Eigene Erfahrungen zu den angehäuften Defiziten der Schüler während der Pandemie und die offiziellen Vorstellungen zu den Lösungen

  • Ich habe ja bereits geschrieben, dass es in meiner Klasse keine Leistungsdefizite gibt... eher im Gegenteil. ich bin so weit im Stoff, wie selten mit einer dritten Klasse um diese Zeit.

    Was aber auch zutrifft ist, dass die meisten Kinder nicht glücklich waren während des DU. Sie hatten wenig Kontakt zu anderen Kindern, die Eltern hatten mit sich zu tun und viele mussten arbeiten... die Kinder waren viel sich selbst überlassen. Ich habe da sehr ehrliche und berührende Schilderungen meiner Schüler gehört.

    DAS muss man auffangen... DARAN muss man arbeiten. Aber um die Leistung mache ich mir wirklich weniger Sorgen.

  • Ich stimme dir in den allermeisten Fällen zu; das war schon vor Corona oft der ausschlagebende Punkt für einen Bildungserfolg (und ich meine damit nicht nur die rein fachliche Seite, sondern auch die emotional-soziale Form von Bildung). Durch Corona ist es nur noch deutlicher nach außen getreten. Uns es geht auch nicht darum, ob ein Elternteil zu Hause war oder nicht, sondern ob sich gekümmert, motiviert, gestärkt wurde. Das kann auch sehr gut nach der Arbeit der Eltern erfolgen, es muss niemand 24/7 deswegen zu Hause sein bzw 24/7 zu Hause heißt noch lange nicht, dass es gut geht

    DAS muss man auffangen... DARAN muss man arbeiten. Aber um die Leistung mache ich mir wirklich weniger Sorgen.

    Das kann ich aber als Lehrer/in mit den üblichen Aufgaben/Klassengrößen/Gegebenheiten vor Ort usw nicht. Dagegen hilft auch kein Sommerbildungscamp oder Förderunterricht wie schon zuvor von jemandem hier geschrieben.

  • Das ist richtig.

    Das können wir nicht auffangen.


    Und nicht unerwähnt lassen möchte ich die Familien, die mir fast zugeflüstert haben... das kann man ja kaum laut erzählen... aber wir haben unseren Rhythmus gefunden und uns gehts richtig gut im Distanzunterricht. Diese Kinder haben tatsächlich besser gelernt, als in der Schule.

    Und viele davon wirken nicht nur ausgeglichener, sondern sagen auch, dass sie sich zu Hause viel wohler gefühlt haben.

    Und wenn ich mir diese Kinder so ansehe, sind das oft diejenigen, für die Schule sozialer Stress ist. Die ruhigen Kinder, denen viel zu viele Kinder in einer Klasse sind. Aber auch die kleinen Zappeligen... die sich nicht konzentrieren können, wenn auch nur ein Kind sich mal räuspert.


    Und das lässt mich darüber nachdenken, ob es in Deutschland nicht auch die Möglichkeit des Home Schoolings geben sollte. Natürlich mit Tests und Kontrollen, um sicher zu stellen, dass diese Kinder auch alles lernen, was sie lernen sollen.

    Aber manchen Kindern tut Schule nicht gut. Die lernen besser zu Hause.

    Das Leben ist unberechenbar. Iss das Dessert zuerst!

  • Zitat

    Und nicht unerwähnt lassen möchte ich die Familien, die mir fast zugeflüstert haben... das kann man ja kaum laut erzählen... aber wir haben unseren Rhythmus gefunden und uns gehts richtig gut im Distanzunterricht. Diese Kinder haben tatsächlich besser gelernt, als in der Schule.


    Kann ich als Mutter auch bestätigen. Meine beiden Teenager haben vor allem im ersten Lockdown im Frühjahr gelernt, (alleine) mit dem Computer umzugehen, mit allem, was man während dem DU so brauchte (Word, Powerpoint, Bilder speichern/einfügen, Dateien hochladen/versenden etc. etc.). Ebenso das ruhige, selbstbestimmte Arbeiten.


    Vielleicht braucht es kein generelles Home Schooling. Aber ich finde, dass man zeitweise einen generellen DU einführen sollte. Damit ALLE lernen, sich selbst zu organisieren, sich Arbeit selbst sinnvoll einzuteilen, selbst nachzurecherchieren, Infos und Wissen selbst erarbeiten, u.v.m.


    Warum nimmt man nicht die sonst üblichen Projektwochen/-tage für so etwas (die häufig genug nur mühsam gewolltes Beschäftigungsgedönse sind, sorry!)?

  • Das ist ja bei meinem Sohn auch so, der hat zuhause viel mehr gelernt und sämtliche Lücken aus dem ersten Schuljahr aufholen können, was in der Schule nicht ging. Er hat hier seinen oder unseren Rhythmus und sein Tempo und auch entsprechend Hilfe, was in der Schule nicht ging und geht und da nimmt leider trotz Flexklassen keiner Rücksicht auf Schülertempo, da wird das Lehrwerk durchgezogen, egal wie weit die Schüler sind. Sehr schade. Das war auch dort mal anders.

    Und aktuell haben die Flexklassen dort nichts mehr mit dem zu tun, wofür sie mal standen. Das ist gerade in der Pandemie eben sehr deutlich geworden.


    Klar haben die Schüler in der Schule keine 1:1 Betreuung, wie hier oder bei Oma und Opa (da ja sogar 1:2), aber etwas mehr differenziert dürfte es schon sein.

  • Normalerweise wechseln die Klassenlehrer nach 2 Jahren. Meine sind jetzt Klasse 2 und von den Schulschließungen in 1 und 2 betroffen.

    Ich finde, dass den Jahrgang wirklich hart hat, gerade weil man die Grundlagen in allen Bereichen legen würde. Das wird ihnen noch länger nachhängen, weil es nicht nur inhaltlich ist, sondern auch in anderen Bereichen: soziales Lernen, Selbstorganisation, Methoden, Gesprächskultur etc.


    Wieso behaltet ihr die Klassen nicht einfach? Die Wechselei ist für Kinder auch ohne Corona unschön.

    Es gibt viele Schulen, diese fest regeln, in denen z.B. KollegInnen immer Eingangsstufen haben oder überwiegend Klasse 1+2. Stellt man es um, wirbelt es ja einiges durcheinander, weil die komplette Stundenverteilung betroffen ist, die Fächer haben ja in unterschiedlichen Jahren mehr oder weniger Stunden. Ich glaube, in BY ist es angesichts des stärkeren Klassenlehrerprinzips in vielen Schulen so, dass dann ein Wechsel erfolgt um nachteilige Verhältnisse nur für 2 Jahre zu haben.


    In NDS wurde jetzt ein Erlass geändert, dass man nach 2 Jahren wechseln sollte. Außerdem muss man ohnehin ein Fach (D,Ma,Su) ab Klasse 3 abgeben. Mit Inklusion ist das sehr ungünstig, finde ich, weil man sich noch häufiger einarbeiten müsste. Es passt aber zum derzeitigen Optimierungstrend: fächerübergreifend war gestern.


    Bei der derzeitigen Lehrkräfteversorgung hat man zudem schon Wechsel genug, da kann man froh sein, ein wenig Beständigkeit zu haben.

  • Warum nimmt man nicht die sonst üblichen Projektwochen/-tage für so etwas (die häufig genug nur mühsam gewolltes Beschäftigungsgedönse sind, sorry!)?

    Bei uns gibt es keine Projekttage oder -wochen :weissnicht:. Wir haben aber mit allen Klassen zu Beginn dieses Schuljahres geübt mit "Moodle" umzugehen.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Vielleicht braucht es kein generelles Home Schooling. Aber ich finde, dass man zeitweise einen generellen DU einführen sollte. Damit ALLE lernen, sich selbst zu organisieren, sich Arbeit selbst sinnvoll einzuteilen, selbst nachzurecherchieren, Infos und Wissen selbst erarbeiten, u.v.m.

    Das wird kommen, da spart man dann einfach mal die Hälfte der Lehrkräftestunden in Klasse 8.

    Warum nimmt man nicht die sonst üblichen Projektwochen/-tage für so etwas (die häufig genug nur mühsam gewolltes Beschäftigungsgedönse sind, sorry!)?

    Weil Projektwochen andere sinnvolle Schwerpunkte haben und weil die Ausstattung an den Schulen nicht für alle SuS gleichzeitig ausreicht.

  • Vielen Dank für die bisherigen Berichte. Das ist sehr interessant, wie unterschiedlich die Erfahrungen sind. Offensichtlich fallen die Schüler vermehrt durch das Raster, wo es auch vorher aus irgendwelchen Gründen Schwierigkeiten gab. Das Ganze hat sich wohl verstärkt.


    Bei uns kam jetzt ein Rundschreiben, wie wir die Defizite feststellen sollen - irgendwie haben wir ein Stück weit freie Hand und dann wieder doch nicht. Es wird auf die Orientierungsarbeiten im 2. Schuljahr und die VerAs im 3. Schuljahr hingewiesen. Ich denke, da werden sich die Defizite auftun, die auch ohne Pandemie entstanden wären - na ja, dann bekommen diese Kinder ein zusätzliches Förderangebot.


    Zudem finde ich es total schwierig, gezielt Defizite zu testen - wir hatten zwischendurch Wechselunterricht und konnten Proben schreiben - das ist sozusagen abgefragt. Ursprünglich hieß es doch, dass man Module zur Auswahl bekommen würde - das ist bisher nicht der Fall. Die VerAs behaupten doch immer von sich, dass sie nicht den Lernstand testen, sondern die allgemeinen Kompetenzen, jetzt plötzlich sollen sie als Diagnoseinstrument dienen. Ich hätte da bessere Angebote erwartet.

  • Gut, dass wir auch Klassenarbeiten geschrieben haben.

    Denn wir müssen ja auch Zeugnisse mit Noten schreiben... das wird ausdrücklich so verlangt.

    Es dient für uns zur Leistungsbeurteilung... und auch zur Diagnostik. Wir wissen jetzt, wer da Lücken hat.

    Und so können wir Kinder für ein Förderprojekt in den Sommerferien vorschlagen. Noch weiß keiner wie das Projekt aussehen soll... aber anscheinend ist da was in der Planung. Denn wir wurden schon aufgefordert, Namen aufzuschreiben.

    Die Vergleichsarbeiten, die normalerweise im 3. Schuljahr geschrieben werden sollen, sind für den letzten Jahrgang ja ausgefallen... die sollen meine Schüler nun schreiben. Schön sparsam werden da die alten Hefte verwendet, was ja völlig in Ordnung ist.

    Angeblich dienen die Vergleichsarbeiten in diesem Jahr zur Diagnostik. Aber da die Vergleichsarbeiten auf September verschoben worden sind, helfen die nicht, die Schüler herauszufinden, die in den Sommerferien an Förderprojekten teilnehmen sollen.

    Gut, dass wir also Klassenarbeiten geschrieben haben. Siehe oben.

    Und im vierten Schuljahr... so kurz vor den Empfehlungen zu weiterführenden Schulen... diagnostizieren wir dann mal, wer was nicht kann.

    Das Leben ist unberechenbar. Iss das Dessert zuerst!

  • Wir schreiben ja glücklicher Weise keine Zeugnisse mit Noten und bei den Indikatoren haben wir geschlossen (bis auf meine 3. Klasse, die hatten Schwimmen) in Kunst, Sport, Musik n.V. (nicht vermittelt) im 2. Halbjahr drauf und die 4.-6. Klasse o.B. (ohne Bewertung).


    Vera haben wir geschrieben online eingegeben und erhoffen uns da Ergebnisse die Nutzen haben (achso, meine Kollegin erhofft, ich hätte es weggelassen) und ich vermute zum Schuljahresbeginn wird es wieder ILeA online geben.

  • m Ernst, ist das förderschulspezifisch, dass Konzentration, Zuhörfähigkeiten und Gesprächskompetenzen abgenommen haben?

    mir fällt auf, dass die Schüler sehr viel schwerer zum Schreiben zu bewegen sind als vor dem Lockdown. "Kann ich das abfotografieren?" heißt es bei jedem 2.Tafelbild. Vornehmlich in Jahrgang 5

  • mir fällt auf, dass die Schüler sehr viel schwerer zum Schreiben zu bewegen sind als vor dem Lockdown. "Kann ich das abfotografieren?" heißt es bei jedem 2.Tafelbild. Vornehmlich in Jahrgang 5

    DAs wundert mich nicht, nachdem eben einige Kollegen keine handgeschriebenen Sachen erlaubt haben, sondern nur PDFs oder Word-Dateien, wollte ja mal eine Apple-Textverarbeitung schicken, mal sehen, wie da die Reaktion gewesen wäre.

  • Wie ich vor paar Tagen beim medialen Kommentar einer Kollegin vernommen habe, schlug diese vor: "..bevor es wieder zurück zum Regelunterricht geht, sollten erst einmal ALLE SchülerInnen eine Klassenreise absolvieren, um die gewohnte Gruppendynamik einer Klassengemeinschaft wieder herzustellen", was natürlich auch nicht innerhalb von 4x Unterrichtstagen auszugleichen ist, aber es wäre in meinen Augen ein guter Ansatz.

    Nach meinem Eindruck bei der Rückkehr zur vollen Klassenstärke ist das gar keine schlechte Idee. Ich habe erwartet, dass nach einer so langen Zeit, in der die Klasse nicht vollständig war, sich alle viel zu erzählen hätten oder zumindest in irgendeiner Art und Weise auf die Mitschüler reagieren würden. Zu meiner großen Verwunderung war es aber völlig anders, ich kam in die Klasse und es herrschte eisiges Schweigen unter den SuS. Die Klassen waren ja bis jetzt geteilt im Unterricht. Mir kommt es so vor, als hätten sich die beiden Klassenhälften völlig auseinandergelebt und sich total fremd. Das hat sich auch in den Rückmeldungen der SuS widergespiegelt, die fast alle wieder zurück zum Wechselmodell wollten, weil "die eigene Gruppe" viel besser und angenehmer ist.

  • Wieso behaltet ihr die Klassen nicht einfach? Die Wechselei ist für Kinder auch ohne Corona unschön.

    Nach der 2 können die Kolleginnen nicht wechseln behalten natürlich, weil in der 1 und 2 jahrgangsübergreifendes Lernen ist.

    Danach ist das Problem, dass wir nur eine begrenzte Anzahl von Grundschullehrern haben, die dann in der 3/4 benötigt werden bzw. eine begrenzte Zahl von Fachlehrern, deren Stunden in der 5/6 benötigt werden.

    Ehrlich gesagt, möchte ich auch gar nicht in die 5/6 wechseln. Dann wäre ich nur noch ein paar Stunden (10 vielleicht) in meiner Klasse und den Rest der Woche würde ich von einer Musikklasse zur nächsten springen. Mein Keller reicht auch für das zusätzliche Material nicht mehr aus.


    An meiner letzten Schule hatten wir kein jahrgangsübergreifendes Lernen und dann 1 bis 3 und 4 bis 6, das hatte was.

    SCHOKOEIS!


    Ich lese und schreibe nach dem Paretoprinzip.

  • Kann ich als Mutter auch bestätigen.

    Ich auch, mein Sohn hat letztes Jahr Abi gemacht und hat bes. in Mathe so viel gelernt, dass er da im Abi zur Überraschung aller erstaunlich gut war. Er hatte auch viel Zeit dafür, also mehr, als wenn er noch in allen Fächern in der Schule herumgesessen wäre. Jetzt im 2. Semester online-Studium tut er mir schon leid. Vom Lernen her, ist es bestimmt nicht weniger, aber die sozialen Kontakte fehlen halt.

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