Es gibt keinen Förderunterricht - Daher Klassenwiederholung sehr wahrscheinlich

  • Nehmen wir mal das von Maylin dargestellte provokante Beispiel der Kinder, die keinen fehlerfreien Satz schreiben können: Klar, wenn diese aus welchem Grund auch immer an meiner Schule landen sollten, kann ich auch nicht mit dem Fuß stampfen und sagen "Och menno!". Dann muss ich mit diesen Kindern arbeiten und schauen, dass ich die curricularen Vorgaben vermittelt bekomme, da ich sonst das Problem nur an die nächsten aufnehmenden Kollegen (m/w/d) weiterreiche. Der Kreislauf muss durchbrochen werden.

    Sonst hat Quittengelee nämlich mit dem, was sie bereits mehrfach schrieb, vollkommen Recht, dass wir uns in der Sek I bzw. II nicht beschweren dürfen, wenn wir bei schwachen Leistungen dennoch die Gnadenvier geben.


    Ihr helft in der Grundschule aber zumindest dann, wenn ihr, wenn die Kinder keine fehlerfreien Sätze schreiben können, das entsprechend auch dokumentiert und die (fehlenden) Leistungen realistisch bewertet. Dann gibt es zwar immer noch die Eltern, die allem zum Trotz mit dem Kopf durch die Wand wollen, aber es gibt zumindest welche, die auf Basis nachweisbarer Fakten vernünftig reagieren und Einsicht zeigen.

  • […]. Dazu passt auch, wie viele Eltern in meinem Freundeskreis gottfroh sind, wenn die Grundschulzeit endlich rum ist, weil ihre Kinder sich da langweilen und von Mitschülern gestört führen und nicht vorwärts kommen. Für die wäre eine leistungsstärkere Klasse vermutlich ein Segen gewesen.

    […]

    Aber für jedes einzelne dieser Kinder findet man wahrscheinlich auch eines, dass in der Grundschule super Extraförderung bekam, weil Grundschullehrer einfach sehr viel differenzieren, und das sich dann am Gymnasium zu langweilen anfängt, weil es dort nicht mehr der Fall ist, sondern sich an den langsameren Schülern orientiert wird.

    Ich kenne beispielsweise keines der Kinder, die du oben beschreibst, aber sehr wohl eines, welches sich mangels Differenzierung nach oben am Gymnasium langweilt. Und ich würde den Fehler nicht bei den Grundschullehrern suchen.

  • Doch, seid ihr. Bitte versuche nicht, ein argumentatives Luftschiff diesbezüglich aufzubauen. Warum ist es so schwer, die Rolle als "Zulieferer" zu akzeptieren?

  • Oh, du weichst weiterhin aus. ;) Aber das "argumentative Luftschiff" ist eine schöne Wortkonstruktion. Nennt man so das, was du machst?

    Und: Nein. Weil wir es nicht sind. Wir fördern die Kinder bis Klasse 4 - ihr übernehmt sie danach und unterrichtet diese Kindern weiter. Ja. Aber so wie sie sind. Nicht so, wie ihr sie haben wollt. Nicht so, wie ihr sie zugeliefert bekommen wollt.

  • Ich verstehe beide Positionen, daher versuche ich mich mal an einem Kompromiss, einer Zwischenlösung.

    FrozenYogurt hat natürlich Recht, dass es am sinnvollsten ist, wenn bei Übergängen im Bildungssystem verlässlich an zuvor vereinbarten Zwischenständen aufgebaut werden kann. Das gilt natürlich nicht nur bei Übergängen zwischen den großen Stationen Elementarbereich - Grundschule - Sek I - Sek II/Tertiärbereich , sondern auch zwischendurch im Fall von Lehrerwechseln.

    Deutschland hat zuletzt in internationalen Vergleichsstudien eine schwache Leistung gezeigt, weswegen wir zwecks Wettbewerbsfähigkeit schauen müssen, dass mehr Schüler (m/w/d) auch tatsächlich die curricular vorgesehenen Kompetenzen erwerben. Denn, wenn sie das täten, wären sie schon gut aufgestellt. Da steht schon viel Sinnvolles drin - auch in Haupt- und Förderschule.

    Gleichzeitig lese ich bei kleiner gruener froschheraus, dass er direkt aus dem Grundschulalltag heraus schreibt. Ich habe mir die Curricula aus der Primarstufe, die ja für jeden frei zugänglich sind, mal genauer angeschaut. Die sind schon knackig gefüllt. Das lässt sich sicher alles schaffen, wenn die Kinder die Grundvoraussetzungen mitnehmen, sprich die deutsche Sprache können, normal sozialisiert sind, altersgerechtes Alltags- und Weltwissen haben und neues Wissen recht schnell verarbeiten können. Aber was, wenn das nicht der Fall ist? Man könnte dann zwar über Eltern, die Politik oder die Kitakollegen (m/w/d) schimpfen, aber es stimmt schon, das Kind ist halt trotzdem da und muss unterrichtet werden.

    Das Curriculum Mathematik (BW) sieht für Klasse 1/2 folgende Teilbereiche vor:

    - Zahldarstellungen und -beziehungen verstehen

    - Rechenoperationen verstehen und beherrschen

    - in Kontexten rechnen

    - sich im Raum orientieren

    - einfache geometrische Figuren erkennen und benennen

    - einfache geometrische Abbildungen erkennen und benennen

    - Flächen legen und auslegen

    - Größenvorstellungen anbahnen und entwickeln

    - mit Größen in Sachsituationen umgehen

    - aus einfachen Situationen Daten erfassen und darstellen

    - einfache Zufallsexperimente durchführen


    Jeder dieser Teilbereiche besteht aus mehreren Unterpunkten. Da wird klar: Es ist nicht vorgesehen, dass ein Kind mehrere Wochen braucht, weil es den Zehnerübergang einfach nicht versteht. Das Thema muss irgendwie schnell abgehakt werden, weil es ja weitergehen muss. Mit Rechenstrategien. Mit Größen und Textaufgaben. Und Stochastik und Geometrie dürfen auch nicht vergessen werden.

    Und wenn etwas Richtung Klasse 3/4 geschoben wird, schafft man vielleicht da die vorgesehenen Inhalte nicht.

    Wenn man dann noch eine Klasse erwischt, in der diverse Chaoten sitzen, muss nach einer turbulenten Pause vielleicht erst einmal Konfliktmanagement betrieben werden, weil man nicht jedes außerfachliche Problem einfach outsourcen kann, und sei die Einführung der Division auch noch so wichtig.

  • tibo

    Steigt der Leistungsdurchschnitt denn tatsächlich oder "kann" er nur theoretisch steigen?

    Nein, sieht man sich die Vergleichsstudien an, steigt der Durchschnitt nicht. Die letzten Ergebnisse sind für ein reiches Land wie unseres ohne Frage schlecht. Es verzerrt aber mMn trotzdem die Wahrnehmung an den weiterführenden Schulen zu einer noch dramatischeren Wahrnehmung.

  • Und nochmal: wir sind kein Zuliefererbetrieb für die Sek1. Die Sek1 muss sich (so wie wir in der Grundschule) auf die veränderten Schüler und die andere Ausgangssituation einstellen. Schafft ihr schon.

    Muss? Wenn der größte Teil der Schüler die Schulform besucht, die von der vorherigen Grundschule nicht empfohlen wird?

    Ihr leistet gute Arbeit, sprecht treffende Schulformempfehlungen aus, aber die Eltern hören nicht darauf.

    Kurzum: Ich bin für Aufnahmeprüfungen.8)

  • Also ich wünsche mir für NRW auch die Schulkindergärten zurück, damit es eine Möglichkeit gibt Kinder zu fördern, die noch nicht schulfähig sind. Deren Abschaffung halte ich tatsächlich für einen Fehler, selbst wenn die Zuweisungspraxis früher nicht immer optimal und manchmal auch diskriminierend war. Das hätte man ja auch ohne Abschaffung ändern können...

    Grundsätzlich finde ich den Verlauf dieser Diskussion im Thread aber seltsam.

    Meine Erfahrung ist, dass unsere 'Zuliefergrundschulen' hervorragende Arbeit machen. Und meine Schule bekommt die schwächeren Schüler des Leistungsspektrums, die Schüler ohne Deutsch als Familiensprache und die Schüler mit prekärem sozio-ökonomischen Hintergrund und die Schüler aus bildungsfernen Familien.

    Ich kann vor unseren Grundschulen und deren Kollegen nur den Hut ziehen. Die machen hervorragende Arbeit und ermöglichen das Maximum, was in unserem unterfinanzierten System möglich ist.

    Die Brüche in der Bildungsbiographie beobachte ich eher in den weiterführenden Schulen.

  • Nein, sieht man sich die Vergleichsstudien an, steigt der Durchschnitt nicht. Die letzten Ergebnisse sind für ein reiches Land wie unseres ohne Frage schlecht. Es verzerrt aber mMn trotzdem die Wahrnehmung an den weiterführenden Schulen zu einer noch dramatischeren Wahrnehmung.

    Die Wahrnehmung speist sich halt aus dem, was man im Alltag sieht. Und was sich letztlich auch in den Leistungserhebungen zeigt.

    Vielleicht könnte man an den neuralgischen Übergangsstellen Förderschleifen einbauen für diejenigen, die noch nicht auf dem angemessenen Stand angekommen sind. Ich halte diese ganze Differenziererei für völlig fehlgeleitet und würde ein vorübergehendes Splitten in Fördergruppen sehr befürworten.

    Da Trends auch im Bildungswesen meist in Wellen verlaufen und der aktuelle Ansatz im Ergebni an allen Ecken und Enden krachend scheitert, bin ich allerdings vorsichtig guter Hoffnung, dass wir im nächsten Jahrzehnt sowieso eine Trendwende in Sachen gemeinsames Lernen und zwanghafte Vereinheitlichung sehen werden 😊

  • Die Brüche in der Bildungsbiographie beobachte ich eher in den weiterführenden Schulen.

    Muss ja auch, wenn die meisten Schüler nach der Grundschule weiterführende Schulen besuchen, für die sie nicht empfohlen wurden und auch nicht geeignet sind.8)

  • Oh, du weichst weiterhin aus. ;) Aber das "argumentative Luftschiff" ist eine schöne Wortkonstruktion. Nennt man so das, was du machst?

    Und: Nein. Weil wir es nicht sind. Wir fördern die Kinder bis Klasse 4 - ihr übernehmt sie danach und unterrichtet diese Kindern weiter. Ja. Aber so wie sie sind. Nicht so, wie ihr sie haben wollt. Nicht so, wie ihr sie zugeliefert bekommen wollt.

    Ich sehe, wir kommen hier nicht weiter und das ist für mich auch okay. Mir ist immer noch nicht klar, wo ich hier ausweiche. Wenn du die Aufteilung in a / b / c Klassen meinst, kann ich dir nur sagen, was ich selbst erlebt habe. Deine Erläuterung ist offiziell und formal korrekt, trotzdem scheint die Praxis je nach Schule davon abzuweichen. Damit ist der Punkt für mich gegessen.

    Trotzdem: Nenn es, wie du willst: Die Grundschulen liefern die Kinder an die weiterführenden Schulen. So funktioniert unser System, auch wenn der Begriff "zuliefern" natürlich nicht blumig ist. Und doch, der Auftrag der Primarschulen ist es, die SuS für die weiterführende Schule vorzubereiten. Mit "so, wie sie sind" schwingt mir da eine etwas zu locker und lasch verstandene Verantwortungsauffassung mit. Aber lassen wir es gut sein.

  • Wenn man von "Zulieferbetrieb" redet, dann sind damit gewisse Erwartungen verbunden, die der vorherige Schultyp zu erfüllen hat. Nicht das Kind, sondern die Schule. Erlebt habe ich solche teilweise unrealistische Erwartungen vor allem im Team Grundschule - Gymnasium. Gut, dass wir miteinander geredet haben und einiges zurecht gerückt wurde.

    Das gibt es aber schon lange: Die nächste Schule macht eine Schuldzuweisung und das ist dann angeblich die Schule, wo das Kind vorher war. Ist schon länger her, aber als ich vor ca. 10 Jahren in dem Team war, sagten ältere Kolleginnen, sie gingen nicht mehr zu gemeinsamen Gesprächen vor ca. 15 -20 Jahren, weil man sich da erst von den KollegInnen am Gymnasium anhören musste, was sie alles falsch gemacht hätten. Ich hoffe, diese Zeiten sind vorbei!

  • Die einzelnen Bereiche sind keine Inseln und somit verfolgt jeder Bereich auch das Ziel, die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf den nächsten Bereich vorzubereiten, sei es vom Elementar- zum Primar-, vom Primar- zur Sek-I- oder vom Sek I- zum Sek II- bzw. Tertiärbereich. Wir arbeiten daraufhin, dass die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen am Ende möglichst alle der staatlich vorgesehenen Mindestkompetenzen erworben haben, auch mit dem Hintergedanken, dass die Kollegen (m/w/d) im nächsten Abschnitt mit ihrer Arbeit hieran ansetzen.

  • Die einzelnen Bereiche sind keine Inseln und somit verfolgt jeder Bereich auch das Ziel, die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf den nächsten Bereich vorzubereiten, sei es vom Elementar- zum Primar-, vom Primar- zur Sek-I- oder vom Sek I- zum Sek II- bzw. Tertiärbereich. Wir arbeiten daraufhin, dass die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen am Ende möglichst alle der staatlich vorgesehenen Mindestkompetenzen erworben haben, auch mit dem Hintergedanken, dass die Kollegen (m/w/d) im nächsten Abschnitt mit ihrer Arbeit hieran ansetzen.

    Da habe ich einen etwas anderen Blickwinkel darauf. Die Lehrpläne sind spiralförmig und so gestaltet, dass aufeinander aufgebaut wird, Klasse für Klasse. Manchmal hakt es an den Schnittstellen, wenn die Schule gewechselt wird.

    In der Grundschule machen wir in jeder Klasse bzw. in 1/2 und 3/4 das, was die Lehrpläne vorsehen. Wir erstellen einen Stoffverteilungsplan. Wir geben unser Bestes, die Lehrpläne zu erfüllen, sodass die Kinder mitkommen. Und klar, da die Grundschule immer heterogener wird, wird das immer schwieriger.

    Dennoch kann man die Grundschulen nicht als Zubringerschulen von irgendwelchen Schulen, die Forderungen an uns stellen, abwerten. Wir haben unsere Lehrpläne, die vorgeben, in welchen Rahmen wir uns bewegen und welche Themen und Kompetenzen wir behandeln.

  • Ich liefere keine Kinder zu oder an. Das macht man nämlich mit Waren. Ich forme auch nicht perfekte kleine Gymnasiasten oder befülle mittels Nürnberger Trichter irgendwelche Kinderköpfe, nur damit sie am Gymnasium reibungslos funktionieren.

    Ich möchte mich bei Caro07 bedanken dafür, dass man Grundschulen nicht als Zubringerschulen abwerten kann und für den Hinweis auf das Spiralcurriculums.

    Wir erfüllen den Lehrplan und schauen, dass jedes Kind so gut wie möglich auf die kommenden Schuljahre vorbereitet ist, wir differenzieren und individualisieren, was NICHT heißt, dass wir von vornherein irgendwelche Inhalte gar nicht vermitteln, sondern dass wir unterschiedliche Zugänge schaffen, unterschiedliche Zeit für Übung geben und unterschiedlich anspruchsvolle Aufgaben stellen.

    Vielleicht sollten die Gymnasiallehrer hier, die so laut schreien, welch "schlechtes Material" sie zugeliefert bekommen, ein paar Fortbildungen über Differenzierung machen und dann sehen, wie sie ihre Fünft- und Sechstklässler am besten unterstützen können, statt zu lamentieren, dass sie zu schlecht sind. Bzw. wenn sie aufgrund falscher Elternentscheidungen tatsächlich nicht fürs Gymnasium geeignet sind, dann müsst ihr eben Elterngespräche führen und einen anderen Weg für das Kind finden. Wir haben vier Jahre lang intensive Elternarbeit geleistet, dass könnt ihr glauben, und sind dann auch mal raus.

  • Die einzelnen Bereiche sind keine Inseln und somit verfolgt jeder Bereich auch das Ziel, die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf den nächsten Bereich vorzubereiten, sei es vom Elementar- zum Primar-, vom Primar- zur Sek-I- oder vom Sek I- zum Sek II- bzw. Tertiärbereich.

    Das kann schon deswegen nicht stimmen, weil es keinen verpflichtenden Kindergarten gibt, der Teil des Schulsystems wäre.

    Aus der Schulordnung Grundschulen/SN zitiert:

    § 2
    Arbeitsweise der Grundschule

    1Die Grundschule knüpft an die vorschulischen Erfahrungen der Kinder an. 2Sie arbeitet leistungs- und kindorientiert und beachtet die Verschiedenartigkeit der Kinder.

    Allgemeiner geht es kaum, in jedem Falle steht dort nichts von der wie auch immer gearteten Vorbereitung auf die Sek I.

    Im SchulG wird es konkreter, hier ist zwar u.a. von Studien- und Berufsorientierung die Rede, jedoch auch nicht von direkter Vorbereitung auf Ausbildung oder Studium.

    Wie ist es in deinem Bundesland, habt ihr konkrete Vorgaben dazu?

  • Meine Erfahrung ist, dass unsere 'Zuliefergrundschulen' hervorragende Arbeit machen.

    Danke, kodi. Das deckt sich mit dem, was der SL des hiesigen Gymnasiums mir erzählte. Er meinte auch, dass die SuS in Kl. 4 in der GS viel mehr arbeiten müssten, als in Kl. 5. Da würden sie sich erst einmal erholen. Weiß nicht, ob es stimmt und ob man es verallgemeinern kann.

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