Schüler hat massiven Nachteil durch zu guten Abschluss

  • Moin,

    irgendwie bin ich gerade nur noch frustriert. Ich habe einen autistischen Schüler, der bei uns am Berufskolleg eine Ehrenrunde nach der anderen dreht und eigentlich auf ganzer Linie scheitert. Vom intellektuellen Niveau her würde ich den Schüler in der Ausbildungsvorbereitung oder im Berufsgrundschuljahr sehen, um ihn dort auf eine "einfache" Lehre im Handwerk vorzubreiten. Dort will er eigentlich auch hin. Allerdings gibt es für diese beiden Ausbildungsgänge Voraussetzungen, die der Schüler übererfüllt.

    • Ausbildungsvorbereitung ist für Schüler, die ohne Schulabschluss zu uns kommen.
    • Berufsgrundschuljahr ist für Schüler, die mit einem Hauptschulabschluss nach Klasse 9 zu uns kommen.

    Unser Problem ist, dass der Schüler mit attestierter Fachoberschulreife (= Realschulabschluss nach Klasse 10) ohne Qualifikationsvermerk zu uns gekommen ist. Er ist inzw. Mitte 20 und wird uns absehbar ohne jeglichen Abschluss in ein Bürgergeld-Leben verlassen, weil er für die passende Ausbildung formal überqualifiziert ist und deswegen überall nicht rein kommt bzw. dort, wo er formal rein kommt, sehr schnell festgestellt wird, dass er das geforderte Niveau nicht ansatzweise erreichen kann.

    Daher meine Frage an Euch Sek 1 Kollegen: Wißt ihr was ihr mit den entsprechenden Abschlüssen anrichtet? Ich meine die Frage echt ganz wertfrei. Ich denke, dass die Kollegen dem Schüler etwas Gutes tun wollten, indem sie ihm die Fachoberschulreife attestiert haben, ohne die Folgen auch nur zu ahnen.

  • Das begreife ich jetzt nicht. Hat der Junge eine attestierten Autismus? Warum sollte ihn dann ein Betrieb als "überqualifiziert" ansehen? Berufsausbildungen haben ja eben gar keine Voraussetzung. Ich kenne so viele, die eine Metall-Ausbildung mit Abitur machen. Die sind in jedem Fall auch überqualifiziert.

    Liegen die Probleme vielleicht eher im Bewerbungsprozess?

  • Warum sollte ihn dann ein Betrieb als "überqualifiziert" ansehen?

    Nicht der Betrieb. Wenn er da einen Betrieb finden würde, würde ich mich freuen. Aber für unsere Vollzeit-Ausbildungsgänge an der Schule, die für ihn passen würden, ist er rein formal überqualifiziert und darf sie entsprechend nicht belegen.

    Man darf ja keinen Schulabschluss das zweite Mal machen, wenn man zuvor bereits bestanden hat. Ein einmal bestandenes Abitur darf ja auch nicht zur Notenverbesserung wiederholt werden, um im Sinne der Gym.-Kollegen hier zu sprechen.

  • Man darf ja keinen Schulabschluss das zweite Mal machen, wenn man zuvor bereits bestanden hat. Ein einmal bestandenes Abitur darf ja auch nicht zur Notenverbesserung wiederholt werden, um im Sinne der Gym.-Kollegen hier zu sprechen.

    Bist du dir da sicher?

    Bei uns kann die mittlere Reife zur Notenverbesserung einmal wiederholt werden. Beim Abitur weiß ich es nicht, da ich nicht am Gymnasium bin, könnte mir aber vorstellen, dass das geht.

  • Bist du dir da sicher?

    Bei uns kann die mittlere Reife zur Notenverbesserung einmal wiederholt werden. Beim Abitur weiß ich es nicht, da ich nicht am Gymnasium bin, könnte mir aber vorstellen, dass das geht.

    Siehe BASS 13.33 1.1 §16 VV

    16.1 zu Absatz 1

    Schülerinnen und Schüler, die den im Bildungsgang zu erwerbenden schulischen Abschluss schon besitzen, können in den Bildungsgang aufgenommen werden und den beruflichen Abschluss erwerben. Sie können auch den schulischen Abschluss erneut erwerben. Die Schülerinnen und Schüler, die den schulischen Abschluss erneut erwerben wollen, teilen dies schriftlich der Schulleitung mindestens eine Woche vor der Zulassungskonferenz mit.

  • Zum Beispiel indem er regelmäßig pünktlich überhaupt erst einmal in die Schule kommt.

    Wenn der Schüler das mit Mitte 20 noch nicht gelernt hat, ist es dann nicht eher utopisch anzunehmen, dass ein Jahr Ausbildungsvorbereitung diesbezüglich die entscheidende Wende bringt? Vielleicht braucht der Schüler statt einer Ausbildungsvorbereitung eher eine Form von Alltagsassistenz, um mit dieser Unterstützung täglich pünktlich in eine Ausbildung zu starten, die für seine Form von Autismus funktionieren kann dank inklusiv agierendem AG.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Gibt's bei euch niemanden, den du fragen kannst, wie es für den Mann weitergeht? Ich finde es ehrlich gesagt traurig, dass er ein Jahr nach dem anderen wiederholen muss, logischerweise keinen Bock mehr hat und nun fehlt. Es muss doch irgend eine Art von Beratung geben, sonst rufe bei der Arge an und frag die, welche Reha-Wege es gibt.

  • Vielleicht wäre es sinnvoll sich hier mit der für eure Schule zuständigen Person bei der Argentur für Arbeit zu sprechen? Es gibt entsprechende Maßnahmen und auch Ausbildungen über Berufsförderungswerke etc., die teilweise sogar auf Autismus spezialisiert sind. Er wird vermutlich einen GdB haben und auch sonst durch seine Biographie und Diagnose entsprechenden Anspruch haben.

  • EIN VERWANDTER, AUTIST, HAT, NACH VIELEM HIN UND HER EINE LEHRE ABSOLVIEREN KÖNNEN - ER HAT DIES NICHT OHNE BEGLEITUNG GESCHAFFT UND IST DANN IN EINE ÜBERBETRIEBLICHE AUSBILDUNGSMAßNAHME GEKOMMEN. ER HAT DORT DIE KOCHLEHRE SUPERGUT HINGELEGT, HATTTE ABER IMMER WIEDER HIFLESTELLUNGEN, WEIL ER ES IN KEINEM BETRIEB LANGE AUSGEHALTEN HAT. MITTLERWEILE IST ER AUSGEBILDET UND HAT EINE FESTANSTELLUNG IN SEINEM FACHGEBIET.

  • EIN VERWANDTER, AUTIST, HAT, NACH VIELEM HIN UND HER EINE LEHRE ABSOLVIEREN KÖNNEN - ER HAT DIES NICHT OHNE BEGLEITUNG GESCHAFFT UND IST DANN IN EINE ÜBERBETRIEBLICHE AUSBILDUNGSMAßNAHME GEKOMMEN. ER HAT DORT DIE KOCHLEHRE SUPERGUT HINGELEGT, HATTTE ABER IMMER WIEDER HIFLESTELLUNGEN, WEIL ER ES IN KEINEM BETRIEB LANGE AUSGEHALTEN HAT. MITTLERWEILE IST ER AUSGEBILDET UND HAT EINE FESTANSTELLUNG IN SEINEM FACHGEBIET.

    Das ist Prima. Du musst aber trotzdem nicht so schreien.

  • Berufsgrundschuljahr ist für Schüler, die mit einem Hauptschulabschluss nach Klasse 9 zu uns kommen.

    Welches Bundesland? In NRW gibt es kein Berufsgrundschuljahr mehr. Den Rest der Geschichte kann ich nicht überprüfen.

    „Fakten haben keine Lobby.“

    (Sarah Bosetti)

  • Unser Problem ist, dass der Schüler mit attestierter Fachoberschulreife (= Realschulabschluss nach Klasse 10) ohne Qualifikationsvermerk zu uns gekommen ist. Er ist inzw. Mitte 20 und wird uns absehbar ohne jeglichen Abschluss in ein Bürgergeld-Leben verlassen, weil er für die passende Ausbildung formal überqualifiziert ist und deswegen überall nicht rein kommt bzw. dort, wo er formal rein kommt, sehr schnell festgestellt wird, dass er das geforderte Niveau nicht ansatzweise erreichen kann.

    Lösungen kann ich leider auch nicht anbieten. Wir haben in den Internationalen Förderklassen dasselbe Problem. Vor allem Ukrainer, die sich anmelden um Deutsch zu lernen, dann aber ihren ukrainischen Abschluss übersetzen und anerkennen lassen und dann nicht mehr in die IFK können, da sie einen zu hohen Abschluss haben und jetzt in die Höhere Berufsfachschule, Gymnasiale Oberstufe oder sonst wo rein müssten – aber ohne Deutsch ist das ja eine reine Verwahrung. Unsere Schulsozialarbeiter beraten mittlerweile schon dahin, den Abschluss erst nach Abschluss der IFK anerkennen zu lassen – eine gute Lösung ist das bei uns aber auch nicht. Und du kannst bei deinem Fall ja auch nicht den Abschluss verschwinden lassen...

  • Er ist ja nicht mehr schulpflichtig, ich denke, dass ist an der Stelle das Ausschlusskriterium für die Ausbildungsvorbereitung, da er zusätzlich schon den entsprechenden Schulabschluss besitzt. Ich glaube aber auch, dass er dort nicht richtig wäre sondern wie schon geschrieben eine entsprechende Maßnahme oder begleitete Ausbildung benötigt und da hilft die Agentur für Arbeit weiter. Da müsstet ihr als BK ja eigentlich feste Ansprechpersonen haben, oder gibt es bei euch keinen Kooperationsvertrag?

  • Zum Beispiel indem er regelmäßig pünktlich überhaupt erst einmal in die Schule kommt.

    Er möchte ins Handwerk. Stattdessen soll er bei euch "Täglich grüßt das Murmeltier" ohne Aussicht auf ein Ende spielen. Da würde ich auch nicht regelmäßig pünktlich mitmachen, finde es bemerkenswert, dass er überhaupt noch auftaucht. Er benötigt vermutlich Hilfe bei der Ausbildungsplatzsuche und ggf. eine Ausbildungsbegleitung und/ oder Assistenzkraft. Ganz viele Infos gibt es z. B. hier: https://www.autismus.de/fileadmin/WAS_…StandJuli23.pdf

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