Schule auf dem Lande

  • Entschuldigt meine Unwissenheit. Aber wär es nicht besser, wenn man Mietpreisbremse und alles andere abschaft, dass den Wohnraum in Großstädten erschwinglich macht und so die Leute dazu zwingt aufs Land zu ziehen?

    Ich mein klar. Eine Zeitlang wäre es natürlich eine Art Zwei-Klassengesellschaft, so dass sich nur die "priviligierten" Wohnen in der Stadt leisten können. Aber dadurch dass das Land zwangsweise bewohnt werden muss, wird es auch für Firmen Interessant, da dort nun auch Nachfrage enstehen würde und dort vermutlich auch die Nebenkosten geringer sind. Was auch über längere Zeit gesehen dazu führt das Wohnraum in Städten wieder erschwinglich wird bzw. sich irgendwann eine Art Gleichgewicht einstellen wird.


    Oder seh ich das ganze zu naiv?

    Ehrliche Antwort? Ja. Die Attraktivität urbanen Wohnraums nimmt nicht ab, wenn man eine Mietpreisbremse abschafft, das zeigen die vielen Städte deutschlandweit deren Mietpreise bereits explodiert waren vor Einführung einer solchen und die auch weiterhin explodieren, weil Schlupflöcher von Vermietern sehr umfassend genutzt werden, um die Preise nach oben treiben zu können angesichts der Nachfrage, die dies auch weiter erlaubt. Die Speckgürtel rundherum sind nicht wesentlich günstiger und dort, wo es dann beginnt günstiger zu werden ist man entsprechend weit weg von gewissen Infrastrukturen, Dienstleistungen, kulturellen Angeboten oder auch Arbeitsplätzen und Schulen (die auch bisher schon nicht im großen Stil plötzlich abwandern würden oder das früher, vor Mietpreisbremsen, gemacht hätten), dass es eben ein Abwägen von Bedürfnissen erfordert, ob man den kleineren Wohnraum im urbanen Umfeld wählt oder die Vorzüge des tatsächlich ländlichen Raums relevanter sind und insofern den Vorzug erhalten. Nicht nur junge Singles entscheiden sich oft und gerne für den urbanen Wohnraum, auch für junge Familien ist dieser hochattraktiv, wenn auch oft nicht mehr leistbar, will man ausreichend Platz für den Nachwuchs haben. Die Zwei-Klassen-Gesellschaft gibt es im Übrigen auch schon jetzt mit der Mietpreisbremse, denn die Schere zwischen relativer Armut und Wohlstand oder gar Reichtum ist in ganz Deutschland nicht an die Mietpreisbremse gebunden und klafft ungeachtet dieser weit auseinander. Wer etwas daran ändern will muss über Dinge wie sozialen Wohnungsbau (den es im ländlichen Raum praktisch nicht gibt) nachdenken, über die Höhe von Mindestlöhnen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gerade im Hinblick auf Alleinerziehende bzw. Familien mit geringem Einkommen (ALG II-Aufstocker), kostenlose und zumindest in Teilen verpflichtende vorschulische Bildung für alle Kinder und und und.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Ich wohne in der fränkischen Pampa und vor 10 Jahren hat man hier schon den Abgesang auf die Region gehalten. Als ich vor 15 Jahren da hin wollte für die Planstelle, galt das als ungewöhnlich.

    Mittlerweile stapeln sich bei meiner Schulleitung ungelogen die Nachfragen, ob nicht Bedarf an der Schule sei. Das sind A14er aus dem Großraum München, die da weg wollen. Klar, wenn man die Auswahl hat zwischen einer 3-Zimmerwohnung auf der einen Seite und einem bezahlbaren Einfamilienhaus und noch ein nettes Kollegium und eine angenehme Schülerschaft obendrauf, dann wird auf einmal auch wieder die fränkische Pampa interessant. Die Horrorszenarien von vor 15 Jahren im Hinblick auf Überalterung und Wegzug sind auf jeden Fall nicht eingetreten, sondern die Bevölkerungszahlen haben sich stabilisiert.

  • Sehe es auch so wie gingergirl: Im Zweifelsfall würde ich mich immer eher für fränkische Pampa statt München entscheiden. Mit 30 würde ich noch in der 3-Zimmer-Wohnung wohnen, aber mit 50 nicht mehr - und ein Einfamilienhaus kann man sich in München schlichtweg nicht leisten, wenn man kein Spitzenverdiener ist.

    Ich denke, dass die Horrorszenarien in der fränkischen Pampa nicht eintrafen, weil Bayern (ebenso auch BW) wirtschaftlich gut aufgestellt ist. Selbst in der Pampa haben die Leute Arbeit. In manchen ostdeutschen Gebieten sieht es da schwieriger aus: Wenn ich da an Bitterfeld-Wolfen oder so denke... Das Potential wäre ja da, aber leider schlief die Politik, wenn es darum ging, Anreize zu schaffen, dass sich Unternehmen dort niederlassen wollen.

  • Du darfst aber nicht Bayern mit Deutschland vergleichen.

    München ist eh Größenwahnsinn in Stadtform, was Preise angeht.

    Und nein, Bayern ist nicht "gut aufgestellt", Bayern weigert sich einfach nur das zurückzuzahlen, was ihnen Strauß seinerzeit zugeschustert hat.

    Das nennt man schlicht asozial.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Angeber-Modus an: Ich habe ja ein paar Jahre in Herrsching am Ammersee gewohnt und am Starnberger See gearbeitet. Die Eltern sind teilweise 5mal so reich gewesen wie ich. Aber die meisten waren sehr okay und nett.

  • Mit 30 würde ich noch in der 3-Zimmer-Wohnung wohnen, aber mit 50 nicht mehr - und ein Einfamilienhaus kann man sich in München schlichtweg nicht leisten, wenn man kein Spitzenverdiener ist.

    In München ist als Single eine 3 Zimmer Wohnung schon fast dekadent 🙈

  • ...vielleicht Hinterhof...und die anderen beiden - sind das Orte?

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
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  • Angeber-Modus an: Ich habe ja ein paar Jahre in Herrsching am Ammersee gewohnt und am Starnberger See gearbeitet. Die Eltern sind teilweise 5mal so reich gewesen wie ich. Aber die meisten waren sehr okay und nett.

    Da waren wir ja fast Nachbarn :wink2:

    Gerade in Elternzeit, deshalb fast nur stille Mitleserin :essen:

    2 Mal editiert, zuletzt von Milk&Sugar ()

  • Bayern ist halt schon schön. Ich hab mit die beste Zeit meines Lebens in Antdorf aufm Bauernhof verbracht und bin morgens mit Blick auf die Benediktenwand zur Arbeit geradelt. Dann war ich aber auch froh, dass ich da im Winter nicht mehr sein musste mit nur 2 Busverbindungen am Tag ^^

  • Nette Kollegen gibt es aber auch überall. Zumindest ein paar sind doch irgendwie immer dabei. Und manchmal gehen sie auch. Oder es kommen neue. Klar, es gibt so eine Grundstimmung. Aber trotzdem, es ist ein hakeliges Entscheidungskriterium - definiere "nett". Wechselt die Schulleitung, kann sich alles ändern. Außerdem kann man selbst Einfluss nehmen. Man muss sich nicht an Miesmacherei und Meckerei beteiligen. So zum Beispiel.


    Die Entfernung dagegen ändert sich nicht. Ich denke jedes Mal, wenn ich mal auf der Autobahn unterwegs bin: Wie schön, dass ich zur Schule radeln kann. Ich mache das seit gut drei Jahren und das hat mein Leben sehr positiv verändert. Auch ein Umfeld mit Grün und frischer Luft ist ganz entscheidend für die Lebensqualität. An deiner Stelle wäre ich nicht ratlos, zumal du zu einer pflegeleichteren Klientel zu wechseln scheinst.


    Aber das ist natürlich nur meine Meinung :wink2:

  • CDL

    Ja das die Mietpreisbremse aus genannten Gründen nicht bzw. nur unzureichend funktioniert ist allgemein bekannt. Aber meiner Meinung nach hätte sie, wenn sie denn funktionieren würde, eher den gegenteiligen Effekt - Nämlich dass das Land noch mehr ausstirbt. Und ich gebe dir recht, je weniger Infrastruktur vorhanden ist, desdo unantraktiver ist der Ort/die Gegegend. Aber ich verstehe trotzdem nicht, dass die Politik so "viel" dafür tut die Menschen in die Großstädte zu leiten (sozialer Wohnungsbau findet beispielsweise eher in Städten statt).

  • Nette Kollegen gibt es aber auch überall. Zumindest ein paar sind doch irgendwie immer dabei. Und manchmal gehen sie auch. Oder es kommen neue. Klar, es gibt so eine Grundstimmung. Aber trotzdem, es ist ein hakeliges Entscheidungskriterium - definiere "nett". Wechselt die Schulleitung, kann sich alles ändern. Außerdem kann man selbst Einfluss nehmen. Man muss sich nicht an Miesmacherei und Meckerei beteiligen. So zum Beispiel.


    Die Entfernung dagegen ändert sich nicht. Ich denke jedes Mal, wenn ich mal auf der Autobahn unterwegs bin: Wie schön, dass ich zur Schule radeln kann. Ich mache das seit gut drei Jahren und das hat mein Leben sehr positiv verändert. Auch ein Umfeld mit Grün und frischer Luft ist ganz entscheidend für die Lebensqualität. An deiner Stelle wäre ich nicht ratlos, zumal du zu einer pflegeleichteren Klientel zu wechseln scheinst.


    Aber das ist natürlich nur meine Meinung :wink2:

    Ich stimme dir absolut zu!


    Im Übrigen habe ich mal die Homepages von verschiedenen Grundschulen in der Stadt und auf dem Land angesehen:

    in der Stadt: oftmals junge, modische, langhaarige Blondinen ;-)

    auf dem Land: oftmals leicht mollige, etwas ältere Damen (so wie ich), deren Hobbys Gärtnern und Lesen sind. Und auch mehr männliche Kollegen.


    Die Land-Gruppierung macht einen tiefenentspannteren Eindruck auf mich.

  • Ich arbeite in der (Groß-)Stadt, und das meistens sehr tiefenentspannt. Vielleicht deshalb, weil in meinem Kollegium eher eine verschwindend geringe Anzahl "junger, modischer, langhaariger Blondinen" ist... :pfeifen:

  • Ohne jetzt den gesamten Thread gelesen zu haben, möchte ich zur Ausgangsfrage auch mal was beitragen.


    Ich bin nach meiner Ausbildung an einer Gesamtschule im tiefsten Ruhrpott und einer Vertretungsstelle in einer Großstadt im Sauerland an eine sehr kleine Dorfschule in Niedersachsen an der niederländischen Grenze gekommen.

    Ich kann die Schwierigkeiten einer Schule im Ballungsgebiet nachvollziehen und wirklich gibt es vieles davon hier nicht, dafür andere Schwierigkeiten:


    - größere Bildungsferne und mangelndes Interesse. Es gibt nahezu keine Akademikerhaushalte und sehr viel weniger bürgerliche Haushalte, die Kinder sind vielfach echt Bauern. Studieren ist seltenst das Ziel und auch der Wert eines Abiturs ist hier nicht so hoch. Wir haben im Ort nur 28% Gymnasiastenquote, im Nachbarort 35%, deutlich unter Landesdurchschnitt

    - Deswegen und wegen der allgemein dünnen Besiedlung kämpft unser Gymnasium ohne Oberstufe (die gibt erst im nächstgrößeren Ort) seit einigen Jahrgängen mit der Einzügigkeit. Als ich gekommen bin, war es angenehm, die Klassenstärke lag eher bei 25 als bei 30, jeder Klasse hatte ihren eigenen Lateinkurs. Nun gibt es überall nurnoch einen Lateinkurs pro Jahrgang mit ca. 30 SuS, im dritten Jahrgang infolge lag die Klassenstärke von Anfang an näher an 15 als an 20, in einem Jahrgang droht die Einzügigkeit.

    - daraus folgt eine geringe Anzahl an Stellen, die dann natürlich auch nicht optimal besetzt sind, so dass es manchem Fächern sehr mangelt und in manchen totaler Überhang ist. Als Folge muss man viel fachfremd unterrichten (ich habe Geschichte und Latein, mache aber noch Erdkunde und Werte & Normen, demnächst vielleicht auch Politik) oder Abgeordnet wird (nicht zwingend an die gleiche Schulform, ich war schon an der Hauptschule, viele KuK an Grundschulen)

    - trotzdem haben wir noch viele SuS, die nie eine Empfehlung zum Gymnasium bekommen hätten und auch von Anfang an Probleme haben

    - v.a. die Jungs haben gerade so mit minimalem Aufwand die Versetzung schaffen zur Kunstform erhoben

    - die Eltern vermitteln den Kindern selten Motivation und Ehrgeiz, wenns am Gymnasium nicht klappt ist auch nicht schlimm

    - statt südländischem Migrationshintergrund haben wir vielfach niederländischen Migrationshintergrund und irgendwie haben die fast alle einen kleinen Flodder in sich

    - Die Deutschkenntnisse sind katastrophal, viele SuS geben sich keinerlei Mühe, dass, Rechtschreibung, Groß- und Kleinschreibung oder Zeichensetzung richtig zu machen. Selbst die Leistungsfähigen haben da große Defizite, die mit niederländischem Hintergrund sind natürlich die schlimmsten

    - Ein sehr großer Teil ist absolut Maulfaul, egal was man da vorne für ein Feuerwerk abfackelt

    - ab 14-15 wird regelmäßig harter Alkohol gesoffen


    Allerdings muss ich sagen, dass es am größeren Gymnasium in der Nachbarstadt schon deutlich besser war, als ich mal abgeordnet war, vor allem was den Wert des Abis angeht. Meine Freundin, die in der Kreisstadt am großen Gymnasium unterrichtet und vorher auch an einem guten Gymnasium im Ruhrpott ausgebildet wurde sagt immer, dass sie keinen Unterschied bei der Schülerschaft bemerkt.


    Wir wollen hier wieder weg, allerdings mehr aus persönlichen Gründen. Bei mir spielen auch berufliche eine große Rolle, bei meiner Freundin eigentlich nicht. Mit den pflegeleichten, aber leistungsschwachen SuS würde ich es aushalten, aber es ist nicht in Aussicht, dass ich irgendwann mal nicht fachfremd unterrichten oder mit Abordnung rechnen muss und die Oberstufe vermisse ich auch.


    Das hier kann ich übrigens auch bestätigen:


    Zitat

    Ein bisschen Anonymität muss schon sein. Ich fand es auf dem Dorf schrecklich - das Klientel ist ein anderes, aber nicht zwigend leichter. Und mir sind vor allem die Eltern aus ländlichen Gegenden sehr negativ aufgefallen, da sie ständig untereinander konferiert haben, anstatt entsprechende KuK einfach mal um ein Gespräch zu bitten. Und dann treten sie gerne nachbarschaftlich in Horden auf, wenn es darum geht, gegen irgendeine Sache zu wettern. Nur meine Erfahrungen.

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