Rückkehr zur bindenden Grundschulempfehlung in BaWü

  • Nachdem eine Eltern-Intiative in Baden-Württemberg die Rückkehr zu G9 erwirkt hat, ist man momentan am Überlegen ob man damit auch zu einer bindenden Grundschulempfehlung zurückkehrt, damit die neuen G9 Gymnasium nicht "überrannt" werden. Siehe: G9: Kommt die Grundschulempfehlung für Viertklässler zurück? - SWR Aktuell


    Was haltet ihr davon? Ich bin zwiegespalten. Einerseits erlebt man ja leider oft Kinder, die ganz offensichtlich an ihrer weiterführenden Schulform falsch sind und damit nicht glücklich werden, weil die Eltern, aus welchem Gründen auch immer, sich entschlossen haben der Grundschulempfehlung nicht zu folgen, andererseits kann die Grundschulempfehlung natürlich auch daneben liegen. Zudem beneide ich Grundschul-KuK nicht, wenn dieses Fass wieder aufgemacht wird.

  • Der Titel des Threads ist irreführend, denn die Grundschulempfehlung wurde nie abgeschafft oder ausgesetzt. Es muss, wie du es auch selbst im Text schreibst, das Wort "bindenden" oder imho besser "verbindlichen" eingefügt werden.

  • Satsuma

    Hat den Titel des Themas von „Rückkehr zur Grundschulempfehlung in BaWü“ zu „Rückkehr zur bindenden Grundschulempfehlung in BaWü“ geändert.
  • Ich traue den Grundschulkollegen zu, dass sie nach 2-4 Jahren einschätzen können, welche Schulform die geeignetste für ihre Schüler sind. Gerade die letzten Jahre haben gezeigt, dass viele Eltern das gerade NICHT können, sondern Wunschdenken oder schlichtweg Fehlvorstellungen ihre Entscheidungen prägen.

    Sollte sich dennoch ein Kind wider Erwartung im Laufe der Zeit ganz anders entwickeln, gibt es auch weiterhin Möglichkeiten.

  • Ich wäre sehr dafür, die Grundschulempfehlung wieder über den Elternwunsch zu stellen, eben aus dem von dir genannten Argument.

  • Ich finde es unerträglich, ein 10 Jahre altes Kind in eine Schublade zu packen. Ich sehe regelmäßig an unserer Schule, unter welchem Druck die Eltern und die Schüler stehen, dabei hat Niedersachsen die verbindliche Schullaufbahnempfehlung schon seit einigen Jahren abgeschafft. Dorthin zurückzukehren, wäre ein Anachronismus. Diese frühe Selektion in Deutschland wird seit Jahrzehnten von der OECD kritisiert. Man sollte ein längeres gemeinsames Lernen ermöglichen, bevor man über Schullaufbahnen entscheidet. Wir sollten über eine verlängerte Grundschulzeit sprechen oder über echte Gesamtschulen bis Klasse 8, wie es vielen (erfolgreichen) Industrieländern der Fall ist, zum Beispiel im hochgelobten Skandinavien.

  • Ich finde die diskutierte zwei von drei Lösung eigentlich ganz nett, habe aber erstens Sorge, dass dies ein bürokratisches Ungetüm wird, und zweitens bin ich mir unschlüssig, wie damit umzugehen sein sollte, wenn der überstimmte Elternwille sich für z. B. Realschule anstatt des empfohlenen und ertesteten Gymnasiums ausspricht.

  • Bei uns weiß anfangs nur die SL, wer welche Grundschulempfehlung hat. Aber bereits nach 4 Wochen weiß ich aufgrund der Matheleistungen wer Werkrealschulempfehlung hat (wird in unseren pädagogischen Konferenzen nach 2 Monaten bestätigt, wenn ich vorsichtig mich äußere, ich bin selbst immer wieder über die Treffsicherheit erstaunt) und spätestens nach einem halben Jahr auch wer Realschulempfehlung hat). Unsere Grundschullehrer tun einen sehr guten Job. Danke.


    Für die Kinder beginnt ein Grauen. Immer schlechte Leistungen, kein Erfolg in allen Hauptfächern und den meisten Nebenfächern. Sie weinen viel, werden zum Klassenclown, um Anerkennung zu erhalten, Manche lügen ihre Eltern an, um sie nicht zu enttäuschen. Spätestens zum Ende der 6. Klasse sind alle mit Werkrealschulempfehlung weg, mit Realschulempfehlung meistens nach Klasse 8 und dem 2. Sitzenbleiben. Wir haben auch jedes Jahr Schüler für externe Abschlussprüfungen, weil eine andere Schule sie nicht mehr aufnehmen muss, wenn sie 10 Schuljahre inkl. zweimal wiederholen absolviert haben (eine Kollegin hilft bei der Vorbereitung). Sie müssten sonst die Schule ohne jeden Abschluss verlassen, obwohl sie vermutlich ohne Probleme die mittlere Reife erreicht hätten. Manche schaffen es knapp mit vielen Vieren und einzelnen Fünfen und machen ein Abitur mit 3,x. Nur was bringt es ihnen?


    Ich habe aktuell mehrere Schülerinnen und Schüler in Klasse 6 und 7, die zusammen mit mir in jeder Mathestunde verzweifeln. Nur bei 30 Schülern pro Klasse und viel Pflichtstoff kann ich nicht so langsam unterrichten wie sie benötigen würden (und inzwischen sind die Lücken vermutlich auch für Realschulen zu groß). Eltern sind im Gespräch, wenn sie überhaupt erscheinen, der Ansicht, es klappt, wenn Kind und wir uns nur genug anstrengen würden. Und dieses Drama wiederholt sich jedes Jahr.


    Elternwille gut und schön. Aber das Kind muss manchmal auch vor zu ehrgeizigen Eltern geschützt werden. Unsere Erfahrungen sind eindeutig, alle Grundschulempfehlungen der letzten Jahre waren korrekt.

    Meine Beiträge werden auf einer winzigen Tastatur eines Tablets mit Autokorrektur geschrieben. Bitte entschuldigt Tippfehler. :mad:

  • Ich stimme dir komplett zu, Eliza100, ich bin immer Klassenleitung in der Erprobungsstufe in NRW und nach meiner anekdotischen Erfahrung stimmen die Empfehlungen oft nicht.


    Dazu kommen unterschiedliche Auffassungen der Grundschulen. Da gibt es welche, an denen jedes Jahr über 50% der Kinder eine Gym-Empfehlung bekommen und dann gibt es die mit ähnlichem Einzugsgebiet, die pro Jahr 3-5 Gym-Empfehlungen vergeben.


    Das ist alles nicht objektiv und/oder objektivierbar und solange das so ist und die Entscheidung so früh getroffen wird, sollte es auf keinen Fall eine verpflichtende Empfehlung geben!

  • Ich traue den Grundschulkollegen zu, dass sie nach 2-4 Jahren einschätzen können, welche Schulform die geeignetste für ihre Schüler sind. Gerade die letzten Jahre haben gezeigt, dass viele Eltern das gerade NICHT können, sondern Wunschdenken oder schlichtweg Fehlvorstellungen ihre Entscheidungen prägen.

    Sollte sich dennoch ein Kind wider Erwartung im Laufe der Zeit ganz anders entwickeln, gibt es auch weiterhin Möglichkeiten.

    Ich traue das den KuK in den Grundschulen ebenfalls zu. Dennoch gab es in der Vergangenheit deutliche Hinweise, dass unabhängig vom Notenbild bzw.. Sprachvermögen askriptive Merkmale wie Nationalität oder Familieneinkommen eine Rolle spielen bei den Grundschulempfehlungen mancher Lehrkräfte. Es gibt nun einmal in allen Schularten Lehrkräfte mit Vorurteilen, die diese entweder nicht ausreichend reflektiert haben, um sich dieser wirklich bewusst zu sein und diese zu entkräften in ihrem professionellen Handeln oder aber die diese ganz bewusst auch beruflich ausleben, weil sie diese für angemessen und zutreffend erachten. Ein Björn Höcke ist leider kein Einzelfall in unserem Berufsfeld, auch wenn es längst nicht immer um derart extreme Formen geht.

    Das Problem wird mit einer erneut verbindlichen GS- Empfehlung nicht gelöst.


    Ich sehe als SEK.I- Lehrkraft sehr deutlich die Probleme, die viele SuS haben als Folge eines Elternwillens, der z.B. die sinnvolle Werkrealschulempfehlung einfach negiert. Zurück zur verbindlichen GS- Empfehlung löst aber dummerweise nicht einfach pauschal alle Probleme, sondern ändert nur die Art der Probleme für manche Kinder.


    Sinnvoll aus meiner Perspektive wäre es von den zwei Jahren Orientierungsstufe wegzukommen, bei denen wir als Realschulen dazu gezwungen sind alle SuS auf RS- Niveau zu beschulen und damit den Kindern mit zutreffender Werkrealschulempfehlung zwei ganze Jahre lang zu vermitteln, dass sie nichts könnten, weil in zu vielen Fällen die beste Note im Zeugnis eine vier ist.

    Sinnvoll wäre es, wenn es eine Mischung geben würde aus GS- Empfehlung und Elternwillen, um die Mehrheit der guten, zutreffenden GS- Empfehlungen wieder verbindlicher werden zu lassen, aber eben auch Möglichkeiten zu haben für die Fälle, wo die GS- Empfehlung kritisch zu hinterfragen ist (unterschiedliche Schulartempfehlung bei Kindern mit identischem Notenbild und Leistungsvermögen, aber unterschiedlichem familiären Hintergrund).

    Sinnvoll wäre es, wenn es bei dieser Frage ausnahmsweise mal nicht nur wieder darum gehen würde sich über Bildungspolitik Wählerstimmen kurzfristig zu sichern, sondern das weitergehend zu durchdenken und dann auch durch erforderliche weitere Maßnahmen zu flankieren.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • so wie ich gehört habe, ist der gedanke nicht wirklich im raum. wäre trotzdem dafür, die GE bindend zu machen, dann würden wir sehen, dass das niveau trotzdem recht bodenlos ist. wünschte es mir natürlich anders:pfeifen::pfeifen:

  • Ich finde es unerträglich, ein 10 Jahre altes Kind in eine Schublade zu packen. Ich sehe regelmäßig an unserer Schule, unter welchem Druck die Eltern und die Schüler stehen, dabei hat Niedersachsen die verbindliche Schullaufbahnempfehlung schon seit einigen Jahren abgeschafft. Dorthin zurückzukehren, wäre ein Anachronismus. Diese frühe Selektion in Deutschland wird seit Jahrzehnten von der OECD kritisiert. Man sollte ein längeres gemeinsames Lernen ermöglichen, bevor man über Schullaufbahnen entscheidet. Wir sollten über eine verlängerte Grundschulzeit sprechen oder über echte Gesamtschulen bis Klasse 8, wie es vielen (erfolgreichen) Industrieländern der Fall ist, zum Beispiel im hochgelobten Skandinavien.

    Die skandinavischen Länder schneiden bei Pisa inzwischen auch nicht mehr so gut ab, der Erfolg lag nicht am Schulsystem bzw. gemeinsamen Lernen.


    Wir haben immer einige Schüler, die in der 5. Klasse aufblühen, weil sie endlich gefördert/gefordert werden. Auch ich erinnere mich an Langeweile in der Grundschule, weil ich immer sofort alles konnte. Ich nahm nichts mehr ernst. Und mein Grundschullehrer hat versucht, uns individuell zu fördern, aber er konnte sich nicht vervielfachen.


    Längeres gemeinsames Lernen hilft durchschnittlichen Schülerinnen und Schülern. Ich selbst habe einige Jahre in einer integrativen Gesamtschule unterrichtet und es wurde erst in manchen Fächern in Klasse 8 bzw. 9 getrennt. Ich bin seitdem absoluter Gegner dieses Systems. Die einen fühlen sich als Loser. Die anderen sind gelangweilt und lernen nicht, sich anzustrengen.

    Meine Beiträge werden auf einer winzigen Tastatur eines Tablets mit Autokorrektur geschrieben. Bitte entschuldigt Tippfehler. :mad:

  • Ich wäre sehr dafür, die Grundschulempfehlung wieder über den Elternwunsch zu stellen, eben aus dem von dir genannten Argument.

    Das macht Berlin ja jetzt auch wieder und es macht Sinn, wobei ich das so streng wie in Brandenburg auch nicht für gut heißen kann, da kann ein Lehrer, dem die Nase des Schülers nicht passt über das ganze Leben letztendlich entscheiden.

    Nach 4 Jahren finde ich das schon etwas schwieriger, aber wenn man die Schüler lange genug hat, sollte auch das funktionieren.

  • da kann ein Lehrer, dem die Nase des Schülers nicht passt über das ganze Leben letztendlich entscheiden

    Gibt es in Brandenburg keine Möglichkeit, nach dem Sek I-Abschluss eine Oberstufe zu besuchen? Würde mich wundern.

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

  • Doch, die gibt es, aber eben dann mit 13 Jahren und nur am Oberstufenzentrum und es müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein (die man vorher z.B. bei der Wahl der Fremdsprache o.ä. schon kennen muss).

  • Doch, die gibt es, aber eben dann mit 13 Jahren und nur am Oberstufenzentrum und es müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein (die man vorher z.B. bei der Wahl der Fremdsprache o.ä. schon kennen muss).

    Kannst du das kurz genauer erläutern? Aus BW- Perspektive klingt das insofern eigenartig, als hier sämtliche beruflichen Gymnasien darauf eingestellt sind SuS ohne zweite Fremdsprache selbige ab Klasse 11 bis zum Abitur noch zu vermitteln, so dass ein Abitur nicht daran scheitert, dass man vorher lediglich Englisch gelernt hat. Ist das tatsächlich in Brandenburg anders?

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Naja, du kannst die 2. Fremdsprache schon da beginnen, wenn du an ein berufliches Gymnasium gehst. Sonst nicht mehr, also auf eine Gesamtschule geht dann eben nicht mehr, wenn man vorher anders entschieden hat.

  • Anders formuliert: Auch in Brandenburg ist noch nicht alles entschieden mit der Grundschulentscheidung oder als Folge einer bestimmten Fremdsprachenwahl in der weiterführenden Schule. Danke für die Antwort Susannea .

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Nein, nicht alles, aber doch viel eingeschränkt.
    Der Besuch eines Gymnasiums ist ohne die Empfehlung oder eine Aufnahmeprüfung ausgeschlossen.

    Machr ja nichts, da man auch auf anderem Wege zum Abitur kommt.

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