Klassenfahrten nach UK unter den derzeitigen Rahmenbedingungen

    • Offizieller Beitrag

    Die Lehrerinnen sind nicht dafür verurteilt worden, dass sie die Gesundheit nicht schriftlich abgefragt haben, sondern dass sie den Schaden nicht abgewendet haben

    Nein, imho war das nicht so.

    Das erste Verfahren gegen alle aufgrund des Handelns Vor Ort wurde doch eingesteilt.


    Neu angeregt wurde es gegen die organisierenden Lehrerinnen, wegen unzureichender Vorbereitung.


    Zitat

    Die Lehrerinnen sollen sich vor der von ihnen betreuten mehrtägigen Fahrt nach London nicht schriftlich über die Vorerkrankungen der teilnehmenden 60 bis 70 Schülerinnen und Schüler erkundigt haben. Denn dann hätten sie gewusst, dass die 13-jährige Schülerin seit Jahren Diabetikerin war, die sich regelmäßig Insulin spritzen musste. Auch das Mädchen und ihre Eltern haben den Angaben zufolge nicht auf die Erkrankung hingewiesen

  • Ich habe nicht den ganzen Thread verfolgt, vielleicht wurde es schon gesagt: Ist bekannt, ob die Jüngere der beiden schon auf Lebenszeit verbeamtet war und welche beruflichen Konsequenzen sich nun ergeben?

  • Ich habe nicht den ganzen Thread verfolgt, vielleicht wurde es schon gesagt: Ist bekannt, ob die Jüngere der beiden schon auf Lebenszeit verbeamtet war und welche beruflichen Konsequenzen sich nun ergeben?

    Es wurde irgendwo von irgendwem gesagt, dass sie noch Beamte auf Probe war. Ich würde spontan mal nicht davon ausgehen, dass die noch in den Genuss der Lebenszeitverbeamtung kommen wird.


    Ob die ältere Lehrkraft aus dem Beamtenverhältnis entfernt wird, ist auch nicht ganz klar. Der Automatismus des §24 Beamtenstatusgesetz würde hier ohnehin nicht greifen, selbst wenn sie zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden wäre.

  • Nein, imho war das nicht so.

    Das erste Verfahren gegen alle aufgrund des Handelns Vor Ort wurde doch eingesteilt.


    Neu angeregt wurde es gegen die organisierenden Lehrerinnen, wegen unzureichender Vorbereitung.

    Das erste Verfahren gegen alle vier wurde nicht eröffnet, mit der Begründung, sie hätten nichts von Emilys Diabetes gewusst und es liege eine Verkettung unglücklicher Umstände vor.

    Dann wurde Anklage nur gegen die beiden Lehrerinnen erhoben, weil sie die Fahrt nicht sorgfältig vorbereitet hätten. Dieses zweite Verfahren wurde zunächst ebenfalls nicht eröffnet, weil die Lehrerinnen als medizinische Laiinnen auch dann nicht hätten erkennen müssen, dass ein Notfall vorlag, wenn sie von der Erkrankung gewusst hätten, es also auf Fehler in der Vorbereitung nicht angekommen sei. (Da sie die Notlage nicht erkennen konnten, kann man ihnen auch keine unterlassene Hilfeleistung vorwerfen.)

    Das OLG hat veranlasst, dass das Verfahren dennoch eröffnet wird, denn aufgrund der Garantenstellung sei eine Verurteilung wahrscheinlich. Garanten sind verpflichtet, Tatbestände vorausschauend zu verhindern, sonst können sie dafür verurteilt werden, hier also für fahrlässige Tötung. Ohne ihre Garantenstellung hätten die Lehrerinnen nicht verurteilt werden können, mit Garantenstellung reichen kleine Versäumnisse u.U. aber schon aus, nämlich wenn andernfalls der Tatbestand nicht oder wahrscheinlich nicht eingetreten wäre. Das Gericht musste also nun doch den kausalen Zusammenhang zwischen der mangelnden Vorbereitung und Emelys Tod feststellen, wofür die beiden Lehrerinnen ja selbst gesorgt haben.


    Wenn sie die Krankheiten schriftlich erfasst hätten, hätte man das erste Verfahren vielleicht eröffnet. Dann hätte man aufzeigen müssen, dass diejenigen Lehrer, die für die Betreuung von Emily direkt zuständig waren und sich daher über ihre Vorerkrankungen orientieren mussten, etwas hätten tun können, das geboten, möglich und zumutbar gewesen wäre und zur Vermeidung des Schadens geführt oder dies wahrscheinlicher gemacht hätte. Wäre das gelungen, hätte man diese Lehrer wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Das wäre aber wohl recht unübersichtlich geworden. Vermutlich wäre das Verfahren deshalb aus einem anderen Grund nicht eröffnet worden. Aber dagegen hätte der Vater ja auch Einspruch erhoben und das Ergebnis wäre möglicherweise letzlich dasselbe.


    Wenn die Lehrerinnen, die schließlich verurteilt wurden, den Kausalzusammenhang zwischen der mangelnden Vorbereitung und dem Tod Emilys nicht selbst hergestellt hätten, hätte er im Verfahren auf andere Weise hergestellt werden müssen. Vermutlich hätte man den beiden auch andere Fehler zur Last gelegt. Aber auch da hätte man eben aufzeigen müssen, dass die Lehrerinnen die Notlage erkennen konnten und damit handeln mussten. Die Schulleiterin war besser beraten und hat auf die Frage, ob die beiden anders gehandelt hätten, wenn sie gewusst hätten, dass Emily Diabetikerin war, geantwortet:"Das weiß ich nicht." Wer weiß, was herausgekommen wäre, wenn sich die beiden Kolleginnen auch an diese Linie gehalten hätten.

  • Gemeint sind sicher Topoi (von Sg. Topos für Motiv).

    nein, sind sie nicht. im englischsprachigen Internet wird der Begriff "trope" verwendet.


    Tropes beschreiben "certain conventions of fictional genres in narratives such as books, movies, and television shows. A trope is a storytelling device or convention, a shortcut for describing situations the storyteller can reasonably assume the audience will recognize." traditionell verwendete Beispiele sind "damsel in distress" oder "alles war nur ein Traum", aber auf tvtropes.org finden sich unendlich viele Beispiele. https://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/DamselInDistress. tropes sind dafür verantwortlich, dass man quasi nach 5 min RomCom schon genau weiss, wie die Story weitergeht und endet.


    da ich den Begriff nur aus dem Englischen kenne, habe ich ihn latinisiert und dekliniert. ich hatte auch kurz überlegt, ob die Deutsche Entsprechnung vlt "topos" ist, aber sie führen den Begriff auf "tropos" zurück und griechisch kann ich nicht ; )

  • Das OLG hat veranlasst, dass das Verfahren dennoch eröffnet wird, denn aufgrund der Garantenstellung sei eine Verurteilung wahrscheinlich. Garanten sind verpflichtet, Tatbestände vorausschauend zu verhindern, sonst können sie dafür verurteilt werden, hier also für fahrlässige Tötung. Ohne ihre Garantenstellung hätten die Lehrerinnen nicht verurteilt werden können, mit Garantenstellung reichen kleine Versäumnisse u.U. aber schon aus, nämlich wenn andernfalls der Tatbestand nicht oder wahrscheinlich nicht eingetreten wäre. Das Gericht musste also nun doch den kausalen Zusammenhang zwischen der mangelnden Vorbereitung und Emelys Tod feststellen, wofür die beiden Lehrerinnen ja selbst gesorgt haben. [...]


    Wenn die Lehrerinnen, die schließlich verurteilt wurden, den Kausalzusammenhang zwischen der mangelnden Vorbereitung und dem Tod Emilys nicht selbst hergestellt hätten, hätte er im Verfahren auf andere Weise hergestellt werden müssen. Vermutlich hätte man den beiden auch andere Fehler zur Last gelegt. Aber auch da hätte man eben aufzeigen müssen, dass die Lehrerinnen die Notlage erkennen konnten und damit handeln mussten. Die Schulleiterin war besser beraten und hat auf die Frage, ob die beiden anders gehandelt hätten, wenn sie gewusst hätten, dass Emily Diabetikerin war, geantwortet:"Das weiß ich nicht." Wer weiß, was herausgekommen wäre, wenn sich die beiden Kolleginnen auch an diese Linie gehalten hätten.

    Danke für das Auseinanderdröseln. ich habs nicht hingekriegt, das zu schreiben ; )

  • Nein Leute , das ist eine falsche Interpretation

    Es ist einfach so, dass ich auf der einen Seite das Recht habe zu schweigen, um mich nicht zu belasten. Auf der anderen Seite ist es aber bei der Bemessung der Strafe durchaus relevant, ob der Angeklagte Reue zeigt oder nicht. [...]


    An der Stelle komme ich zu einem anderen Punkt. Eigentlich würde ich von meinem Arbeitgeber erwarten, dass der mir eine solide Verteidigung stellt und auch bezahlt (denn die nehmen mehr als die Pflichtverteidiger), wenn es sich um eine Straftat handelt, die im Dienst begangen wurde. Ist aber leider nicht der Fall, zur Zeit

    wenn man das in neutrale Sprache verpackt, ergibt das Sinn, aber ich finde es mindestens mal hoch problematisch, wenn sich ein Richter zur obersten Moralinstanz aufspielt und so abfällige Kommentare Richtung Berufsstand macht, um dann explizit zu äußern, dass er sich über die Anwälte ärgert, um eine Strafe zu bemessen. wie gesagt, was er persönlich denkt, welche Probleme er in der Schule hatte und ob er voreingenommen ist, ist mir egal, weil man es eh nicht verhindern kann, aber dass er das auch noch äußert. das wirkt auf mich nicht gerade professionell.


    das mit dem vom Arbeitgeber bezahlten Verteidiger hab ich mich auch gedacht. wenn man mal überlegt, wie Unternehmen ihre problematischen GeschäftsführerInnen und Vorstandsvorsitzenden raushauen - kann man sich glaub ich sogar versichern. man sollte diesen Fall zum Anlass nehmen, dies in der nächsten Tarifrunde zu fordern. Auf der anderen Seite könnte das ein Grund sein, dass die Kolleginnen so unqualifizierte Verteidiger hatten - vielleicht sind die von der Diensthaftpflicht der Gewerkschaft bezahlt und die empfehlen wahrscheinlich eher ArbeitsrechtlerInnen als Strafverteidiger.

  • Schon, ja. Aber kann ein Gerichtsurteil darauf basieren, dass eine schriftliche Abfrage versäumt wurde, die gar nicht explizit verlangt wird?

    Weil mündlich nicht funktioniert, wie dieser Fall zeigt.


    Wenn man ein Bisschen drüber nachdenkt, kann so eine Abfrage nur schriftlich erfolgen. Dadurch hat man Klarheit, Verbindlichkeit und Dokumentation sichergestellt.


    Eine mündliche Abfrage im Plenum (die es im vorliegenden Fall wohl gegeben haben soll) kommt allein wegen Datenschutz nicht in Frage.

  • wer schreibt der bleibt. Dieser Ausspruch vom alten weißen Mann hat immer noch Gültigkeit. Das ist auch immer die Botschaft bei den Regelbegehungen. Alles dokumentieren.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Es gibt übrigens ein Szenario, dass wurde noch gar nicht diskutiert. Schon Mal drüber nachgedacht was passiert, wenn einer unserer Schüler eine Straftat im Ausland baut. Möglicherweise kommt Ihr ohne den Schüler zurück, weil der die nächsten sechs Monate in U-Haft sitzt. Wenn's ganz schlimm kommt, fährt der betreuende Lehrer ebenfalls ein.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Möglicherweise kommt Ihr ohne den Schüler zurück, weil der die nächsten sechs Monate in U-Haft sitzt.

    Die Aufsicht dürfte da aber gesichert sein.

    Wenn's ganz schlimm kommt, fährt der betreuende Lehrer ebenfalls ein.

    Das allerdings ist schon ein bisschen schwer vorstellbar. "Eltern haften für ihre Kinder" ist in jedem Rechtsstaat ein Traum von selbsternannten Blockwarten, aber kein Rechtsgrundsatz.

  • Oh ja… einer meiner Mitschüler wollte über die Gleise der Londoner U Bahn auf die andere Seite … es hieß damals er habe Einreiseverbot in GB danach. Immerhin hat er es überlebt. Und das war kein schwieriger Schüler, es war einfach eine total unüberlegte Dummheit.

  • Das allerdings ist schon ein bisschen schwer vorstellba

    Der begründete Anfangsverdacht der Aufsichtspflichtverletzung kann da schon reichen. Andere Staaten sind mit der Untersuchungshaft schneller als die Deutschen.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • ...in dieser Woche auch ein Schreiben der RLSchB erhalten, das darauf hinweist, dass die Abfrage erfolgen muss.

    Das meinte ich zu Beginn mit: "wird sich generell was ändern?" Offenbar bessern die Schulbehörden nun nach. Was eben zeigt, dass es ein Versäumnis gab und das nun an diesem Exempel statuiert wird.

  • Danke, jetzt verstehe ich langsam etwas mehr.

    • Offizieller Beitrag

    Das Gericht musste also nun doch den kausalen Zusammenhang zwischen der mangelnden Vorbereitung und Emelys Tod feststellen, wofür die beiden Lehrerinnen ja selbst gesorgt haben.

    Aber da es rechtlich gesehen keine Verpflichtung zur schriftlichen Abfrage gibt (sondern nur zur Abfrage), hat das Gericht die mangelnde Vorbereitung ungerechtfertigterweise erkannt. Also?

  • Aber da es rechtlich gesehen keine Verpflichtung zur schriftlichen Abfrage gibt (sondern nur zur Abfrage), hat das Gericht die mangelnde Vorbereitung ungerechtfertigterweise erkannt. Also?

    Mach’s mündlich, wenn dir das reicht. Ich glaube nicht, dass das geht.


    Die Kolleginnen müssen dich jedenfalls vorhalten lassen, dass sie sich die nötigen Informationen nicht so erhoben haben, dass sie die zur Hand gehabt hätten, als sie sie brauchten — bei der Planung und Durchführung der Fahrt.


    Aus der Verantwortung kann man ableiten, dass die Vorbereitung mit einer gewissen Sorgfalt erfolgt. Eine ordentliche, schriftliche Abfrage wird dieser Sorgfaltspflicht gerecht.


    Wenn ihr ein nicht-schriftliches Verfahren habt, bitte, macht das. In einer Gesprächsrunde darum zu bitten, die Hand zu heben, wenn man ein chronisch krankes Kind hat, ist aber vielleicht noch nicht das Optimum.


    Ich habe keine Ahnung, wie die Abfrage im vorliegenden Fall tatsächlich erfolgte. Aber sie sorgte eben nicht dafür, dass die Informationen vorlagen.

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

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