Lehrer nicht mehr Beamte?

  • An der französischen Schule, die mit uns den Austausch macht, gibt es eine Bibliothekarin, die Leseabende und Ähnliches organisiert. Das meine ich mit Projekten. Und Austausch etc. halte ich für entspannt, wenn der ganze Orgakram übernommen wird.

    okay, stimmt. Es ist einfach die Lehrkraft (ihr Status), die für die Bibliothek / Leseförderung / usw. zuständig ist.
    Die Fachkraft gibt es. Ich dachte, du meinst AGs und so. (Sie sind entweder Teil des Deputats (Sport) oder Engagement (Fahrten, usw..)-)

    Dann bin ich wohl nie in einer solchen Region gewesen. Ich kenne keine einzige Abordnungsform, die daraus resultiert, dass die Stelle rein rechnerisch einen Überhang hat, sondern nur wegen Bedarf woanders. Was ja einen Unterschied ausmacht. Ich kenne KEINEN EINZIGEN Deutschlehrer im Staatsdienst, der nicht jahrelang (oder wenn überhaupt, bis er gekündigt hat) auf zwei Schulen war.
    Das ist übrigens der Grund für die "drei zusätzliche (Wochen)Stunden", die man ohne Widerspruch hinnehmen muss, weil man dadurch zum Beispiel lieber 4 Franz-Kolleg*innen mit Überstunden hat, also einen 5., den man sich mit einer anderen Schule teilen muss.

    Warum sollte man nicht den Aufwand fürs Geld gegenrechnen? Das hat meine französische Kollegin doch gerade gemacht und für sich bei Kenntnis beider Systeme beschlossen, dass sie nicht mit Deutschland tauschen möchte.

    Ich kann mir nicht vorstellen, bis zur Pension / Rente Lehrkraft in Deutschland zu bleiben, weiß aber, dass ich es in Frankreich nicht mal bis jetzt ausgehalten hätte (allerdings hauptsächlich aus anderen Gründen. Denn wenn man eben im System ist, ist das Geld vermutlich nicht mehr das große Ding. Man verdient halt schlecht, ist halt so). Und dass aus den ca. 10 Deutschlehrkräften, die mit mir studiert habe, die letzte vor einem Jahr nach 20 Jahren gekündigt hat, überrascht mich nicht.

    Außer der Bezahlung sind ein paar der hier aufgezählten Mankos anders im konfessionellen Schuldienst, weswegen immer mehr sich dort bewerben, auch wenn sie gerade mal getauft sind. Damit erkauft man sich Wohnortnähe und Schutz vor Abordnung zum Beispiel (was im deutsch-französischen Zusammenhang dazu führt, dass ich keine französische Schule mehr finde, die staatlich ist, die noch Kapazitäten für Austausche hat (entweder schon besetzt, oder keine Kraft mehr).

  • Wer macht denn Leseförderung und die Bibliothek an den allermeisten deutschen Schulen? Diejenigen, die eh schon 28 Stunden Unterricht halten.

    Überhang an Schulen gibt es hier in Oberfranken und Unterfranken mittlerweile oft. Das sind Gebiete, in denen die Bevölkerung sinkt. Gleichzeitig ist die Realschule beliebt, wir haben durch Übertrittszeugnis Restriktionen beim Übertritt. Meine Schule hatte vor 20 Jahren 1000 Schüler, heute keine 700 mehr. In Franken gibt es reihenweise Gymnasien mit unter 500 Schülern. Daraus ergibt sich, dass gerade in "kleinen" Fächern rein rechnerisch keine vollen Planstellen mehr aufgehen. Also ergeben sich Abordnungen. Deutsch ist in Frankreich mittlerweile ein "Orchideenfach", das wird einfach nicht mehr viel gewählt. Den Kollegen mit Winzfächern wie Italienisch oder Spanisch (kann hier nur als 3. Fremdsprache gewählt werden), müssen auch hier deswegen in Abordnung, da einfach oft kein Bedarf mehr für 2 Stellen ist. Oder Ethik und Informatik ist ein solches Mangelfach, dass Kollegen an andere Schulen müssen, weil es an der Nachbarschule einfach niemanden mit Fakultas gibt. Unterstufe wird fachfremd unterrichtet, für Oberstufe kommt der Kollege von der Nachbarschule. Nachbarschule ist hier aber oft auch 20-30km entfernt, da in der Pampa nur ein GY in der Kleinstadt üblich ist.

  • Tom123 was findest du verwirrend? § 4 TV-L regelt die Abordnung, da sehe ich keine Vorteile zum Beamtentum.

    "Die Rechtsstellung der Beschäftigten bleibt unberührt."

    Der Vorteil liegt in diesem Satz. Der Angestellte hat sämtliche Arbeitnehmerrechte ohne Einschränkungen. Dadurch kann er nicht so flexibel eingesetzt werden wie ein Beamter. Das gilt beispielsweise auch für die Arbeitszeiten und andere Arbeitsschutzbestimmungen. Aber ich glaube, dass die Diskussion hier nicht passt.

  • "Die Rechtsstellung der Beschäftigten bleibt unberührt."

    Der Vorteil liegt in diesem Satz. Der Angestellte hat sämtliche Arbeitnehmerrechte ohne Einschränkungen. Dadurch kann er nicht so flexibel eingesetzt werden wie ein Beamter. Das gilt beispielsweise auch für die Arbeitszeiten und andere Arbeitsschutzbestimmungen. Aber ich glaube, dass die Diskussion hier nicht passt.

    Ob Lehrkräfte nun in Zukunft nicht mehr verbeamtet werden, bleibt doch eh abzuwarten und von uns nicht beeinflussbar. Da Lehrer aber m.E. immer noch den Bildungsauftrag im öffentlichen Sektor innehaben und man ja auch nun LehrAMT studiert hat, wird es eh schwierig, da den Beamtenstatus abzuschaffen. Wenn man ihn abschaffen würde, sollte man gleichwohl darüber nachdenken, warum man ihn eingeführt hat. 😉

  • Da Lehrer aber m.E. immer noch den Bildungsauftrag im öffentlichen Sektor innehaben und man ja auch nun LehrAMT studiert hat, wird es eh schwierig, da den Beamtenstatus abzuschaffen.

    In den meisten Ländern aber mittlerweile Bachelor- und Masterstudiengänge ohne explizite Staatsprüfung. Das würde es wiederum einfacher machen.

  • In den meisten Ländern aber mittlerweile Bachelor- und Masterstudiengänge ohne explizite Staatsprüfung. Das würde es wiederum einfacher machen.

    Stimmt, aber trotz Master muss man am Ende des Referendariats eine zweite Staatsprüfung ablegen. Am Anfang des Referendariats werden sowieso auch alle mit dem Master of Education in das Beamtenverhältnis auf Widerruf ernannt. Eine Vereinheitlichung des Lehramtsstudiums Zwecks Abschluss gibt es nicht. In manchen BL Bachelor-Master und in anderen wiederum Prinzip Examen.

  • Das heißt: die 45Minuten-BaWüStunde ist 1,74 Zeitstunden wert, die 55-Minuten-französische-Stunde ist 1,74 Zeitstunden wert?
    Interessante Grundlage für eine Diskussion...

    Im Prinzip - ja. Der Vor- und Nachbereitungsaufwand für eine UE ist ziemlich identisch - ob die Stunde nun 10 Minuten länger dauert oder nicht. Weil in D noch zusätzliche Verwaltungsaufgaben hinzukommen, die in F nicht anfallen, könnte eine Stunde in F sogar noch einen geringeren Faktor besitzen.

    «Wissen – das einzige Gut, das sich vermehrt, wenn man es teilt.» (Marie von Ebner-Eschenbach)
    Meine Beiträge können Spuren von Ironie und Sarkasmus enthalten

  • Interessant hinsichtlich der Durchsetzungschancen der Nichtverbeamtung ist, ob der Bund das rechtlich initiieren kann durch seine Rahmengesetzungsgebungskompetenz hinsichtlich des gesamten Beamtenbereichs (auch die der Kommunen und Länder).

    Leider wird diese ganz elementare Frage öffentlich noch nicht einmal aufgeworfen - auch Linnemann nimmt darauf keinen Bezug (für mich ein deutliches Zeichen dafür, dass die Diskussion eher 'Spätsommerloch' ist).

    Das 16 Bundesländer auf die Verbeamtung gleichzeitig verzichten ist illusorisch - Schlüsselfrage ist, ob das mit Bundesrecht möglich ist (ich weiß es nicht, Hinweise sehr willkommen)

  • Im Prinzip - ja. Der Vor- und Nachbereitungsaufwand für eine UE ist ziemlich identisch - ob die Stunde nun 10 Minuten länger dauert oder nicht. Weil in D noch zusätzliche Verwaltungsaufgaben hinzukommen, die in F nicht anfallen, könnte eine Stunde in F sogar noch einen geringeren Faktor besitzen.

    Lächerlich.
    Man könnte auch einfach sagen: es ist nunmal nicht vergleichbar.
    Die offizielle Arbeitszeit ist auch eine GAAAAAAAAANZ andere (35 Stunden vs. 40-41), die Sommerferien, das "Mehr" an Ferien sind in Frankreich (ursprünglich) offiziell nicht Teil der Arbeitszeit sondern das Gehalt ist annualisiert (was die Absurdität zeigt, denn damals war die Wochenarbeitszeit über 40 Stunden, es gab eine Woche weniger Urlaub, usw..)

    Ein Vergleich der einzelnen Aufgaben innerhalb der zwei Länder ist absurd.


    Im Prinzip - ja. Der Vor- und Nachbereitungsaufwand für eine UE ist ziemlich identisch - ob die Stunde nun 10 Minuten länger dauert oder nicht.


    DER Satz ist eine Frechheit.
    Dann könntest du also auch deine Unterrichtszeit statt in 45 Minuten in 55 Minuten-Blöcke mit der selben Gesamtvorbereitungszeit abgehalten haben und dein Dienstherr hätte eine halbe oder volle Stunde dazu gewonnen?!
    Da freuen sich die KuK an Schulen mit 60-Minuten-Stunden, wenn man ihnen das erklärt.
    Es hört sich genauso lächerlich und unwissend an, wie meine Mitreffis, die mich fragten, wie man in Frankreich unterrichten könne, da man am Ende einer Stunde immer 10 Minuten "zuviel" habe. Als ob 45 Minuten die einzige Einheit sei. Von einem erfahrenen Lehrer hätte ich es nicht erwartet.

  • Interessant hinsichtlich der Durchsetzungschancen der Nichtverbeamtung ist, ob der Bund das rechtlich initiieren kann durch seine Rahmengesetzungsgebungskompetenz hinsichtlich des gesamten Beamtenbereichs (auch die der Kommunen und Länder).

    Leider wird diese ganz elementare Frage öffentlich noch nicht einmal aufgeworfen - auch Linnemann nimmt darauf keinen Bezug (für mich ein deutliches Zeichen dafür, dass die Diskussion eher 'Spätsommerloch' ist).

    Das 16 Bundesländer auf die Verbeamtung gleichzeitig verzichten ist illusorisch - Schlüsselfrage ist, ob das mit Bundesrecht möglich ist (ich weiß es nicht, Hinweise sehr willkommen)

    Rahmengesetzgebung gibt es grundsätzlich nicht mehr seit der Föderalismusreform (Art. 75 GG ist weggefallen). Das Beamtenrecht unterliegt der konkurrierenden Gesetzgebung mit Ausnahme von Laufbahnen, Versorgung und Besoldung, hier haben die Länder die Gesetzgebungskompetenz (Art. 74 Abs. 1 Nr. 27). Der Bund hat von seinem Gesetzgebungsrecht in Form des Beamtenstatusgesetz Gebrauch gemacht, daher sind die Länder bisweilen nicht mehr zuständig (Art. 72 Abs. 1 GG). Das Beamtenstatusgesetz nennt zwei Fälle, in denen Verbeamtung möglich ist, theoretisch kann der Bund dies weiter einschränken, z. B. auf hoheitliche Aufgaben beschränken. Allerdings ist nach Art. 74 Abs. 2 bei Gesetzgebung im Bereich des Beamtenrechts immer die Zustimmung des Bundesrates erforderlich.

  • Einwurf privat (also kein ausdrücklicher Mod-Beitrag):

    Ich LIEBE das, dass es in letzter Zeit immer wieder echt sachliche Diskussionen mit harten Fakten und Hinweisen (auch wenn ich die Hälfte nicht mehr verstehe :D )
    Und RosaLaune , ernsthaft, ich bin so ein Fan von dir, deiner Sachlichkeit und deinem scheinbar unerschöpflichen Wissen.

  • Und RosaLaune , ernsthaft, ich bin so ein Fan von dir, deiner Sachlichkeit und deinem scheinbar unerschöpflichen Wissen.

    Ich hatte heute einen richtig beschissenen Tag. Da höre ich sowas gerne. Unerschöpflich ist mein Wissen nicht. Ich finde rechtliche Sachen einfach wahnsinnig spannend und bereue in letzter Zeit, nicht mehr in die Richtung studiert zu haben.

  • RosaLaune: Okay, das heiße also, dass mit Zustimmung des Bundesrates der Bund eine weitere Lehrerverbeamtung verbindlich (!) verhindert werden könnte. Zumindest, dass dies eine Option der Umsetzung sein könnte, die rechtlich überprüft werden müsste

    So eine Bundesratsmehrheit ließe sich natürlich viel einfacher organisieren als eine Landesgesetzgebung in 16 Bundesländern zu erreichen, das würde schon allein an dem Bundesland Berlin scheitern.

    Seltsam nur, dass dieser Aspekt nirgendwo diskutiert wird (sagt auch einiges über mediale Oberflächlichkeit aus)

  • Ich hatte heute einen richtig beschissenen Tag. Da höre ich sowas gerne. Unerschöpflich ist mein Wissen nicht. Ich finde rechtliche Sachen einfach wahnsinnig spannend und bereue in letzter Zeit, nicht mehr in die Richtung studiert zu haben.

    Ich entdecke auch immer mehr meine Liebe zu Rechtstexten und bin da ganz bei dir.

  • Was die ganze Debatte übrigens nochmals befeuern wird ist die anstehende Entscheidung des BVG.

    Wenn das Eintritt, was all die Alimentationsrechtnerds im "öffentlicher Dienst Forum" behaupten und quasi alle Besoldungsgesetze pulverisiert werden, wird das zu enormen Kostensteigerungen führen, welche die Debatte nochmal ordentlich anheizen wird.
    Ich glaube, dass Linnemanns Aussagen unter anderen vor diesem Hintergrund zu betrachten sind.

  • DER Satz ist eine Frechheit.

    Unterrichtest du in einer 55-Minuten-Stunde so viel mehr Themen, dass die Vorbereitungszeit exzessiv in die Höhe schnellt? Als erfahrener Kollege sage ich dir: Nein.
    Als ich an der SFE unterrichtet habe, kam der SL auf die Idee, den Stundenplan wegen Lehrermangels umzugestalten. Die UE wurde auf 43 Minuten gekürzt. Hübsch.
    Musste ich deswegen weniger unterrichten? Nein.
    Hintergrund dieser Verkürzung war folgender:
    Die eingesparten 2 Minuten ergaben bei einem Deputat von 24 UE 48 Minuten - und somit eine weitere UE, die zu halten war. Meist fachfremd. Das ergab dann WIRKLICH mehr Vorbereitungszeit.
    Wenn man statt 45 Minuten jedoch 55 Minuten in einer UE unterrichtet, hat man die Möglichkeit, tiefer ins Thema einzusteigen oder mehr Übungszeit und Besprechungszeit mit den Schülern einzuplanen. Das mach' ich mit Links.
    BTW: Dieser Taschenspielertrick des SL war einer der Gründe, weshalb ich dann gekündigt und die Schule gewechselt habe.
    Wobei wir wieder beim Vorteil des Angestelltenverhältnisses sind.

    «Wissen – das einzige Gut, das sich vermehrt, wenn man es teilt.» (Marie von Ebner-Eschenbach)
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