? Mädchen/Frauen dürfen dann ihre Kappen aufbehalten?

    das nennt man Tradition; die Rücksichtnahme auf Gepflogenheiten und Traditionen nennt man Anstand und Respekt.


    Ich war in letzter Zeit auf diversen Hochzeiten, runden Geburtstagen und anderen Feierlichkeiten. Obwohl da auch durchaus hochpreisige Veranstaltungen dabei waren, hat fast niemand eine Krawatte getragen, Anzüge waren auch eher selten.

    in meiner Familie und dem Großteil meines Freundeskreises hätte man darob eher pikiert reagiert...


    Und es soll Ziel von Schule sein, dass Schüler versuchen, anderen zu gefallen? Und sich in der Schule so anziehen, wie es dir gefällt? Merkwürdige Einstellung

    cf. Anm. zu Zitat 2 in dieser meiner Antwort


    Was genau hat das mit dem Alltag in der Schule zu tun? Wie genau behindert es den Unterricht, wenn Schüler ihre Kappen aufbehalten?

    mit meinem Habitus drücke ich etwas aus: wenn ich eine Jogginghose anhabe, vermittle ich: "Ich will spielen oder schlafen"; wenn ich eine Wanderhose und Bergstiefel anhabe, dann will ich auf den Berg; wenn ich mein Gesicht in der Kapuze verstecke, dann will ich gar nicht hier sein - aufzuzeigen, wie man wahrgenommen wird, ist vielleicht schon auch ein nicht unwesentlicher Teil der Erziehung.

  • Irgendwie entfernt sich die Diskussion immer mehr vom eigentlichen Thema. Ursprünglich ging es darum, daß beschlossene Regeln von manchen Kollegen (tatsächlich oder angeblich) unterlaufen werden; meiner Ansicht nach ist das absolut nicht statthaft. Man mag zwar vielleicht die Regeln diskutieren und ggf. abändern, aber wenn sie beschlossen worden sind, haben sich alle daran zu halten.


    und für alle, die meinen, man müsse, solle und dürfe Konventionen nicht einhalten: Stellt euch vor, eure Schüler würden Konventionen und Traditionen, wie beispielsweise, daß man während des Unterrichts diesem folgt und mitarbeitet, oder zumindest während der Schularbeit still auf seinem Platz sitzt (und im Idealfall gute Arbeiten produziert), nicht mehr einhalten, eben "weil jeder andere Regeln habe" - da wär vermutlich gerade euer Aufschrei recht groß!

  • In Österreich ist vieles in dem Punkt wirklich anders als in Deutschland ( und ich kenne beides). Die Gesellschaft möchte es so. Im Bus wird Personen mit Beeinträchtigungen wirklich noch Platz gemacht, die Hilfsbereitschaft in den Orten ist sehr hoch. Aber es gibt gesellschaftliche Normen, an die man sich halten muss. Sonst wird man ignoriert. In Deutschland wird versucht, diejenigen möglichst fertig zu machen. Man sieht ja, wie mit Personen anderer Meinung umgegangen wird. Das passiert hier in Österreich so nicht. Politiker wurden hier noch nicht mit Kot beschmiert, sondern man redet noch miteinander.

    Selbst hier im Forum ist das beobachtbar. Extrembeispiel: der lange Coronathread - wie oft musste er geschlossen oder Beiträge gelöscht werden. Auch nur kritisch Nachfragende wurden als Schwurbler usw bezeichnet.


    In österreichs Schulen gelten überall die selben Grundregeln. Und Kopfbedeckung im Gebäude muss abgenommen werden (außer religiöse und gesundheitsbedingte) gehört halt dazu. Je nach Standort kommt noch was dazu. Bei uns darf niemand Obdachlose mit in die Schule bringen. Diese Regel hat leider einen Hintergrund. Es besteht für Lehrer, Schüler und Eltern Klarheit, was das Verhalten betrifft. Ich muss es nicht jedesmal neu diskutieren. Es ist auch nicht meine Aufgabe. Die Disziplinprobleme wie in Deutschland kennen wir hier eher nicht. Höchstens einzelne Lehrer, die aber in Deutschland im Ref gescheitert wären. Ich bin auch hier an einer Wiener Brennpunktschule und nicht im Pitztal an einer idyllischen Dorfschule.

    Wem es in Österreich an einer Schule nicht gefällt, kann sich gerne abmelden und Homeschooling machen.

  • Es geht also um die Regeln um ihrer selbst Willen? Das ist der Stoff, an dem sich Dikataturen bedienen

    Dann ist es natürlich auch schwer diktatorisch, wenn du in deinem Unterricht Ruhe und Aufmerksamkeit einforderst...

    und ja, Regeln können hinterfragt und abgeändert werden - allerdings vom zuständigen Gremium (bei Schulordnungen also den Schulpartnern), aber solange sie gelten, hat man sich daran zu halten und darf sie nicht unterlaufen.

  • Dann ist es natürlich auch schwer diktatorisch, wenn du in deinem Unterricht Ruhe und Aufmerksamkeit einforderst...

    Nein, ziemlich sicher nicht. Du weißt, wie sich das anhört, wenn ich Schülerinnen an die Vereinbarungen erinnere? Nein? Dann unterstelle mir bitte auch nichts.


    Falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte, haben Ruhe und Aufmerksamkeit Gründe, die in de Wirksamkeit des Unterrichts liegen. Das wissen die Schülerinnen, die bei uns an die Schule kommen. Eine gelengtliche Erinnerung ist hilfreich.


    Aufmerksamkeit einzufordern, ist im Übrigen nur bedingt sinnvoll. ich aknn sehr wohl Schülerinnen auffordern, sch ruhig zu verhalten, zuzuhören und z. B. auf eine Präsentation oder die tafel zu schauen. Sind sie deswegen auch aufmerksam? Nehmen sie wahr, was gesagt wird? Aufmerksamkeit lässt sich nur bedingt willkürlich steuern. Psychologische Folklore.

    • Offizieller Beitrag

    An vielen Ampeln in Städten ist man sicherer dran, wenn man über rot geht als Fußgänger. Bei grün hat oft der Autoverkehr auch grün und rast einen beim Abbiegen um.

    Bei rot wird auch irgendein Autoverkehr grün haben. Bei grün ist es höchstens der Rechtsabbieger, der grün hat. Die werden zumindest aufgrund der scharfen, engen Kurve nicht rasen.

    • Offizieller Beitrag

    und für alle, die meinen, man müsse, solle und dürfe Konventionen nicht einhalten: Stellt euch vor, eure Schüler würden Konventionen und Traditionen, wie beispielsweise, daß man während des Unterrichts diesem folgt und mitarbeitet, oder zumindest während der Schularbeit still auf seinem Platz sitzt (und im Idealfall gute Arbeiten produziert), nicht mehr einhalten, eben "weil jeder andere Regeln habe" - da wär vermutlich gerade euer Aufschrei recht groß!

    Dabei handelt es sich nicht um Konventionen, sondern um Regeln, deren Hintergrund man den Kindern erklären kann.

    Das hat nichts mit "schwer diktatorisch" zu tun.

  • Bei grün ist es höchstens der Rechtsabbieger, der grün hat.

    Nö, die Linksabbiegenden sehr oft ebenfalls, wenn beide Fahrtrichtungen grün haben und es keine extra Ampel für Linksabbiegende gibt.

    Die werden zumindest aufgrund der scharfen, engen Kurve nicht rasen.

    Rasen nicht, aber es kommt leider häufig dazu, dass Fahrradfahrer*innen und Fußgänger*innen von abbiegenden Fahrzeugen angefahren werden, insbesondere von LKW. In meinem persönlichen Umfeld sind dadurch schon mehrere Personen schwer verletzt worden und eine zu Tode gekommen.

    EDIT: Es geht aber natürlich niemand aufgrund dieser Gefahr nur noch bei rot über die Ampel.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Bei rot wird auch irgendein Autoverkehr grün haben. Bei grün ist es höchstens der Rechtsabbieger, der grün hat. Die werden zumindest aufgrund der scharfen, engen Kurve nicht rasen.

    Ich meine natürlich, wenn offensichtlich kein Querverkehr kommt. Dann ist man sicherer als wenn man bei grün geht mit Rechtsabbiegern.

  • Stellt euch vor, eure Schüler würden Konventionen und Traditionen, wie beispielsweise, daß man während des Unterrichts diesem folgt und mitarbeitet, oder zumindest während der Schularbeit still auf seinem Platz sitzt (und im Idealfall gute Arbeiten produziert), nicht mehr einhalten, eben "weil jeder andere Regeln habe" - da wär vermutlich gerade euer Aufschrei recht groß!

    Dass im Unterricht mitgearbeitet werden soll und man andere nicht beim Lernen stört, ist vernünftig begründbar. Du verstehst schon den Unterschied zwischen "Du machst das, weil man das eben so macht" und "Wir machen das weil [sinnvolle Begründung einfügen]?


    Ich empfehle dir, etwas rationaler an das Thema heranzugehen und hier weniger emotional zu sein.

  • In Österreich ist vieles in dem Punkt wirklich anders als in Deutschland ( und ich kenne beides).

    Ja, Österreich ist in meiner Wahrnehmung noch viel mehr der Tradition und gewissen Konventionen verbunden, die einfach als gegeben hingenommen werden. Und bei uns ist es tatsächlich noch mal anders. Wir diskutieren unendlich viel und trotzdem empfinde ich den Umgang immer respektvoll. Ich erkenne an unserem neuen Kollegen aus Deutschland einiges an Situationen wieder, an die ich mich auch erst mal gewöhnen musste. Die Jugendlichen sind es sich gewöhnt, ständig irgendwas zu meinen und zu verhandeln. Mit "das ist so" kommt man hier nirgendwo an. Natürlich habe ich Regeln in meinem Unterricht, aber die sind sehr transparent und vor allem sehr gut begründet. Absolut spassbefreit bin ich z. B. bei der Benotung von Prüfungsleistungen und da habe ich tatsächlich auch sehr selten ernsthafte Diskussionen. Es sind immer die gleichen KuK, die da ellenlang rumdiskutieren und es liegt halt immer dran, dass es keine Transparenz gibt. Unsere Jugendlichen sind sehr gut darin zu merken, wann sie "Kriege" tatsächlich gewinnen können und dann mutieren sie zur wahrhaftigen Pest am Allerwertesten. Finde ich total spannend, wie gross der kulturelle Unterschied dann eben doch ist. Schade, dass es immer wieder einigen hier nicht gelingt, das so zu akzeptieren.


    Politiker wurden hier noch nicht mit Kot beschmiert, sondern man redet noch miteinander.

    So ist es. Ich stand erst kürzlich zusammen mit Ständerätin Eva Herzog in Basel am Bahnhof an der Bushaltestelle und man ärgerte sich gemeinsam über das Verkehrschaos (es war irgendeine Demonstration in der Innenstadt). Es gibt die schöne Geschichte von Altbundesrätin Simonetta Sommaruga, die in ihrem Privatauto zwei Tramperinnen nach Hause gebracht hat. Ist noch nicht lange her. Ich frage mich, wann sich in Deutschland ein Bundespolitiker zuletzt überhaupt getraut hat, einen Fuss in den ÖV zu setzen.

  • "Ist noch nicht lange her. Ich frage mich, wann sich in Deutschland ein Bundespolitiker zuletzt überhaupt getraut hat, einen Fuss in den ÖV zu setzen."


    Das kennzeichnet auch, wie weit unsere Politiker sich vom Volk entfernt haben und aus Sicht der Bevölkerung jedwede Bodenhaftung verloren haben.




    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Politiker wurden hier noch nicht mit Kot beschmiert, sondern man redet noch miteinander.

    Wenn ich daran denke, gucke ich spätabends bei 3Sat gerne mal in die Nachrichtensendung ZiB2 aus Österreich rein. Immer wieder beeindrucken mich da die Interviews (von Armin Wolf vor allem), die sind wesentlich focussierter und härter aber immer sachlich, mit oft sehr vielsagenderen Eindrücken und Ergebnissen als im Deutschen Fernsehen.

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