Kanzlerkandidatur

  • Ja sicher, meine Hausärztin und mein Orthopäde sind Deutsche. Von beiden weiss ich, dass sie primär wegen der besseren Arbeitsbedingungen hier sind. Allein, dass ich das weiss, spricht wahrscheinlich Bände. Wie viel Zeit hat ein Arzt in Deutschland über sowas überhaupt mit einem Patienten zu tratschen?

  • Nun ja. Einst des Geldes wegen gekommen, 20 Jahre in der Schweiz gelebt, evtl. eine Familie gegründet. Irgendwann fühlt man sich als Schweizer und will dann das ganze Paket. So unwahrscheinlich?

    Ich schrieb, dass ich persönlich (anekdotisch!) nicht einen einzigen Deutschen kenne, der des Geldes wegen hierher gekommen ist. Die wird es sicher geben. Ich kenne - Überraschung - relativ viele deutsche Lehrpersonen, die samt und sonders der besseren Arbeitsbedingungen wegen hier sind. Zwei Kommilitonen aus meinem Studiensemester und ein ehemaliger Arbeitskollege aus dem Doktorat sind hier, auch die sind nicht wegen des Verdienstes gekommen. Gerade in den Berufen sind die Gehälter kaufkraftbereinigt nicht signifikant höher als in Deutschland. Das trifft vor allem auf Geringverdiener im Baugewerbe und in der Pflege zu, die hier erheblich mehr verdienen als in Deutschland.


    Edit: Wenn's nur ums Geld geht, ist man einfach Grenzgänger. Davon kommen allein nach Basel jeden morgen ca. 90000 aus Deutschland und Frankreich.

  • Ich käme nie auf die Idee, meine Ärzte zu fragen, warum sie in Deutschland sind. Nicht, dass die auf falsche Gedanken kommen... 8)

    Ich war bei beiden relativ häufig während der Corona-Zeit. Guess what ... Da kam man eher schnell ins Gespräch über genau sowas.

  • A propos "Sozial" denken - hast du da weiter oben wirklich zwischen den Zeilen die These vertreten, dass "Arme Menschen keine Kinder bekommen sollten"?


    kl. gr. frosch

    Was, solange es nicht um „dürfen“, sondern um „sollten“ geht, eine völlig legitime Ansicht ist.

    Wenn mir eine Empfängerin von “Bürgergeld“ beim Kaffee erzählte, sie und ihre Frau wollten nun ein Kind bekommen, dann finde ich, ist dies ihr gutes Recht. Wie ich das angesichts ihrer finanziellen Situation moralisch sehe oder welchen Rat ich ihr geben würde, steht auf einem ganz anderen Blatt.

  • Ja sicher, meine Hausärztin und mein Orthopäde sind Deutsche. Von beiden weiss ich, dass sie primär wegen der besseren Arbeitsbedingungen hier sind. Allein, dass ich das weiss, spricht wahrscheinlich Bände. Wie viel Zeit hat ein Arzt in Deutschland über sowas überhaupt mit einem Patienten zu tratschen?

    Ja, aber das ist irgendwie auch eine Form der Vergütung, die eben pro Patientenabrechnung einfach höher ist. Zeit ist auch Geld.

  • Das ist insbesondere Lebensqualität. Was ist so komisch daran, dass es Leuten tatsächlich nicht primär ums Geld gehen könnte? Ich glaube, ab einem bestimmten Betrag ist das doch den meisten Menschen ziemlich egal.

    • Offizieller Beitrag

    Jup.

    Ich war sehr (sehr) lange sehr naiv und dachte, die meisten Menschen ticken wie ich und "uns" würde es doch um Lebensqualität gehen. Dann habe ich festgestellt, dass es vielen Menschen doch hauptsächlich um das Geld geht. Oft nicht mal des Geldes wegen, sondern um das MEHRgeld als der Nachbar, der Kollege, der Lehrer der anderen Schulform.


    Wie viel Zeit hat ein Arzt in Deutschland über sowas überhaupt mit einem Patienten zu tratschen?

    Ich bin sicher, es liegt nicht (nur?) daran, dass ich privatversichert bin, denn ich habe schon vorher mit dem Arzt gequatscht (diejenigen, die es nicht tun, verlieren im Vergleich zu denjenigen, die es tun). Zugegeben, beim Hausarzt ist es trotzdem eng.
    Aber ich habe eine viiiiiiiiiiiiiiiel coolere Waffe als jede Privatkassenabrechnung: man kann mir vom letzten Urlaub in der Bretagne erzählen... oder über Unruhen in den Banlieues... (über die Frage "aber warum sind Sie nach Deutschland gekommen?, Frankreich ist doch viiiiiiiiiiiiiiiiel schöner!" unterhalten wir uns nicht mehr, es waren eher die ersten 2-3 Termine.)
    Und die (Waffe) hatte ich schon lange vor der PKV und bei den Ärzten bin ich auch länger dabei.

  • Kaum jemand erbt 500 000 €, die meisten Erben eine Immobilie, die der Familie schon ewig gehört und die auf dem Papier jetzt auf einmal 500k wert ist, weil die Preise für Immobilien in den letzten Jahren so gestiegen sind.

    Ein Einfamilienhaus, in dem man selbst wohnen will, könnte steuerfrei bleiben.

    Das "dann erhöhen wir halt Erbschafts- und Vermögenssteuer und besteuern die Reichen", das hier bei einigen durchscheint, ist mir schlicht zu platt und für mich die links-progressive Variante einer Stammtischparole.

    Mir ist ein "die Oma hat hart gearbeitet für ihr Häuschen" zu platt.


    Die Erben werden besteuert, nicht die Erblasser. Und die kommen an ein Vermögen, für das sie nichts getan, also auch keine Einkommenssteuer gezahlt haben. Das ist einfach mal ein Privileg. Außerdem zahlt man auch MwSt oder Mineralölsteuer mit bereits versteuertem Einkommen. Während Einkommensschwache damit im Verhältnis stärker belastet werden, können Reiche ihr Geld mehrwertsteuerfrei investieren. Reiche müssen nicht ihr ganzes Geld für den Lebensunterhalt ausgeben. Ich glaube, nur weil jemand nicht superreich ist, bedeutet das nicht, dass er das Verhältnis immer im Blick hat, wie er im Vergleich zu prekären Familien lebt. Ich vergesse das wahrscheinlich nicht komplett, weil ich mit Sozialhilfe und co großgeworden bin.


    Übrigens, eben bei verdi gelesen: 2% der Bevölkerung erhalten ein Drittel(!) des zu vererbenden Vermögens. Jeder zweite geht leer aus.

  • Dann habe ich festgestellt, dass es vielen Menschen doch hauptsächlich um das Geld geht.

    Ich kann mich noch gut dran erinnern, als der oben erwähnte Arbeitskollege aus dem Doktorat bei der Roche den Arbeitsvertrag unterschrieben hat. Ja natürlich hat der sich gefreut, dass 80000 CHF mehr sind als 60000 € (ist ne Weile her, die Zahlen wären heute grösser). Dann ist er nach Luzern gezogen und ihm fiel auf, es ist nicht wirklich mehr. Geblieben ist er trotzdem.

    • Offizieller Beitrag

    Mich würde reizen, dass ich kündigen kann und die Schule wechseln kann.

    Und wenn die Chemiker Leute haben, die die Becher in die Spülmaschine stellen, frage ich mich, was in meinen Fächern rausspringt.

    Ich stelle es mir vor, dass Französisch kein Mangelfach ist bzw. der Umgang mit Muttersprachler*innen anders ist und ich nicht nur Französisch unterrichten dürfte.

    Und: Berge!!!


    Ach….

    • Offizieller Beitrag

    Durch Zufall diesen Kommentar gefunden, der vielleicht ganz gut zu der Unterhaltung hier passt:

    Ein Gutverdiener beklagt: Wer gut verdient, ist zwangsläufig der Böse.

    1) das Studium war kostenlos. Wer hat das finanziert und hat es ihm ermöglicht?

    2) elternunabhängiges Bafög gab es zu dem Zeitpunkt schon. Selber schuld, wenn nicht beantragt.


    3) wer stolz ist, mehr als 100 Überstunden im Monat zu haben, mit einer vollzeitbeschäftigten Ehefrau, und 3 Kids zuhause: das ist für dich (aldo jetzt wirklich auch dich bezogen) ein armes Opfer?

  • Ich denke, es ist die Kombination aus Lebensqualität und Verdienst. Die Krankenschwester hat ein Apartment in einer deutschen Großstadt gegen ein Häuschen mit hübscher Veranda, riesen Grundstück und 3 Pferden im texanischen Nirgendwo getauscht. Ich weiß nicht, ob das Lohnniveau da besser ist oder die Lebenshaltungskosten signifikant geringer, auf jeden Fall hätte dieser Lebensstil mit diesem Job in Deutschland für sie so nicht funktioniert. Mein Cousin hatte auch attraktive Angebote aus Frankfurt, ist aber wegen des besseren Verdienstes ins Ausland gegangen. Meine Cousine in der Schweiz stöhnt natürlich auch über höhere Lebenshaltungskosten, findet das Gesamtpaket aber stimmig. Letztlich ist ja dann auch egal, was für den Einzelnen überwiegt: Fakt ist, dass sie für den deutschen Arbeitsmarkt erstmal futsch sind, weil woanders - zumindest für den Moment - eine höhere Zufriedenheit gegeben ist.

  • Ich stelle es mir vor, dass Französisch kein Mangelfach ist bzw. der Umgang mit Muttersprachler*innen anders ist und ich nicht nur Französisch unterrichten dürfte

    :rofl:


    Da muss ich dich leider bitter enttäuschen. Du wärst heiss begehrt und würdest ausschliesslich Französisch unterrichten. Dann würdest du dich zu Tode nerven, dass keiner Lust darauf hat. Wenn ich es richtig verstanden habe, könntest du Französisch aber auch als Literaturfach unterrichten, oder? Dann ginge natürlich Westschweiz.



    hast du die auch im Fach Physik?

    Den Weltbesten. Du musst nur schüchtern anmerken, ach, es wäre cool, hätten wir... Und 20 min später haben wir.

  • Wenn man schaut wohin Deutsche meistens auswandern: Schweiz, Österreich, Norwegen, Island. Es gibt nicht viele Länder mit einem vergleichbaren oder besseren Lebensstandard. Ich wollte nicht nach USA auswandern, das Gesundheitssystem ist eine Katastrophe. Ein speziell deutsches Problem ist sicher der hohe Anteil an Akademikern unter den Auswanderern. Einwanderer, die aus Portugal oder Italien z. B. in die Schweiz kommen, haben häufig "nur" eine Berufsausbildung aber kein Studium.

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