In meiner Situation Lehramt studieren?

  • Man muss vielleicht auch differenzieren zwischen „Lehren an sich“ und der Institution Schule, die einen über das Lehren hinaus in vielerlei Hinsicht fordert: Erziehungsarbeit, intensive Organisation und Begleitung einer Klasse, Aufsichten und Mediation, Konzeptarbeit und vieles mehr.


    Das sage ich, weil du, wenn ich es richtig verstanden habe, aus dem „puren Lehren“ kommst, wenn man das so sagen darf.

    Gerade in der Grundschule und SEK I sind die genannten Aspekte nicht zu unterschätzen.


    Ich würde beispielsweise meine Reserven gerne größtenteils in das Lehren investieren, aber die Institution frisst einen manchmal auf mit anderen TOPs.


    Dir wünsche ich aber einen Weg, der dich hoffentlich erfüllt und zufriedenstellt 👍🏼

  • Hallo Rutluk,


    vielen Dank für die guten Wünsche und deine Gedanken zum Thema!


    Inzwischen sehe ich es ähnlich, wie du beschreibst bzw. bin für mich nach langem Überlegen zu der Erkenntnis gekommen, dass es das Unterrichten an sich ist, das mir so gefällt, ich das aber nicht zwangsläufig an einer Schule im herkömmlichen Sinn tun muss. Durch das Forum und hier und befreundete Lehrer (Sek. 2) konnte ich einen Einblick darin bekommen, wie viel Druck damit zusammenhängt, wenn man heutzutage Lehrer*in an einer Grundschule oder weiterführenden Schule ist. Und ich glaube, dass ich dem gesundheitlich im Moment nicht gewachsen wäre. Obwohl es mir aktuell zum Glück recht gut geht, habe ich immer noch die ein oder andere kleine Baustelle. Die kann ich in meinem aktuellen Arbeitssetting besser mit den Umständen vereinbaren als anderswo. Und ich muss sagen, dass mir die Arbeit im DaZ/DaF-Bereich wirklich Spaß macht 😊 Nur die Bezahlung ist leider, nennen wir es suboptimal.

  • Nur die Bezahlung ist leider, nennen wir es suboptimal.

    Einen Tod muss man sterben und es sollte eher die schlechtere Bezahlung gewählt werden als eine Stelle anzutreten, die einen kaputt macht.

    Schule ist ohnehin ein komplexes Konstrukt und du wirst hier die unterschiedlichsten Meinungen vorfinden, wie stressig Schule ist, was auch unabhängig von der Person sein kann.


    Ich war an einer Grundschule im Studium (Studentenjob) und war nach 10 Unterrichtsstunden pro Woche am Ende meiner Kräfte, einfach weil die Kinder derart viel eingefordert haben (Brennpunkt, großteils leistungsschwache Kinder). Dort empfand ich die 10 U-Stunden als anstrengender als mein Vollzeitjob in der HW-Entwicklung.
    Am BK hingegen fühle ich mich mit einer Vollzeitstelle noch unterfordert und arbeite nebenbei in einem Zweitjob (Ursprungsberuf), damit man etwas mehr ausgelastet ist. Das heißt aber nicht, dass es am BK lockerer wäre sondern ist von den Klassen, dem Stundenplan und anderen Faktoren abhängig.


    Das heißt, je nach Schule, Klientel, Schulleitung, Stundenplan usw. kann die Belastung von "locker machbar" bis "Burnout" schwanken.

    Es hängt auch maßgeblich davon ab, wie viel Zeit man bereit ist in den Job zu investieren. Nach dem Ref hat keiner mehr was zu melden wie man seine eigenen Klassenarbeiten konzipiert, zur Notenfindung gelangt, wie viele Leistungsfeststellungen man bereit ist außer der Reihe einzufordern und wie viel Zeit man für Unterrichtsvorbereitung investiert. Man kann 0 Sekunden für eine Unterrichtsstunde als Vorbereitung investieren oder einen ganzen Nachmittag, je nachdem wie die eigene Perfektion es von einem verlangt.


    Problematisch ist diese Freiheit für Menschen, die nicht abschalten können und dann 24/7 mit Schule zu tun haben. Das macht einige krank und davor sollte man sich schützen und einen Zeitpunkt festlegen, wann die Schule keine Rolle mehr im Tagesablauf spielt (so zumindest meine Erfahrung).

  • Es soll sogar Schulleitungen geben, die sich die Klassenarbeiten usw. vorlegen lassen. Wir müssen unsere Notenfindung den Eltern transparent machen und uns an die in den Fachkonferenzen festgelegten Richtlinien halten. Da kann nicht jede/r ihr eigenes Süppchen kochen.

  • Es soll sogar Schulleitungen geben, die sich die Klassenarbeiten usw. vorlegen lassen.

    Ja und weiter? Selbst wenn man auf die Idee käme seine Klassenarbeit mit 2 MC-Fragen abzuhandeln könnte eine SL einem gar nichts. Rechtlich kann diese (zumindest in meinem BL) nicht vorschreiben, wie man eine Leistungsfeststellung intern aufbaut, wie man Punkte für was vergibt und wie eine Leistungsfeststellungen gewichtet wird.
    Auch kann mir die SL nicht reinquatschen, wie ich meinen Unterricht aufbaue, welche Methoden ich wann und wie verwende oder sonstiges (entsprechender Paragraph findet sich in meinem BL im Schulgesetz).


    Von daher ist es doch äußerst entspannt wenn man es mit dem Ref vergleicht, in dem jeder FL und die Schule meint eine Person belehren zu müssen wie was auszusehen hat. Vor allem ist es dann spannend, wenn die Schule und der FL vollkommen unterschiedliche Ansichten haben und man es nur einem von beiden recht machen kann und von der anderen Seite dann entsprechend abgestraft wird.


    Um bei der Ausgangsfrage zu bleiben: Stress im Beruf ja, im Ref je nach FL/Schule extrem, danach äußerst entspannt, sofern man mit den Schülern klarkommt, da einem alles andere gepflegt den Buckel runter rutschen kann.

  • Ja und weiter? Selbst wenn man auf die Idee käme seine Klassenarbeit mit 2 MC-Fragen abzuhandeln könnte eine SL einem gar nichts. Rechtlich kann diese (zumindest in meinem BL) nicht vorschreiben, wie man eine Leistungsfeststellung intern aufbaut, wie man Punkte für was vergibt und wie eine Leistungsfeststellungen gewichtet wird.

    Dieses Glück genießen bayerische Lehrkräfte nicht: Respizienz

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

  • Auch in Niedersachsen gibt es durchaus Grenzen bei der pädagogischen Freiheit der Lehrkraft. Und selbst wenn nicht, würde sicherlich irgendwann der erste Fall vor einem Verwaltungsgericht landen. Und da sind sie mit dem Einhalten der Vorgaben sehr genau. Nichtsdestotrotz hast du natürlich als Lehrkraft im Vergleich zu herkömmlichen Berufen eine immense Freiheit.

  • Guten Abend,


    ich habe zufällig bei zwei Freunden mitbekommen (beide noch u-40, beide am Gymnasium mit Vollzeitdeputat), wie sie ein Burn Out entwickelt haben bzw. kurz davor stehen unter der Belastung. Das fand ich schon erschreckend und es tut mir auch sehr leid für die beiden. Die eine sitzt täglich bis spät in den Abend an der Unterrichtsvorbereitung (ist allerdings auch sehr perfektionistisch und gewissenhaft). Bei der anderen hat es eher strukturelle Gründe.

    Jedenfalls haben diese beiden vor Augen in Zusammenhang mit meiner gesundheitlichen Situation dann doch mit hineingespielt, dass ich mich jetzt für die andere Alternative entschieden habe.


    Dass es besser ist, eine Stelle mit schlechterer Bezahlung anzutreten als eine besser bezahlte, die einen dafür aber ausläuft, wie Markus schreibt, stimmt natürlich. Trotzdem finde ich es manchmal bitter, dass nach dem Studium und den dafür aufgenommenen Studienkrediten aktuell nur verhältnismäßig wenig netto herauskommt.

  • aufgenommenen Studienkrediten

    Es ist nun wirklich kein Geheimnis, dass die Burnoutquote unter Lehrern wahnsinnig hoch ist im Vergleich zu anderen Berufen. Lärm, immer schwierigeres Klientel, Unterbesetzung und co. führen zu solchen Problemen und die sollten doch vor Studienbeginn bekannt sein.


    ehr perfektionistisch und gewissenhaft)

    Wie ich bereits schrieb sind das tödliche Eigenschaften im Lehrberuf, sofern man nicht abschalten kann.

    Die eine sitzt täglich bis spät in den Abend

    Entweder schlechte Organisation oder eben der Perfektionismus. Man sollte sich eine Uhrzeit setzen (z. B. 16:00 Uhr) bei der man einfach den Tag beendet und wenn das Arbeitsblatt nicht perfekt aussieht, so what? Frei nach dem Paretoprinzip reichen 20% um 80% herauszuholen und die letzen 20% führen zu einem Mehraufwand, der nie gerechtfertigt ist.

    Ich hatte im ersten Jahr nach dem Ref auch den Fehler gemacht, bis spät abends irgendwelche Dinge für die Schule zu erledigen und die Ferien für Unterrichtsvorbereitungen zu nutzen. Was bekommt man dafür? Nichts. Daher sind bspw. bei mir Ferien und Abends heilig und E-Mails und in diesen Zeiten reagiere ich auch auf niemanden aus der Schule. Seitdem läuft es gesundheitlich prima und man hat auch wesentlich mehr Spaß am Beruf als sich unnötig zu verheizen.

  • Dieses Glück genießen bayerische Lehrkräfte nicht: Respizienz

    Du findest, dass es ein Glück ist, dass eine Lehrkraft Klassenarbeiten halten kann, die aus 2 MC-Fragen bestehen? Ich finde grade an solchen Punkten allgemein verbindliche Standards mit entsprechendem Ausgestaltungsrahmen sehr sinnvoll.

  • Du findest, dass es ein Glück ist, dass eine Lehrkraft Klassenarbeiten halten kann, die aus 2 MC-Fragen bestehen? Ich finde grade an solchen Punkten allgemein verbindliche Standards mit entsprechendem Ausgestaltungsrahmen sehr sinnvoll.

    Das geht auch ohne Respizienz zum Glück nicht, in NRW gibt es da schon Vorgaben, an die man sich halten muss. Ich weiß jetzt nicht, in welchem Bundesland und welcher Schulform Markus40 unterrichtet, aber seine Beiträge spiegeln zumindest einen erheblichen Minimalismus wieder.

  • inen erheblichen Minimalismus wieder

    Das wirkt nur aufgrund der Beiträge so, da ich überspitzt darstelle, welche Freiheiten man genießt. Tatsächlich beinhalten meine Klassenarbeiten mehr als 2x MC Fragen und auch sonst ist es mir wichtig, dass alles rund läuft. Allerdings lasse ich mich nicht verheizen und karrieretechnisch ist für mich die A16 uninteressant. Daher sehe ich auch keinen Grund, mich über jede Gebühr zu strapazieren, dass können gerne die Lehrer machen, die Ambitionen auf die A16 haben. Ich hätte auch nicht die Beurteilung und die Noten, wenn ich nur chillen würde.


    Es gibt auch einen Unterschied zwischen Minimalismus und effizientem Arbeiten. Gerade letzteres sorgt für ein wesentlich entspannteres Leben im Umfeld Schule.


    Ich habe lediglich eine einseitige, negativ behaftete und etwas radikalisierte Meinung was das Thema Referendariat und Verbeamtung angeht. Das eine ist ein Paradebeispiel dafür Leute zu vergraulen oder kaputt zu machen und das andere ist eine vollkommen überholte Struktur die Leistungsverweigerern einen nahezu unantastbares Schutzschild bieten. Müsste beides nicht sein.

  • Gegenfragen: Was wäre, wenn du wirklich die Älteste im Studium bist und es sich komisch anfühlt?

    Lass dich dadurch nicht beirren. Ich hatte Studienkolleginnen, die auf 40 zugingen - und deren Kompetenz wir jungen Studis mit derjenigen der Profs annähernd gleichgesetzt hatten. Alter entspricht bei Jüngeren automatisch dem "Vorsprung an Erfahrung". Du wirst nicht in derselben Kohorte schwimmen - doch was soll's. Genieße es. ;)

    Das Diskutieren von Tatsachen ist eine "wunder"bare Sache.
    Dieser Beitrag kann Spuren von Ironie und Sarkasmus enthalten.

  • Du findest, dass es ein Glück ist, dass eine Lehrkraft Klassenarbeiten halten kann, die aus 2 MC-Fragen bestehen? Ich finde grade an solchen Punkten allgemein verbindliche Standards mit entsprechendem Ausgestaltungsrahmen sehr sinnvoll.

    Ach, es ist ein Dilemma: Der Kopf sagt "richtig so, ein bisschen Kontrolle und Vergleichbarkeit muss schon sein", der Bauch sagt "nicht schon wieder die Kacke..." - und an dich die Gegenfrage mit der Bitte um aufrichtige Antwort: Nervt dich die Respizienz nicht? Nicht so ein kleines bisschen? Oder gehörst du am Ende zu den sagenumwobenen Lehrkräften, die mit der Schulaufgabe schon den Erwartungshorizont erstellen...?

    • Offizieller Beitrag

    die Respizienz fand ich in BY gar nicht soo übel, nervig manchmal, je nachdem wie offensiv sie ausgeübt wurde. Selbst hätte ich nie Respizient sein wollen, nicht für Geld und gute Worte.

    Das implizierte Misstrauen war der prinzipielle Nervfaktor. In anderen BL geht es auch anders, ohne dass jeder völlig willkürlich sein eigenes Süppchen kocht.

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