"Verlorene Schafe" zurück in die Herde holen

  • Wenn Du so argumentierst, könntest Du immer sagen, dass Du "voll" bist und nichts darüber hinaus mehr machen kannst. Man könnte seine Unterrichtsvorbereitung ja auch böse gesprochen künstlich aufblähen...

    Ja, und wenn du fragst, was man denn noch machen kann, dann unterstellst du, dass ich meine Arbeitszeitverpflichtung nicht erfülle. Ich finde nicht, dass wir das Spiel spielen sollten.

  • Schwierige Frage, aber vielleicht haben sich einige Kolleg:innen auch zurückgezogen, da sie von der alten Schulleitung nicht genügend gewertschätzt wurden und Arbeit, die gemacht wurde, nicht (genügend) gesehen wurde (oder die "verlorenen" Schafe denken es zumindest, was objektiv nicht der Fall ist).

    Vielleicht würde ein Mitarbeiter:innengespräch helfen um Gründe für das Verhalten heraus zu finden (wenn die Kolleg:innen es sagen möchten).

    Andere Kolleg:innen haben vielleicht wirklich schon genügend zu tun (hohe Korrekturbelastung, zu penible Vorbereitung (Perfektionismus), private Belastungen) oder es liegen gesundheitliche Gründe vor.

    Ansonsten wäre das Punktesystem hilfreich (auch wenn es ggf. Druck ausüben kann).

  • Die Zeiterfassung wird zu ganz vielen Problemen führen - sofern sie überhaupt annähernd realistische Werte für einzelne Tätigkeiten ausweist.

    Es läuft dann alles auf zu wenig Personal hinaus, das eben nicht auf Bäumen wächst. Also muss dann getrickst werden, dass das Ganze trotz Zeiterfassung wieder passt. Es wird dann Pauschalen für einzelne Tätigkeiten geben, die lächerlich gering bemessen sein werden. Beispielsweise 10 Minuten durchschnittliche Korrekturzeit für eine vierstündige Deutsch-LK-Klausur.

    Das Ganze wird vielen derjenigen, die noch motiviert und engagiert sind, den Rest geben.

    Das ist eine mMn pessimistische Sicht auf die Dinge, das Gesetz ist immerhin ein Gesetz für den Arbeitnehmer*innenschutz. Ich denke, dass sich die Bedingungen dadurch für Arbeitnehmer*innen verbessern werden. Zum Beispiel entsprechen Pauschalen doch gar nicht der Rechtssprechung, da doch die tatsächliche Arbeitszeit erfasst werden muss.

    "Arbeitgeber müssen Beginn, Dauer und Ende der Arbeitszeit erfassen - einschließlich Überstunden und Pausenzeiten. Folglich besteht die Zeiterfassungspflicht für die tatsächliche Arbeitszeit des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin." Quelle: https://www.haufe.de/personal/arbei…_76_582476.html

    Ich weiß gar nicht, inwiefern da nach Aufgaben, die man durch Pauschalen abbilden könnte, aufgeschlüsselt werden müsste. Es geht meines Verständnisses nach nur um die tatsächliche Arbeitszeit. Dass ich "voll" bin, um den Diskussionsstrang von RosaLaune aufzugreifen, kann ich mit der Arbeitszeiterfassung dann also objektiv beweisen bzw. wäre es dir als Schulleitung bewusst, da du die Daten hättest.

    Für die Schulleitungen kann ich das Dilemma natürlich verstehen, denn ich denke wie du auch, dass es zu wenig Personal gibt (und Lehrkräfte aktuell mehr arbeiten, als sie müssten).

  • Ich kann Bolzbolds Fragestellung gut nachvollziehen, auch wenn ich in der Wortwahl vermutlich vorsichtiger wäre.

    Es geht meines Verständnisses nach nur um die tatsächliche Arbeitszeit. Dass ich "voll" bin, um den Diskussionsstrang von RosaLaune aufzugreifen, kann ich mit der Arbeitszeiterfassung dann also objektiv beweisen bzw. wäre es dir als Schulleitung bewusst, da du die Daten hättest.

    Ich möchte dir hier vollkommen zustimmen. Insbesondere der Punkt bzgl. Daten wäre als Steuerungswissen enorm hilfreich.

    Wir haben als Schulleitung nur einen kleinen Werkzeugkasten, um bei arbeitszeitlicher Überlastung einer Lehrkraft gegenzusteuern, ohne das ganze System ins Wanken zu bringen. Aber ein kleiner Werkzeugkasten ist vorhanden. Daher haben wir - auch weil wir den Grundaussagen aller bisherigen Arbeitszeitstudien trauen - unserem Kollegium ans Herz gelegt, eigenständig eine Arbeitszeiterfassung anzufertigen (ich mache das für mich seit dem Referendariat). Wir haben verschiedene Instrumente dafür bereitgestellt und bewusst keinerlei inhaltliche Vorgaben gemacht, was zur Arbeitszeit zählt und was nicht. Einfach nur reine Gesamtzeiterfassung.

    Ich glaube, dass ich hier schonmal berichtet habe, dass wir jeden eingeladen haben, der sich zeitlich überlastet fühlt, mit einer Person aus unserem Leitungsteam in Kontakt zu treten und gemeinsam auf Schwerpunkte, Ursachen etc. zu gucken und Entlastung, Arbeitsschwerpunktverschiebung oder Effizienzsteigerungsmöglichkeiten (was auch immer der kleine Werkzeugkasten hergibt) zu ermöglichen. Wir bieten das in unseren "Personalgesprächen" auch immer wieder an.

    Außer Lob vom ÖPR hat das nichts gebracht. Also rein gar nichts. Keine einzige Kollegin oder Kollege hat dieses Angebot genutzt.

    Das ist einerseits für die Kollegen meines Erachtens eine verpasste Chance, andererseits haben wir keine verlässliche Datenbasis für Entscheidungen, sondern bleiben z. B. in der Lehrauftragsverteilung im Modus "nach bestem Wissen und Gewissen".

  • Vielleicht muss man generell transparenter machen, wer was tut?

    Wie viel Einblick hat man wirklich in die Arbeitszeit, die Aufgaben und die Schwerpunktsetzung der anderen? Wie viel Einblick gebt ihr den Kolleg:innen über euren Einsatz?

    Kann man das von außen erfassen oder übersieht man etwas oder bewertet es anders, weil man selbst anders auf die Aufgabe schaut oder anders vorgehen würde? Wie geht es einem selbst damit und wie nehmen andere das wahr?

    Ich frage mich übrigens, woher die Annahme kommt, es gäbe eine Drittelung.

  • Erst einmal danke für die Rückmeldungen bis hier. Das meiste von dem, was hier an Ideen und Vorgehensweisen genannt wurde, wird gegenwärtig gemacht bzw. steht jetzt demnächst an...

    Echt, alle Ideen und Vorgehensweisen, die hier genannt wurden, setzt du schon um?

    ...

    "Bekomme ich dafür Entlastungsstunden"?
    "Bekomme ich dafür eine A14-Stelle?"

    Das sind die Fragen, die dann als Reaktion auf die Bitte, dieses oder jenes zu übernehmen kommen. Ich finde diese Anspruchshaltung schwierig, zumal ja auch hinlänglich bekannt ist, dass es von beidem nicht genügend gibt...

    Ich finde es schwierig, wenn jemand, der selbst ein Beförderungsamt bekleidet, denselben Wunsch von anderen als "Anspruchshaltung" abtut.

    Wenn man 15 Jahre Aufgaben übernommen hat und so blöd war, das nicht in einem Bereich zu tun, den der Chef zufällig für wichtig hält oder überhaupt auf dem Schirm hat, kann man die Lust verlieren, das noch 15 weitere Jahre zu tun. Insofern kann ich die Antwort bestens nachvollziehen.

    Schulfestvorbereitung ist übrigens eine sehr zeitintensive Sache, weil man mit externen Partnern zu tun hat, der ganze Spaß repräsentativ sein soll und alle erwarten, dass aus Scheiße Gold geschmiedet werde.

    Ich leite keine Schule, aus dieser Perspektive ist das sicher anders, so wie halt immer alles eine Perspektivfrage ist. Mich muss auch niemand zur Arbeit motivieren. Wenn aber die Wahrnehmung meiner Schulleitung wäre, dass irgendwer nicht genug macht, würde ich ihr als erstes empfehlen, mal zu fragen, wer eigentlich was macht und dafür Wertschätzung entgegenbringen.

  • Der Dreh- und Angelpunkt ist die Arbeitszeiterfassung. Solange nichts erfasst wird, ist überhaupt nicht klar, ob z.B. das Schulfest überhaupt ins Zeitbudget passt oder ob solche Dinge nicht entfallen müssen, bevor man Kollegen zu mehr "Engagement" auffordert. Macht natürlich keiner, aber dann braucht man sich halt auch nicht beschweren, wenn Lehrkräfte mitunter wenig Bereitschaft zur Beteiligung zeigen.

    Ich fände generell wichtig, Obligatorisches von Aktivitäten zu trennen, die gar nicht stattfinden müssten. Bei obligatorischen Aufgaben sollte eine gute Schulleitung natürlich für eine möglichst ausgewogene Aufgabenverteilung auf möglichst alle Schultern sorgen. Bei allen anderen Dingen ist eine Erwartungshaltung an ein Einbringen meines Erachtens aber unangemessen. Wenn nirgends festgeschrieben steht, dass Projekt x, Wettbewerb y oder Veranstaltung z überhaupt stattfinden muss, kann man keinem Kollegen vorwerfen, dass er seine begrenzte Arbeitszeit lieber für die Konzentration auf sein Kerngeschäft nutzt. Bolzbold schrieb ja vom Fernhalten von "zusätzlichen Aufgaben und Veranstaltungen" - wenn "zusätzlich" hier tatsächlich im Sinne vom "freiwillig" gemeint ist, sehe ich darin eine persönliche Entscheidung und kein Problem. Vielleicht müssen Schulleitungen hin und wieder auch mal ihre Erwartungshaltungen überdenken.

    Abschließend ein letzter Gedanke zum "engagierten oberen Drittel": an einer meiner Vorgängerschulen zeichnete sich dieses Drittel durch ein permanentes Generieren von Mehrarbeit für den Rest des Kollegiums aus und war damit maßgeblich dafür mitverantwortlich, dass das "untere Drittel" eine zunehmend konsequentere Verweigerungshaltung eingenommen hat. Auch solche Mechanismen sollte man evtl. im Auge behalten.

  • Echt, alle Ideen und Vorgehensweisen, die hier genannt wurden, setzt du schon um?

    Nein, das missverstehst Du. Einiges wird umgesetzt, anderes steht demnächst an - die die Revision des Geschäftsverteilungsplans und ein Blick auf die Belastungssituation der KollegInnen - nur um Beispiele zu nennen.

    Ich finde es schwierig, wenn jemand, der selbst ein Beförderungsamt bekleidet, denselben Wunsch von anderen als "Anspruchshaltung" abtut.

    Wenn man 15 Jahre Aufgaben übernommen hat und so blöd war, das nicht in einem Bereich zu tun, den der Chef zufällig für wichtig hält oder überhaupt auf dem Schirm hat, kann man die Lust verlieren, das noch 15 weitere Jahre zu tun. Insofern kann ich die Antwort bestens nachvollziehen.

    Es geht nicht um den Wunsch nach Beförderung. Das sei jedem und jeder gegönnt. Es geht darum, dass Zusatzaufgaben mitunter nur dann übernommen werden, wenn man in absehbarer Zeit eine Beförderungsstelle bekommt. Ich kann das isoliert verstehen - nur kann das nicht funktionieren, weil das System es nicht hergibt.

    Ich war lange genug einer von den "Blöden", die Du hier beschreibst. Und daher habe ich für mich andere Konsequenzen gezogen, ohne jedoch mein Engagement einzustellen oder komplett die Motivation zu verlieren. Mir war klar, dass ich eben diese damals noch locker 20 Jahre weiter in dem Beruf sein würde.

    Ich leite keine Schule, aus dieser Perspektive ist das sicher anders, so wie halt immer alles eine Perspektivfrage ist. Mich muss auch niemand zur Arbeit motivieren. Wenn aber die Wahrnehmung meiner Schulleitung wäre, dass irgendwer nicht genug macht, würde ich ihr als erstes empfehlen, mal zu fragen, wer eigentlich was macht und dafür Wertschätzung entgegenbringen.

    Ich habe eben diese Wertschätzung an meiner letzten Schule erfahren und an meiner aktuellen Schule mitbekommen, dass KollegInnen eben dies vermissen (nicht von mir persönlich aber generell von Schulleitung.) Da muss ich anteilig ran, keine Frage. Da ich aber wie mehrmals geschildert hier Vorbilder hatte, versuche ich mich daran zu orientieren.

    Gruß
    #TheRealBolzbold

    Ceterum censeo factionem AfD non esse eligendam.

  • Abschließend ein letzter Gedanke zum "engagierten oberen Drittel": an einer meiner Vorgängerschulen zeichnete sich dieses Drittel durch ein permanentes Generieren von Mehrarbeit für den Rest des Kollegiums aus und war damit maßgeblich dafür mitverantwortlich, dass das "untere Drittel" eine zunehmend konsequentere Verweigerungshaltung eingenommen hat. Auch solche Mechanismen sollte man evtl. im Auge behalten.

    Vielen Dank, das ist eine interessante und nachvollziehbare Sichtweise. Das gab es an meiner ersten Schule.

    Gruß
    #TheRealBolzbold

    Ceterum censeo factionem AfD non esse eligendam.

  • Abschließend ein letzter Gedanke zum "engagierten oberen Drittel": an einer meiner Vorgängerschulen zeichnete sich dieses Drittel durch ein permanentes Generieren von Mehrarbeit für den Rest des Kollegiums aus [...]

    WORD. Darüber hinaus muss man sich echt mal fragen, ob diese ganzen Privatprojektchen wirklich sein müssen und die SuS weiterbringen, oder ob sie nicht schlicht vom ungestörten Lernen ablenken. Ich würde ja gerne die alte Kleiderschrank-Regel "Für jedes neue Projekt muss ein altes raus" in Schule etablieren. Stattdessen hilft halt nur im Sinne von Marie Kondo: regelmäßig ausmisten, anstatt immer mehr zu machen, bis auch die letzte Schule ein ununterscheidbares Musik-Kunst-Sprachen-Naturwissenschafts-Sport-Kreativitäts-Informatik-Projektarbeits-SozialesLernen-Berufsorientierungs-Toleranz/Demokratie/EU-AußerschulischePartner-Profil hat.

    Eine weitere Beobachtung von mir ist, dass die - von einem Kollegen mal als "Schlichtlehrer" bezeichneten KuK - häufig die ganze Last des Tagesgeschäfts tragen, weil sie halt Vollzeit ohne jegliche Entlastung und Wertschätzung "buckeln", während ich mich manchmal frage, ob nicht auf bestimmten protegierten Angehörige der "Bourgeoisie" vielleicht zu Unrecht und zum Teil sehr intransparent die Entlastungsstunden mit dem Füllhorn ausgeschüttet werden. Aus Lehrerratssicht ist dann auch immer interessant, aus welchem Entlastungstopf die Schulleitung eigentlich die Stunden hernimmt..

    POV: jemand, der von extrem engagiert, familienbedingt auf vermutlich schon an der Grenze zum "unteren Drittel" ist. (was sich aber vielleicht auch irgendwann auch mal wieder ändert, wenn man mich nicht quasi als Bodensatz labelt. In dem Zusammenhang ist auch nochmal überlegenswert, ob nicht vielleicht einige, als unteres Drittel identifizierte KuK in Teilzeit sind und man deswegen nicht so viel von ihnen hört.)

    Letztlich möchte ich aber auch nochmal die Beziehungsarbeit unterstreichen - wenn man, wir zB wie wir in der letzten COPSOC-Umfrage ein Klima haben, in dem SL als ungerechter als der Landesdurchschnitt bewertet wird, dann hat das halt auch Auswirkungen auf die Moral.

    Einmal editiert, zuletzt von qchn (16. Oktober 2025 00:39) aus folgendem Grund: Punkte im generischen Schulprofil ergänzt

  • Ich habe nur manchmal das Gefühl, dass das "Kerngeschäft" auf das Unterrichten reduziert wird. Es gehören aber genau so das Erziehen, Beraten, Beurteilen, Betreuen, Fördern, Innovieren und Evaluieren dazu. Und die Gestaltung des Schullebens wird in der BASS NRW ausdrücklich genannt:

    "Die Lehrkräfte wirken an der Gestaltung des Schullebens, an der Organisation der Schule und an der Fortentwicklung der Qualität schulischer Arbeit aktiv mit. Sie stimmen sich in der pädagogischen Arbeit miteinander ab und arbeiten zusammen." (SchulG NRW, § 57 Abs. 2).

    D'accord, dass das in einem gesunden Verhältnis zueinander stehen muss und da mussten wir als Schule in den letzten Jahren auch dran und sind da dran (auch als Lehrer*innenrat) die Termine angesichts der allgemeinen Belastung zu reduzieren, wir hangelten uns teilweise von einem Veranstaltung zur nächsten. Prinzipiell ist es mir aber wichtig, dass Schule mehr ist als Lernen. Schule ist der Lebensmittelpunkt der Kinder.

  • Ich denke "unteres Drittel" ist per se kein schlimmer Ausdruck, denn immer wenn Leistung gemessen werden kann, gibt es Personen, die mehr Leistung erbringen als andere - das ist so und muss man aushalten können. Wichtig ist nur, dass man allen Beteiligten unabhängig ihres Leistungsverhaltens gegenüber fair und respektvoll begegnet.


    Was ich beim Umgang mit Mitgliedern des "unteren Drittels" wichtig finde, ist, sie nicht abzuschreiben, sondern ihre Position zu verstehen. Das sind oft Menschen, die mit den Arbeitsinhalten und/oder -bedingungen unzufrieden sind, ihre Kritik womöglich auch schon angesprochen haben, aber nicht "gehört" wurden und aus Selbstschutz mit der Zeit entschieden, in die innere Resignation zu gehen. Wenn du sie "zurückholen" möchtest, würde ich empfehlen, mit jedem Einzelnen das Gespräch zu suchen, einfach mal zuzuhören, was sie zu erzählen haben, und ihnen mitteilen, dass du ihre Kritik nicht verurteilst, sondern dafür dankbar bist und schaust, was hiervon verbessert werden kann und bei welchen Punkten aus systemischen/bildungspolitischen Gründen eine Verbesserung zwar nicht möglich ist, aber zumindest Kompromisse angeboten werden können.

    Auch ein wichtiger Punkt: Feedback und Wertschätzung. Wann war das letzte Mal, dass du einen Kollegen (m/w/d) des unteren Drittels gelobt hast? Jeder freut sich über ein nettes Wort - vor allem dann, wenn es privat drunter und drüber geht und einem dann auch noch die 9b den letzten Nerv raubt.

  • Nach 30 Jahren im Schuldienst habe ich einige verschiedenen Schulleitungen erlebt sowie Lehrer, die unbedingt "nach oben" strebten. Aus dieser Erfahrung heraus stören mich an dieser Diskussion zwei Punkte:


    1. Der Vorwurf, dass das untere Drittel viel zu wenig und unmotiviert arbeitet

    Jeder Lehrer, der den Schwerpunkt seiner Arbeit auf das Unterrichten, Fordern und Fördern, Erziehen etc. legt sowie keine Ambitionen auf Beförderung hat, nutzt in der Regel die ihm zur Verfügung stehende Arbeitszeit dafür voll aus, arbeitet also nicht zu wenig und garantiert nicht unmotiviert. Nur weil man kein Interesse daran hat, die Projekte, die ANDERE nach vorne bringen und in ein positives Licht rücken sollen, zu unterstützen, ist man nicht automatisch faul. Der Schwerpunkt liegt nur auf dem Kerngeschäft, das durchaus sehr fordernd sein kann.


    2. Die Haltung, dass das obere Drittel leistungsstärker sei

    Die Tatsache, dass KuK Aufgaben übernehmen, mit denen man nach außen Punkten kann, sagt rein gar nichts über die Qualität ihrer Arbeit aus. Nur weil manche Leute bei jedem Projekt "hier" schreien und nach außen hin überproportional durch Zusatztätigkeiten auffallen, sind sie nicht automatisch besser. Jeder hat nur begrenzt Zeit zur Verfügung und je mehr Zeit für außerunterrichtliche Sachen aufgewendet wird, desto weniger Zeit bleibt häufig für das eigentliche Wichtigste, nämlich das Unterrichten, übrig, außer man arbeitet sich (nicht selten auf Kosten der Freizeit, Gesundheit, Familie, ...) auf . Damit die fehlende Konzentration auf gut vorbereiteten und fördernden Unterricht nicht auffällt, haben die SuS dieser Kollegen erstaunlich gute Noten und grundsätzlich viel "Spaß". Mit großem Selbstbewusstsein und reduzierter Selbstkritik tragen sie häufig nach außen, wie toll sie doch sind. Die Ernüchterung ist groß, wenn man Klassen dieser Leute übernehmen muss.


    Tatsächlich habe ich viele Jahre versucht, sowohl unterrichtliche Verpflichtungen als auch weitere Aufgaben mit großem Engagement zu erfüllen. Außer zahlreichen unbezahlten Überstunden und negativen Auswirkungen auf meine Gesundheit sowie meine berufliche Zufriedenheit hat es mir nichts gebracht. Deshalb habe ich mein Engagement deutlich zurückgefahren und arbeite inzwischen im Rahmen meiner bezahlten Arbeitszeit für meine Klassen. Seitdem geht es mir deutlich besser, meine Klassen laufen und die Ergebnisse passen. Traurig, wenn das aus Sicht mancher SL-Mitglieder als "unteres Drittel" und "unmotiviert" gilt. Und ja - diese Denkweise hat schon Beigeschmack und bleibt sicherlich nicht ohne Auswirkung auf das Kollegium.


    Abgesehen davon sollten einige Schulen wieder den Schwerpunkt Richtung "Unterricht" verschieben und die zusätzlichen Aufgaben / Projekte deutlich reduzieren, aber das ist ein anderes Thema.

  • Nein, das missverstehst Du. Einiges wird umgesetzt, anderes steht demnächst an - die die Revision des Geschäftsverteilungsplans und ein Blick auf die Belastungssituation der KollegInnen - nur um Beispiele zu nennen.

    Und einiges ist überraschend, neu, in Vergessenheit geraten, oder einen Versuch wert. Würde mich wundern, wenn alle hier genannten Ideen woanders bereits Schulkonzept sind.

    ...

    Es geht nicht um den Wunsch nach Beförderung. Das sei jedem und jeder gegönnt. Es geht darum, dass Zusatzaufgaben mitunter nur dann übernommen werden, wenn man in absehbarer Zeit eine Beförderungsstelle bekommt. Ich kann das isoliert verstehen - nur kann das nicht funktionieren, weil das System es nicht hergibt.

    Worum es den Leuten geht, erfährt man nur, wenn man sie fragt. Interpretieren und Bewerten macht man sowieso oft genug. Deswegen halte ich die hier vorgestellten Evaluationselemente auch für bedeutsam und herauszufinden, was man wirklich schon so macht.

  • Noch ein Gedanke zur Arbeitszeiterfassung: in Sachsen wurde ja gerade die neuste Zeiterfassung ausgewertet und überraschend (Ironie) festgestellt, dass korrigierende Gymnasialkolleg*innen, Lehrkräfte in Teilzeit und Schulleitungen mehr arbeiten, also ständig so viel, dass sie es nicht mehr in den Ferien ausgleichen können.

    Jetzt wird sich getroffen und fieberhaft überlegt, wie man da was ändern kann. An dem Treffen nehmen hoffentlich auch Lehrpersonen und Schulleitungen Teil.

    Zur Zeit nun also: Leute in Teilzeit können an ihrer Vorbereitung was deichseln, nicht jedoch an der Beteiligung bei Zusatzaufgaben. Eine Schulleitung müsste im Blick haben, dass TZ-Kolleg*innen weniger Zusatzaufgaben zugeteilt bekommen, auch dafür müssten objektivierbar alle Aufgaben und ihr Zeitbedarf erfasst werden.

  • Ich würde ja gerne die alte Kleiderschrank-Regel "Für jedes neue Projekt muss ein altes raus" in Schule etablieren.

    Das wäre mal ein sinnvoller Ansatz 👍

    Ich habe nur manchmal das Gefühl, dass das "Kerngeschäft" auf das Unterrichten reduziert wird. Es gehören aber genau so das Erziehen, Beraten, Beurteilen, Betreuen, Fördern, Innovieren und Evaluieren dazu. Und die Gestaltung des Schullebens wird in der BASS NRW ausdrücklich genannt:

    "Die Lehrkräfte wirken an der Gestaltung des Schullebens, an der Organisation der Schule und an der Fortentwicklung der Qualität schulischer Arbeit aktiv mit. Sie stimmen sich in der pädagogischen Arbeit miteinander ab und arbeiten zusammen." (SchulG NRW, § 57 Abs. 2).

    Es gibt aber halt keine Definition, was denn überhaupt alles zum "Schulleben" gehört. Ich verstehe darunter die Gestaltung von Rahmenbedingungen, unter denen Unterricht möglichst effektiv und zielführend stattfinden kann. Andere meinen, dazu gehöre, zu Schulaufführungen der Theatergruppe zu gehen, die Bläserklasse zum Ausflug ins Altenheim zu begleiten, einen zusätzlichen Kennenlernnachmittag für kommende Fünftklässler zu veranstalten, Wettbewerbsteilnahmen zu organisieren oder AGs anzubieten. Nichts davon MUSS aber passieren, also finde ich extrem fragwürdig, hier eine Erwartungshaltung bezüglich des Engagements aufzubauen.

    An einer meiner Ex-Schulen profilierte sich eine Kollegin sehr mit dem Tag der offenen Tür, der von Jahr zu Jahr arbeitsaufwändiger wurde und (unnötigerweise, so die Empfindung eines signifikanten Teils des Kollegiums) schließlich massiv von dem abwich, was an den Nachbarschulen so stattfand. Schulleitung fand das super und blaffte das Kollegium in einer GLK mit sehr deutlichen Worten für die zunehmend aggressive Grundstimmung und offene Kritik an der Kollegin und ihrem "Engagement" an. Ergebnis, am Tag der offenen Tür hagelte es Krankmeldungen. Für mich das beste selbst durchlebte Beispiel für eine Schulleitung, die jedes Gespür für ihr Kollegium verloren hat und ein nicht konsensfähiges Überengagement zum Standard zu erheben versucht.


    Ich bin nach dem Ref mittlerweile an Schule Nr. 6 und was mir auffällt: ein breites Engagement und breite Beteiligung findet man dort, wo Schulleitungen ein qualitativ gutes, aber schlankes Programm fahren. An Schulen, die zwanghaft alles mitnehmen, was möglich ist, und an denen die Schulleitung entsprechenden Druck zur Partizipation ausübt, sinkt die Teilnahmebereitschaft.

  • Noch ein Gedanke zur Arbeitszeiterfassung: in Sachsen wurde ja gerade die neuste Zeiterfassung ausgewertet und überraschend (Ironie) festgestellt, dass korrigierende Gymnasialkolleg*innen, Lehrkräfte in Teilzeit und Schulleitungen mehr arbeiten, also ständig so viel, dass sie es nicht mehr in den Ferien ausgleichen können.

    Logische Konsequenz müsste die sofortige Streichung aller nicht unbedingt notwendigen Aktivitäten an den Schulen sein.

  • Bolzbold, was macht denn für dich einen motivierten Kollegen aus? Was unterscheidet ihn vom "Bodenpersonal" des unteren Drittels?

    Ich bin völlig bei B. Wisnieswki, der die De-Implementierung an deutschen Schulen fordert. Ich denke, dass dein "unteres Drittel" individuell de-impementiert, weil das ihre Schulleitung das nicht für sie leistet.

    https://deutsches-schulportal.de/expertenstimme…-zum-weglassen/

    Zitat
    • In einer großen Meta-Analyse konnte gezeigt werden, dass Korrekturen (z. B. von Übungsaufsätzen oder anderen Übungsaufgaben in den Fremdsprachen) zu keinerlei Verbesserung der Sprachproduktion von Schülerinnen und Schülern führen. Korrekturen können massiv reduziert werden.
    • In einer Studie aus dem Jahr 2018 wurde nachgewiesen, dass die (aufwendige) Vorbereitung von individuellen Materialien durch Lehrkräfte im Vergleich zur Verwendung vorgefertigter Materialien keinerlei nachweisbare positive Effekte auf Lernerfolge von Schülerinnen und Schülern hat. Eine individuelle Unterrichtsvorbereitung ist nicht nötig.
    • Laut einer Meta-Analyse zum Thema Differenzierung existieren für die meisten Maßnahmen der Anpassung von Arbeitsmaterialien keine Belege, dass diese zu besseren Lernergebnissen führen. Auf die Anpassung von Material an verschiedene Voraussetzungen von Lernenden innerhalb einer Lerngruppe kann in den meisten Fällen verzichtet werden.
    • Forschungsergebnisse zeigen, dass Kinder durch Dekoration im Klassenzimmer mehr abgelenkt sind, mehr Zeit abseits ihrer Aufgaben verbringen und geringere Lernfortschritte zeigen als dann, wenn die Dekoration entfernt wird. Die zeitintensive Erstellung von Klassenzimmerdekoration kann eingespart werden.
    • Ein Review zur Wirksamkeit von Lehrkräftefortbildung zeigt: One-shot-Fortbildungen (einmalige Veranstaltungen zum Beispiel mit Vortrag und Workshops) wirken weder auf die Kompetenz von Lehrkräften noch auf die Lernerfolge von Schülerinnen und Schülern. Auf One-shot-Fortbildungen kann komplett verzichtet werden.
    • Lehrproben und Unterrichtsbesuche sind völlig ungeeignet, um die Unterrichtsqualität festzustellen, da sie eine extrem niedrige Reliabilität aufweisen, die Bewertung in hohem Maße von der Leistungsfähigkeit der Lernenden abhängt und auch geschulte Personen nicht in der Lage sind, anhand von Beobachtungen effektive Lehrpersonen von wenig effektiven zu unterscheiden. Unterrichtsbesuche und Lehrproben als Formen der Bestimmung der Arbeitsqualität sind abzuschaffen.

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