• Hallo,

    ich habe mich extra neu registriert, da mir ein Thema keine Ruhe lässt.

    Wir hatten vor einigen Wochen den Vorfall, dass ein Schüler einer Schülerin an die Brüste und an den Intimbereich gepackt (oberhalb der Klamotten). Das Mädchen wurde festgehalten und es gibt Zeugen für die Tat. Die Familie des Mädchens hat Anzeige erstattet.

    Nur passiert von schulischer Seite leider wenig. Der Klassenleitung wurde von der SL gesagt, dass es keinen Schulverweis geben wird, sondern nur einen Ausschluss der nächsten Klassenfahrt.

    Ich habe dafür wenig Verständnis und würde denken, dass da härtere Maßnahmen folgen müssten. Die sexuelle Selbstbestimmung des Mädchens wurde völlig missachtet. Außerdem sehe ich es als ein sehr schlechtes Zeichen für die anderen Schüler, dass ein solches Verhalten nicht (stärker) geahndet wird.

    Zu welchen Maßnahmen würdet ihr/eure Schule in einem solchen Fall greifen?

  • Bundesland? Je nach Bundesland gibt es verschiedene Maßnahmen und verschiedene Gremien, die dafür zuständig sind. Heißt "Schulverweis" dass der Schüler von der Schule gehen muss? Es gibt bei uns nämlich auch einen "Verweis", aber das ist etwas anderes. Und ein dauerhafter Verweis von der Schule wäre nicht Sache der SL ...

    Außerdem: Schulform / Alter der Betroffenen wäre auch interesssant.

  • DeadPoet ich würde auf Hessen tippen ;)

    @TE welche Gründe hat der Schulleiter der Klassenleitung genannt? Darf er solche Entscheidungen bei euch alleine treffen? Bei uns müsste das der Disziplinarausschuss machen.

    Zusätzlich wichtig fände ich, das Alter des Schülers und ob er schon mehrfach aufgefallen ist oder das erste Mal.

    Bei uns gint es im Normalfall einen mehrtägigen Ausschluss von der Schule bevor der Schüler die Schule verlassen muss.

    Ein Verweis ist bei uns etwas anderes und deutlich milder.

  • Danke, dass ihr genauso fassungslos seid.

    Bundesland Hessen. Wir sind eine Haupt- und Realschule. Der Schüler ist 14. Die Polizei ermittelt.

    Ein Schulverweis bedeutet, dass er sich eine neue Schule suchen musste. Das ist in Hessen die höchste Ordnungsmaßnahme. Die Klassenkonferenz würde den Verweis bei SL beantragen.

  • Wenn davon auszugehen ist, dass die körperliche (oder auch psychische) Unversehrtheit des Mädchens beeinträchtigt ist und die Entscheidungsträger keine Maßnahmen ergreifen, um das Mädchen zu schützen, kann man ausbleibende Konsequenzen durchaus auch als Dienstvergehen oder aufgrund der Garantenstellung ggü. den Schülern gar als strafrechtlich relevant ansehen, wenn durch die Nähe des Schülers zum Opfer es zu erneuten Straftaten kommt.

    Es müssen Maßnahmen ergriffen werden, die die Sicherheit der anderen Schüler ausreichend gewährleistet. Ob das ein Verweis ist, sei mal dahingestellt. Der Ausschluss von der Klassenfahrt reicht meines Erachtens aber nicht.

    Wenn du der Meinung bist, dass das Vorgehen rechtswidrig ist, bist du sogar verpflichtet, das Vorgehen zu monieren und Beschwerde einzureichen.

    Im Betrieb Schule wird häufig nur an verwaltungsrechtliche Auseinandersetzungen mit den Eltern gedacht. Unzureichende Schutzmaßnahmen können aber mitunter zu einer persönlichen Haftung führen.

  • Ein Schulverweis im Sinne von Rausschmiss ist auf der Eskalationsleiter natürlich ziemlich weit oben angesiedelt. Wenn der Schüler bisher keine Ordnungsmaßnahmen "gesammelt" und eine saubere Vorgeschichte hat, würde ich als Schulleitung evtl. auch genau überlegen, ob man damit rechtlich bei Widerspruch durchkommt oder ob eine andere Maßnahme erst einmal "verhältnismäßiger" wäre.

    Persönlich finde ich, dass sexuelle Übergriffe und auch massive physische Gewalt immer qua Automatismus zum Schulwechsel führen sollten - Frage ist eben, ob das rechtlich auch so gedeckt ist.

  • Natürlich hängt's wie immer vom konkreten Einzelfall ab. Was ich aber grdsl. problematisch finde, ist, dass das Leid der Opfer häufig zu wenig Beachtung findet. Unabhängig vom Vorgehen muss eben genau das im Vordergrund stehen. Wie kann dem Opfer geholfen werden und ist es tatsächlich zumutbar, dass sie dem Jungen wieder im Alltag begegnet? Das ist das Wichtigste. Man kann auch bei Jugendlichen nicht immer nur "pädagogisch einwirken" wollen. Die Belange der Opfer müssen zunächst Vorrang haben.

    Pädagogische Maßnahmen (Entschuldigung, Reue, Präsentation zum Thema halten etc. pp.) sind sehr wichtig, um eine tatsächliche Auseinandersetzung mit dem Fehlverhalten zu ermöglichen. Der Ausschluss von der Klassenfahrt kann hier nur ein Teil eines "Maßnahmenpakets" sein. Eine ausreichende räumliche Trennung halte ich ebenfalls für zwingend nötig. Es ist m.E. nicht vertretbar, dass er mit der Schülerin gemeinsam im Unterricht sitzt.

    Sollte der Schüler keine Reue zeigen, müsste man ihn allein schon aufgrund des Wiederholungsrisikos von der Schule entlassen. Andernfalls halte ich das Vorgehen für rechtswidrig. Ein Verbleib an der Schule ist nur vertretbar, wenn anhand des Schülerverhaltens davon auszugehen ist, dass er nicht erneut wieder auffällig wird.

  • Ich kann mich an zwei Fälle im Disziplinarausschuss (- in etwa das, was in anderen BLs die Ordnungskonferenz oder Klassenkonferenz bei grobem Fehlverhalten wäre) erinnern, die zumindest im Kontext des üblichen Umgangs an der Schule schon sehr heftig waren.

    In beiden Fällen hat der Schulleiter deutlich gesagt, dass ein Schulausschluss nur sehr selten juristisch Bestand hat. Im ersten Fall ging es eigentlich nur um die "Androhung des Schulausschlusses" als Vorstufe und damit als zweihöchste Ordnungsmaßnahme. Sein Argument war, dass uns bei einem nächsten Vorfall sozusagen die Hände gebunden wären, wir müssten dann auf den Schulaussschluss eskalieren und er würde mit hoher Sicherheit an übergeorndeter Stelle widerufen werden. In diesem Fall war der Vorfall auch wirklich zu banal, um gleich mit solchen Geschützen zu schießen - aber an unserer heile-Welt-Schule waren alle empört. Wir sind der Empfehlung des Schulleiters gefolgt.

    Im zweiten Fall, anderer Schüler, war der Vorfall schon deutlich ernster. Der Schüler war in der Oberstufe. Gleiche Argumentation der Schulleitung, wir sind ihr in diesem Fall nicht gefolgt, weil wir angenommen haben, dass sich ein Oberstufenschüler, der derart auf Bewährung ist und sowieso nur noch ein gutes Jahr da ist, ja wohl hoffentlich am Riemen reißt. Pustekuchen, der nächste Vorfall kam vier Monate später, wir mussten eskalieren und auf Schulausschluss entscheiden, der Schüler hat Widerspruch eingelegt und Recht bekommen. Danach hat er sich unantastbar gefühlt.

    Was heißt das jetzt für diesen Fall: Ich stimme absolut zu, dass erstens der Schutz der betroffenen Schülerin an erster Stelle stehen muss und dass zweitens mit harten und unmissverständlichen Maßnahmen reagiert werden muss, damit beim 14-jährigen Täter überhaupt gar nicht erst der Eindruck entstehen kann, dass er damit durchkommen kann.

    Möglicherweise stecken aber andere Überlegungen hinter der Eintscheidung des Schulleiters. Das heißt nicht, dass sie unbedingt zwingend oder überzeugend - oder richtig - sein müssen, aber es kann schon sein, dass er eine Situation vermeiden will, in der der Täter am Ende auch noch der Überlegene ist. Mit anderen Worten: Es wird nicht anders gehen als mit der Schulleitung ins Gespräch zu gehen, um das abzuklären.

  • Ich kenne es so, dass häufig schon vorab durch die SL abgeklärt wird, welche Maßnahmen Bestand haben werden, damit am Ende die Entscheidung nicht nach erfolgtem Widerspruch kassiert wird.

    Von oberer Stelle wird nach meiner Erfahrung viel mehr ausgebremst als an der örtlichen Schule. Ich habe da wenig Verständnis für. Die Urteile der Verwaltungsgerichte sind nicht immer berechenbar; es handelt sich um Einzelfallentscheidungen. Es ist längst nicht so, dass man in allen Fällen von einer Schlappe vor Gericht ausgehen muss und hier z.T. auch einfach die gerichtliche Auseinandersetzung gescheut wird.

    Wenn ich der Meinung bin, dass von einem Schüler eine tatsächliche Gefährdung ausgeht und falsch entschieden wird, würde ich aber immer den Weg der Beschwerde gehen. Ob das in diesem Fall so ist, lässt sich natürlich nur schwer beurteilen. Seinem Gewissen zu folgen und seine Meinung klar und deutlich zu äußern - auch ggü. Personen mit Führungsrolle - ist aber nie falsch. Das ist das, worauf man selbst Einfluss hat und dann kann man auch für sich sagen, dass man sein Bestes getan hat.

  • Von oberer Stelle wird nach meiner Erfahrung viel mehr ausgebremst als an der örtlichen Schule. Ich habe da wenig Verständnis für. Die Urteile der Verwaltungsgerichte sind nicht immer berechenbar; es handelt sich um Einzelfallentscheidungen. Es ist längst nicht so, dass man in allen Fällen von einer Schlappe vor Gericht ausgehen muss und hier z.T. auch einfach die gerichtliche Auseinandersetzung gescheut wird.

    Sehe ich auch so. Ich würde mir wünschen, dass von Seiten der Dienstherrn mehr Dinge durchgefochten und ggfs. gerichtlich geklärt wären, als ständig schon aus Angst vor Klagen einzubrechen und immer enger gefasste Verordnungen und Erlasse rauszuhauen.

    Wenn ich der Meinung bin, dass von einem Schüler eine tatsächliche Gefährdung ausgeht und falsch entschieden wird, würde ich aber immer den Weg der Beschwerde gehen. Ob das in diesem Fall so ist, lässt sich natürlich nur schwer beurteilen. Seinem Gewissen zu folgen und seine Meinung klar und deutlich zu äußern - auch ggü. Personen mit Führungsrolle - ist aber nie falsch. Das ist das, worauf man selbst Einfluss hat und dann kann man auch für sich sagen, dass man sein Bestes getan hat.

    Auch hier: volle Zustimmung.

  • Es gibt zu wenig Infos, um den Fall zu bewerten.

    Ich wäre auch vorsichtig mit dem drauf los spekulieren, was die Schule gemacht hat und was nicht und wie der Opferschutz aussah. Viele dieser Dinge passieren extra und sinnvollerweise im kleinen Kreis der Betroffenen.

    Grundsätzlich ist hier in NRW ein Sprung direkt in die Ordnungsmaßnahme des Verweis von der Schule extrem schwierig und rechtlich nur in sehr begrenzen Ausnahmefällen möglich. Aus den unzureichenden Infobruchstücken zum Fall: keine Chance.

  • Grundsätzlich ist hier in NRW ein Sprung direkt in die Ordnungsmaßnahme des Verweis von der Schule extrem schwierig und rechtlich nur in sehr begrenzen Ausnahmefällen möglich. Aus den unzureichenden Infobruchstücken zum Fall: keine Chance.

    Die Einschätzung teile ich. Ohne die Schwere der dargestellten Tat relativieren zu wollen, reicht das für einen Verweis von der Schule wohl eher nicht aus. Aber diese Art von Einschätzung muss am konkreten Einzelfall unter Einbezug aller relevanten Informationen vor Ort erfolgen und kann hier im Forum keiner von uns hinreichend einschätzen.

    LehrerinHessen Dass unabhängig von möglichen Disziplinarmaßnahmen innerhalb der Schule auch noch Strafanzeige gestellt wurde, halte ich für völlig richtig und wichtig.

  • Und wenn selbe Klasse, oder selbe Lerngruppe (WP1, WP2, …) da wenigstens den Lerngruppenwechsel erwirken.

    Ansonsten kann man zumindest schulintern eine Art "Schutzzone" schaffen. Wir haben in einem Fall sexueller Belästigung (neben anderen Maßnahmen) dem Täter ein Betretungsverbot für bestimmte Bereiche (z.B. einen Aufenthaltsraum für die Schüler) ausgesprochen, sodass die anderen sorgenfrei ihre Pausen auch im nicht ununterbrochen beaufsichtigtem Bereich verbringen konnten.

    • Offizieller Beitrag

    Wisst ihr was? Ich freue mich, dass hier "alle" (naja, die Schreibenden) entsetzt sind.
    Natürlich sind auch 30 Jahre seit meiner eigenen Schulzeit vergangen, aber ich habe auch schon Schulaustausche in den letzten Jahren gemacht und hatte genau das Thema dort mit-aufgeschnappt, weil es einen konkreten Fall gab und einen Fortschritt seit den 90ern konnte ich kaum sehen, die Deutschlehrerin (in Deutschland sozialisiert) war außer sich.

    Ich kann also zum Teil (kaum an den hiesigen Fall angepassten) O-Töne wiedergeben:
    "das Mädel soll sich nicht aufregen, war nur blödes Rumalbern".
    "wenigstens hat ihr jemand Zuneigung gezeigt".

    "war auf den Klamotten, ist doch alles in Ordnung".
    die viel schlimmeren Antworten der Schulerzieher*innen der 90er gebe ich lieber nicht wieder.

    Selbst, wenn Schulregelungen einem nicht viel Freiheit lassen, müssen wir immer zeigen, dass sowas nie geduldet wird. NIE. und da kann / soll man eben alle Bandbreiten besagter Regelungen ausnutzen.

  • Danke, dass ihr genauso fassungslos seid.

    Bundesland Hessen. Wir sind eine Haupt- und Realschule. Der Schüler ist 14. Die Polizei ermittelt.

    Ein Schulverweis bedeutet, dass er sich eine neue Schule suchen musste. Das ist in Hessen die höchste Ordnungsmaßnahme. Die Klassenkonferenz würde den Verweis bei SL beantragen.

    In NRW wäre eine Entlassung von der Schule mit dem Hintergrund und dem Alter und ohne vorherige OM höchstwahrscheinlich nicht möglich

  • Wenn der Schüler bisher keine Ordnungsmaßnahmen "gesammelt" und eine saubere Vorgeschichte hat, würde ich als Schulleitung evtl. auch genau überlegen, ob man damit rechtlich bei Widerspruch durchkommt oder ob eine andere Maßnahme erst einmal "verhältnismäßiger" wäre.

    die Entlassung von der Schule muss eh von der Schulaufsicht genehmigt werden und da holt man sich die Rückendeckung ein bevor man in die Teilkonfernenz geht

  • der Schüler hat Widerspruch eingelegt und Recht bekommen

    Anwälte suchen als erstes immer nach Verfahrensfehlern. Einige kann man "heilen". Andere führen dazu, dass Maßnahmen zurückgenommen werden müssen. Deshalb dafür sorgen, dass Ablauf, Dokumentation etc. den Vorgaben entsprechen. Die Auswahlentscheidung der Maßnahmen nachvollziehbar ist.

    (Das könnte trotzdem bedeuten, dass ein Schulleiter (in NDS) am Tag des Vorfalls bereits einen Ausschluss beschließt. Oder vielleicht erst einmal "nur" eine "Freistellung" bis zum Konferenztermin. Um dann in den ~2 Wochen mit der Behörde den Verweis an eine andere Schule zu besprechen und rechtssicher zu gestalten.)

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