Schule verbietet Bauchfrei - mit einem sehr seltsamen Argument

  • Oder, unpopuläre Meinung, wir verstehen Schule als Ort, an dem sich die Jugendlichen entwickeln und auch ausprobieren können, und zwar einerseits im direkten Kontakt mit ihren Peers und mit Erwachsenen, andererseits aber auch geborgen durch den "Schutzraum Schule", wo ein fashion fail vielleicht nicht die gleichen Konsequenzen hat wie im richtigen Leben.
    Und vielleicht, nur so als Idee, finden dann Schülerinnen und Schüler zu einem Stil, in dem sie sich wohl fühlen und der Ausdruck ihrer eigenen Persönlichkeit ist, statt diesen Prozess durch solche Vorgaben zu ersticken und in ungeschütztere Bereiche zu verlagern.

    Danke!
    Ich verweise da auf die Modelle der Entwicklung in der Phase Jugend (Hurrelmann, Bauer/Hurrelmann) und es ist genau das: es gibt auch in der Jugendphase dieses Moratorium, die Möglichkeit, sich ohne zu viele Konsequenzen auszuprobieren.
    Aber auch zur Jugend gehört das Austesten von Beziehungen, das "Provozieren" von anderen Kulturen und das Losbinden von Beziehungen (durch den eigenen Ausdruck). Mein letzter Pädakurs (in welchem das Thema war) sowie meine letzten Oberstufenkurse mit realer Beziehungsarbeit sind prä-Corona, aber da fand ich zum Teil die Entwicklung zur Angepasstheit und "meine Mama ist die beste Freundin" ein bisschen bedenklich. Ich finde jeden Jugendlichen, der ein bisschen rebelliert, gut und meiner Meinung nach gesünder. (Natürlich ist es okay, wenn man sich mit seinen Eltern und den Erwachsenen gut versteht)

  • ...

    Trotzdem kann ich das Hausrecht akzeptieren, wenn es heißt: "Wir hätten es gerne so und so.", solange die Begründung keine Schuldzuweisungen beinhaltet oder sonstwie daneben liegt...

    Über die Hausordnung wird in der Schulkonferenz abgestimmt und diese besteht zu Teilen aus Lehrkräfte-, Eltern- und Schüler*innenvertretung.

    Normalerweise stimmt die Lehrkräftekonferenz über den Wortlaut der Hausordnung ab und bringt den fertigen Vorschlag zur Absegnung in die Schulkonferenz mit. Letztere tagt aber nur verhältnismäßig selten und die Hausordnung steht auch nicht ständig auf der Agenda.

    Ich fide es sehr aufmerksam und wichtig, dass sich die Schülerin mit den Begriffen offenbar bereits auseinandergesetzt hat und wenn sie es schafft, die Diskussion insgesamt ins Rollen zu bringen und Mitstreitende zu finden, hat sie schon viel erreicht.

  • Du benennst das ja als eine persönliche Einstellung. Kannst du sie aber vielleicht trotzdem begründen? Oder ist das halt so ein diffuses Empfinden, für das es keinen objektiven Grund gibt (- was ja auch okay ist, dann aber vielleicht als Grundlage für eine Kleiderordnung, die wir hier hypothetisch diskutieren nicht ausreichen dürfte.)

    EDIT: Ich will übrigens gar nicht behaupten, dass ich mir nicht vielleicht auch eher von dem Typen im Anzug eine bestimmte Anlageform oder einen Kredit aufschwatzen lassen würde als von dem Typen in Jogginghose und FlipFlops. Aber eigentlich sollte das ja echt keine Rolle spielen.

    Primär ist es natürlich subjektives Empfinden, ich bin allerdings auch der Meinung, dass Kleidung Haltung spiegelt. Ich kleide mich respektvollerweise auch in anderen Kontexten (Hochzeit, Beerdigung, Vorstellugsgespräch, Beruf) anders, als zu Hause und finde, diesen "formalen Respekt" kann man auch in Bildungseinrichtungen an den Tag legen. Es ist eben kein Freizeitraum und das kann sich auch in der Kleidung wiederfinden. Schule ist meines Erachtens auch kein passender Raum des individuellen Ausprobierens und der Selbstverwirklichung, sondern es reicht, wenn "jeder macht, was er will" den Freizeitbereich bestimmt. In der Schule würde ich mir mehr Ruhe und Konzentration aufs Wesentliche wünschen, was sich auch in größerer optischer "Unaufgeregtheit" und Konformität spiegeln darf. Mir ist aber bewusst, dass meine Ansichten hier völlig konträr zum Zeitgeist hierzulande laufen 😄

    Interessant finde ich, dass Schüler, die Kleiderordnungen oder Uniformen an Privatschulen oder im Ausland selbst kennengelernt haben, das unterm Strich meistens positiv bewerten.

  • Danke!
    Ich verweise da auf die Modelle der Entwicklung in der Phase Jugend (Hurrelmann, Bauer/Hurrelmann) und es ist genau das: es gibt auch in der Jugendphase dieses Moratorium, die Möglichkeit, sich ohne zu viele Konsequenzen auszuprobieren.
    Aber auch zur Jugend gehört das Austesten von Beziehungen, das "Provozieren" von anderen Kulturen und das Losbinden von Beziehungen (durch den eigenen Ausdruck). Mein letzter Pädakurs (in welchem das Thema war) sowie meine letzten Oberstufenkurse mit realer Beziehungsarbeit sind prä-Corona, aber da fand ich zum Teil die Entwicklung zur Angepasstheit und "meine Mama ist die beste Freundin" ein bisschen bedenklich. Ich finde jeden Jugendlichen, der ein bisschen rebelliert, gut und meiner Meinung nach gesünder. (Natürlich ist es okay, wenn man sich mit seinen Eltern und den Erwachsenen gut versteht)

    All das muss aber nicht zwanghaft in der Schule passieren. Dafür gibts zig andere soziale Kontexte, in denen sich Jugendliche bewegen und ausprobieren können - tun sie in anderen Ländern ja auch, oder würdest du deren Entwicklung aufgrund der schulischen Kleidungsrestriktionen pauschal als gestört bezeichnen?

  • All das muss aber nicht zwanghaft in der Schule passieren. Dafür gibts zig andere soziale Kontexte, in denen sich Jugendliche bewegen und ausprobieren können - tun sie in anderen Ländern ja auch, oder würdest du deren Entwicklung aufgrund der schulischen Kleidungsrestriktionen pauschal als gestört bezeichnen?

    Nein, natürlich muss es nicht in der Schule passieren, und nein, die Entwicklung der Kids in Ländern mit Schuluniform ist nicht pauschal gestört, aber..
    Hier erinnern wir uns alle an die verschiedenen Funktionen von Schule (Fend) und Schule ist halt ein Sozialisationsfeld.

    (und da ist eben der schwierige Spagat der Erziehung in der Jugendphase: Jugendlichen das Ausprobieren lassen und gleichzeitig die gesellschaftlichen Regeln einführen.
    Also: Ja, ich will, dass die Jugendlichen die Möglichkeit haben, sich auszuprobieren, die Regeln zu missachten, und ich muss dann gucken, wie ich damit umgehe. Und wer glaubt, dass in Ländern mit Uniform nicht genau das an anderer Stelle passiert (Rock 1 cm höher, dunkelblaue Socken statt schwarze, getönte Haarsträhne, die man versucht zu verstecken, usw..), ist naiv.
    Das ist der Spagat, in welchem sich Individuen entwickeln. Die allerwenigsten Menschen kleiden sich als Erwachsene noch wie in der Jugend und die meisten von uns blicken sicher nicht mit großem Stolz auf die Jugendgarderobe (inklusive Stil und so). (und ich sage es als eine, die ihre Kleidung erst nach ihrem Auszug selbst kaufen durfte und davor in einem durchaus seltsamen Rahmen lebte. MEINE Rebellion war, dass ich in der Schule meine Haare offen trug, was meine Mutter sonst nie erlaubt hätte (man bekommt davon schlechte Noten. Was ich widerlegt habe :D )
    Und zur kommenden Nachfrage: Ja, ich HABE eine gestörte Entwicklung hinter mir, weil ich mich eben als Jugendliche nie ausprobieren konnte.


  • Und zur kommenden Nachfrage: Ja, ich HABE eine gestörte Entwicklung hinter mir, weil ich mich eben als Jugendliche nie ausprobieren konnte.

    Deine Erfahrungen kann ich teilen. Sehr reglementierendes Elternhaus, selbst durchsichtiger Nagellack war verboten. Ich habe nicht rebelliert, sondern alle Aggression an mir selbst ausgelassen, weil ich dachte, ich ticke nicht richtig, dass ich den Wunsch habe, mich da zu verändern. Hat lange gebraucht, mich da rauszukämpfen.

    Kinder und Jugendliche, die nicht die Freiheit haben, sich selbst auszuprobieren und ihr eigenes Selbst-Bewusstsein entwickeln dürfen, haben es später durchaus in vielen Fällen schwerer. Damit meine ich nicht zwingend den Schulbesuch mit Schul-Uniform, da gibt es Pros und Contras, aber eben das Signal "du bist so nicht richtig!". Oder, wie es durch das Argument der im EP beschriebenen Schule heißt: "Du bist nicht nur so nicht richtig, du sorgst auch noch dafür, dass andere Menschen abgelenkt werden/ungute Gedanken entwickeln könnten". Meine Schülerin ist erbost, andere ziehen den Kopf ein und denken, das sei wahrscheinlich richtig, wenn die Schule das sagt. Und da sehe ich die Gefahr.

    In meiner einen Dritten (jetzt dann Vierten) ist gerade ein Mädel, die sich sehr stark ausprobiert. Bauchfrei, Fake-Piercings, dunkler Nagellack. Ich nehme an, nach irgendeinem Vorbild. Und wie schön war es, dass KEINER in der Klasse auch nur irgendwas Blödes zu ihr gesagt hat und auch meine Kolleginnen, die mit mir in der Klasse sind, sie einfach haben machen lassen. Sie durfte einfach sein. Das wird auch wieder vorbeigehen - und wenn nicht, dann kriegt sie halt nen Goth-Touch.

    Klar ist es sinnvoll, den Kleidungsstil anzupassen, je nachdem, wohin man geht. Das Bewusstsein kann man dafür ja sanft schärfen, da sehe ich kein Problem. Aber ansonsten ist es für Kinder und Jugendliche einfach wichtig, in Freiheit und höchstens mit sanfter Unterstützung ihren eigenen Weg zu suchen. Ich hätte mich meinen eigenen Weg nie zu gehen getraut - und im Nachhinein überlege ich oft, ob ich nicht einfach einiges mehr hätte durchkämpfen sollen gegen die strikten Weg-Vorgaben meiner Eltern.

    Wenn ich als Jugendliche Dinge gut begründet bekommen habe, war meine Akzeptanz auch größer, auch wenn es Verbote waren. Bei dieser Begründung allerdings habe zumindest ich Angst vor Schaden bei Mädchen, die sich den Schuh anziehen und das in sich behalten.

    KEIN Mädchen ist schuld, dass es jemanden ablenken könnte, kein Mädchen ist schuld, wenn Übergriffe passieren. Den Bezug zwischen Kleidung und Ablenkung/Gedanken/Übergriffen überhaupt zu setzen, ist ein Unding. Und wenn eine Schule mit pädagogischem Lehrauftrag sowas macht, dann bin ich da echt ziemlich sprachlos.

    Blowing out someone else's candle doesn't make yours shine any brighter.

  • "Es lenkt männliche Schüler und Lehrer ab."

    Das ist m.E. der erste Schritt zur islamisch motivierten Geschlechtertrennung.

    Wäre interessant, wann die nächsten kleinen Schritte kommen.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • Schuluniformen würden diese Probleme weitgehend lösen...

    Das löst nur ein Problem bei wenigen, die darin überhaupt ein Problem sehen und bestraft alle anderen. Das kann aus meiner Sicht keine Lösung sein.

  • Das ist m.E. der erste Schritt zur islamisch motivierten Geschlechtertrennung.

    Wäre interessant, wann die nächsten kleinen Schritte kommen.

    Ist noch gar nicht soooo lange her, dass das an superreindeutschen Schulen Usus war.

    Man könnte also auch sagen "back to the roots" ;)

  • Wer sich freizügig kleidet, möchte gesehen werden, aber das impliziert nicht, dass man dumm angemacht oder angetascht werden möchte.

    Du kleidest dich also freizügig und möchtest gesehen werden? Da würde ich jetzt nicht von dir auf andere schließen...

  • ...

    In meiner einen Dritten (jetzt dann Vierten) ist gerade ein Mädel, die sich sehr stark ausprobiert. Bauchfrei, Fake-Piercings, dunkler Nagellack. Ich nehme an, nach irgendeinem Vorbild. Und wie schön war es, dass KEINER in der Klasse auch nur irgendwas Blödes zu ihr gesagt hat und auch meine Kolleginnen, die mit mir in der Klasse sind, sie einfach haben machen lassen. Sie durfte einfach sein. Das wird auch wieder vorbeigehen - und wenn nicht, dann kriegt sie halt nen Goth-Touch.

    Klar ist es sinnvoll, den Kleidungsstil anzupassen, je nachdem, wohin man geht. Das Bewusstsein kann man dafür ja sanft schärfen, da sehe ich kein Problem. ...

    Ich weiß nicht, was ist denn sanft? Kinder müssen ja nun nicht alles ausprobieren, irgendwer muss ihnen sagen, was wo wie ankommt. Dass das immer ausgehandelte Konventionen sind ist klar, aber ich finde nicht, dass Neunjährige frühsexualisiert werden müssen.

    Ist ja nicht so, dass Eltern nicht auch ohne Ver- und Gebote großen Einfluss hätten, gerade auf Kinder vor der Pubertät. Und wenn sie ihren Töchtern dann Schühchen kaufen, die blutige Achillessehnen hinterlassen, weil diese gerade einen Prinzessinnen-Phase haben und genau diese Schuhe WOLLEN!!! oder eben bauchfrei, weil die Freundinnen der Mutter alle bauchfrei ins Sonnenstudio gehen etc. naja. Klar, soll jeder machen wie er will. Aber zur Kindererziehung gehört nunmal auch das Klamottenthema, das kann man nicht einfach komplett ausschalten als Erziehungsberechtigte.

  • Ich weiß nicht, was ist denn sanft? Kinder müssen ja nun nicht alles ausprobieren, irgendwer muss ihnen sagen, was wo wie ankommt.

    NICHT sanft bedeutet zb: "Du siehst aus wie ne Nutte auf'm Strich!" Und nein, ich bekam das nicht gesagt, aber eine mir sehr nahe Person. Natürlich ging sie trotzdem so, GERADE wegen des Spruchs. Andere sind dann vielleicht total verunsichert etc.

    Sanft bedeutet für mich, das Gespräch zu suchen, warum ein Kind/ein(e) Jugendliche(r) gerade SO einen Kleidungsstil gewählt hat, was ihn/sie dazu bewogen hat - und dann ganz freundlich ein paar Erklärungen zu geben, warum es vielleicht in der Gesamtheit keine so gute Idee ist. Funktioniert bei Fünfjährigen noch nicht (NEIN, ich WILL ABER!!), aber bei Achtjährigen geht das schon, weiß ich aus eigener Erfahrung. :D

    Blowing out someone else's candle doesn't make yours shine any brighter.

  • Du kleidest dich also freizügig und möchtest gesehen werden? Da würde ich jetzt nicht von dir auf andere schließen...

    Wenn bei mir der Fußknöchel raus blitzt, dann will ich schon damit gesehen werden 💃

  • Neeeeein!!!!

    Ich toleriere JEDE Mode, ABER: Männer in schicken oder nicht schicken Schuhen, bei denen man die Knöchel sieht und glauben könnte, sie tragen keine Socken… WARUUUUUM?


    🤣

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