Warum Schulleitung?

  • Demnächst steht meine Dienstliche Beurteilung an für meine Bewerbung auf eine Schulleitungsstelle. Ich rechne mit der Frage nach meiner Motivation und würde mir da gern etwas zurechtlegen, was nicht unwahr ist, auch nicht zu platt, denn die tiefergehenden Gründe für meine Motivation mag ich nicht offenlegen - immerhin ist meine jetzige Schulleitung bei dem Gespräch ja auch dabei und das Thema auch zu komplex.

    Warum sind die Schulleiterinnen und Schulleiter hier in der Runde denn SL geworden? Was war eure Motivation?

    Alternativ: welche nicht zu nichtssagenden Gründe kann man anführen? Sowas wie „ich möchte Schule entwickeln“ ist irgendwie sehr visionär, nichtssagenden und es stellt sich die Frage, warum ich meine Energie zur Schulentwicklung denn nicht in meine jetzige Schule gesteckt habe? (Habe ich, aber warum ich mich wie im Hamsterrad dabei gefühlt habe, möchte ich nicht offenlegen).

    Kann mir wer helfen?

  • Huhu,


    ich bin keine Schulleiterin und kann dir in der Sache daher nicht so gut helfen. Dennoch meine ich, dass ich etwas beitragen kann, was anderweitig hilfreich sein könnte. Ich bin als ÖPR ja bei sehr vielen Bewerbungsgesprächen mit dabei.

    denn die tiefergehenden Gründe für meine Motivation mag ich nicht offenlegen

    Das ist natürlich dir überlassen, was du offenlegen magst und was nicht. ABER: In den allermeisten Fällen wird es bemerkt, wenn man (aus welchen Gründen auch immer) seine echten Motive hinter dem Berg hält. Je nachdem kann das dann auch dazu führen, dass ein Bewerber bevorzugt wird, der offen und ehrlich Auskunft gibt.


    Ich mache mal ein Beispiel: Wir haben vor Kurzem für eine offene Stelle zwei Damen interviewt. Eine davon hat ganz offen zugegeben, dass sie sich vor allem deswegen bei uns beworben hat, weil sie und ihr Lebenspartner in der Nähe gerade ein Haus bauen. Die andere Bewerberin war aus dem Einzugsbereich eines anderen RP und wir haben es, trotz mehrfacher Nachfrage, einfach nicht aus ihr herausbekommen, dass ihr Hauptanliegen ist, wieder zurück in die Heimat zu kommen. (Sie ist gebürtig von unserem Schulort.) Keine Ahnung, warum sie sich nicht getraut hat, das zu sagen. Vielleicht hat sie es als "unlauteres" Motiv eingeschätzt... Auf jeden Fall haben wir uns für die erste Bewerberin entschieden im Endeffekt.


    Vergangenes Jahr war bei den Bewerber*innen eine Person dabei, da hatte ich unterschwellig stark den Eindruck, dass ihre einzige Motivation für die Bewerbung war, erstmal überhaupt ins RP Freiburg zu kommen. Ich hab nach dem Gespräch, also als sie weg war, zum Schulleiter noch gesagt, dass ich stark vermute, dass sie uns als Sprungbrett benutzen will. Und genau so kam's. Im September bei uns angefangen und vor Weihnachten schon einen Versetzungsantrag an eine stadtnähere Schule gestellt. Der SL hat ihn natürlich abgelehnt, unter diesen Umständen. (Musste er auch, da sie sich ja schulscharf beworben hatte.)


    Ich frage mich da immer, wieso kann man das nicht offen und ehrlich sagen. Hören Sie, Herr XY, ich bin in Stuttgart (oder wo auch immer) total unzufrieden und möchte zu meinem Lebenspartner nach (hier Dorf bei Freiburg einfügen) ziehen und suche einfach eine Möglichkeit, irgendwie nach Freiburg zu kommen.


    Ich würde es in deinem Fall wahrscheinlich so machen, dass ich mir mal meine Motive aufschreibe und dann Formulierungen zu finden mit denen man das treffend aber neutral ausdrücken kann.

  • Kann mir wer helfen?

    Das kannst du nur selbst. Entweder du hast gute Gründe, warum du gerne Schulleitung werden möchtest und dich dafür als geeignet erachtest, dann kannst du sie auch mitteilen. Oder deine Gründe sind so, dass du sie keinem Gremium erzählen willst, dann sind es vielleicht nicht die richtigen. Ich würde mir darüber klar werden wollen, bevor ich es die nächsten Dienstjahrzehnte bereue, diesen Schritt aus den falschen Beweggründen heraus gegangen zu sein. Mit falsch meine ich etwas, das dich unzufrieden machen wird, weil du damit dann alleine dastehst, sobald du den Posten hast ("ich ärgere mich über meinen Schulleiter und will alles irgendwie besser machen" o.ä.).

  • Heißt es nicht immer: der Wille zu gestalten? Viele Schulleitungen leiden an Bestimmeritis.


    Ich stelle es mir gerne vor, wenn ich davon höre, wie die Kolleginnen, die es sich überlegen, zu Hause am Abendbrottisch sitzen und es mit ihrem Partner besprechen, oder jetzige Schulleitungen einmal da saßen, und abwogen, ob sie geeignet sind. Und ich denke dann: Wärest du doch ehrlich zu dir selbst gewesen! Wäre doch dein Partner ehrlich gewesen!


    Mir wäre die liebste Motivation: Den Lehrerinnen den Rücken freizuhalten, jährliche Sommerfeste und andere Aktionen abzublocken, für bessere Ausstattung und Arbeitsbedingungen zu kämpfen.

  • Mir wäre die liebste Motivation: Den Lehrerinnen den Rücken freizuhalten, jährliche Sommerfeste und andere Aktionen abzublocken, für bessere Ausstattung und Arbeitsbedingungen zu kämpfen.

    Witzig. Da unterschätzt du aber ganz gewaltig den Druck von weiter oben, wenn die Anmeldezahlen mangels Schulleben dahinschmelzen.

  • In unserem BL findest du online immer Bewerbungshinweise (vielleicht auch bei euch?), in denen Anforderungen an die Person (Kompetenzen), Aufgabenfelder etc. beschrieben sind. Wenn du so etwas intensiv durcharbeitest, deine Stärken und Interessen dort in etlichen Punkten wiederfindest, würde ich - an deiner Stelle - damit argumentieren.

    Darüber hinaus kennst du auch aus dem Alltag verschiedene Aspekte der Aufgaben der SL: Orga-Talent, Durchsetzungsstärke, Kommunikation und Moderation, Schulentwicklung... Was findest du da interessant, wo hast du Stärken, wo kannst und willst du dich da einbringen?

    Das sollte doch die Motivation sein und lässt sich so darstellen. Wenn das nicht die Motivation ist, wird's schwierig mit dem Argumentieren.


    PS: Du schriebst selbst: Nicht oberflächlich und platt "Orga" "Schulentwcklung" nennen, sondern konkret Ideen und Kenntnisse dazu einbringen.

    Tim Finnegan liv’d in Walkin Street
    A gentle Irishman mighty odd.

  • Witzig. Da unterschätzt du aber ganz gewaltig den Druck von weiter oben, wenn die Anmeldezahlen mangels Schulleben dahinschmelzen.

    In der Wirtschaft ist es nicht unüblich, unrentable Filialen abzuwickeln, um sich zu profilieren. Wär als Schulleitung mal was Neues...

  • Mir wäre die liebste Motivation: Den Lehrerinnen den Rücken freizuhalten, jährliche Sommerfeste und andere Aktionen abzublocken, für bessere Ausstattung und Arbeitsbedingungen zu kämpfen.

    Man kann die Schulleitung von mir aus gerne auch als Dienstleister für die Lehrkräfte verstehen. Die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen halten aber nicht nur effiziente, reibungsarme Abläufe als für ihre Berufszufriedenheit entscheidend, sondern auch das Schulklima, zwischenmenschliche Beziehungen, über den Unterricht hinausgehende Projekte und daraus entstehende Identifikation für wichtig.

    Wenn man also in Herr Bernds Sinne für das gesamte Kollegium Schule gestalten möchte, dann gehört es auch dazu, an manchen Stellen gegen den Willen einiger etwas zu etablieren und an anderer Stelle dann wieder Ansinnen weniger abzublocken - bzw. da die Mischung zu finden.


    Hinzu kommt, dass eine Schulleitung eben nicht nur für die Lehrkräfte, sondern für die ganze Schule da ist. Da gehören dann neben den Lehrkräften und ihren zurecht eingeforderten Arbeitsbedingungen eben auch insbesondere die Schülerinnen und Schüler dazu. Dann Eltern, Schulträger, nicht-pädagogische Mitarbeiter, ...

  • warum ich meine Energie zur Schulentwicklung denn nicht in meine jetzige Schule gesteckt habe? (Habe ich, aber warum ich mich wie im Hamsterrad dabei gefühlt habe, möchte ich nicht offenlegen).

    Ohne dich zu kennen und ohne selbst in der Schulleitung tätig zu sein: Die Sache mit dem Hamsterrad macht mich stutzig, ob deine Motivation denn wirklich die "richtige" ist. Bei uns an der Schule werden jetzt der Reihe nach 2 grosse Positionen in der Schulleitung frei und es beginnen wilde Spekulationen und Tratschereien im Lehrerzimmer, wer wohl nachrücken könnte. Und ob überhaupt jemand aus den eigenen Reihen. Ich hoffe es ehrlich gesagt, dass nicht. Zugleich bin ich selbst schon x mal drauf angesprochen worden (unter anderem von einem Mitglied der Schulleitung) und deswegen schreibe ich dir jetzt, warum ich es definitiv niemals machen wollte: Ich würde an meinem Aktionismus scheitern. Ich beobachte seit bald 10 Jahren, wie wir ein Fass nach dem anderen aufreissen und Projekte starten, aus denen sich eigentlich tolle Sachen entwickeln könnten. Und dann verlieren wir uns in kleingeistigen Prinzipienstreitereien und Partikularinteressen. Aus ganz viel Glanz und Gloria wird innert kürzester Zeit das grosse Phlegma und hinterlässt alle, die sich engagieren wollten, frustriert zurück. Ich war zu oft schon in irgendwelchen Arbeitsgruppen dabei, die am Ende nur den Zweck erfüllten, dass man sich Stunden für den Berufsauftrag aufschreiben kann. Wenn das dein "Gefühl" ist, dann denk noch mal sehr gut drüber nach, ob du dir Schulleitung wirklich antun willst. Es ist eine Kunst, kleine Schritte zu gehen und je grösser das Kollegium, desto schwieriger ist der Konsens zu finden. Ich kann vordergründig unglaublich diplomatisch sein, weshalb mich wohl so viele auch schon gefragt haben, ob ich nicht wollte. Wenn die Tür zum Fachschaftszimmer zugeht, bin ich aber regelmässig am Kotzen über das von dir erwähnte Hamsterrad und das wollte ich weder mir noch dem Kollegium auf Dauer antun.

  • Ich würde ja einfach sagen, dass ich gern ne Gehaltserhöhung hätte und es mir Spaß machen würde, andere zu beurteilen, im Mittelpunkt zu stehen und Gespräche mit der Verwaltung zu führen.

    Ich kenne jedenfalls nur wenige SL, die wirklich Schulentwicklung innerhalb der Schule betreiben.


    Vllt wäre auch eine schlechte Ehe ein guter Grund?

  • Ich denke, Du machst es Dir hier selbst viel zu schwer.

    Du willst sinnvolle Gründe haben, die nicht zu platt sind und nicht zu pathetisch klingen, gleichwohl willst Du Deine wahren Motive nicht offenlegen. Wer Schulleiter werden möchte, der möchte gestalten, entwickeln, leiten. Nicht jede/r Kanditat/in legt sich ganz genuine, einzigartige Gründe für die Frage, warum man Schulleiter/in werden will, zurecht.

    Die Bezahlung kann es nicht sein. (Keine 4 Euro netto zwischen meiner SL und mir...).

    Die Gestaltung klingt gut, ist aber realitätsfremd, weil man de facto Mangel verwaltet. Die drastische Wahrheit sprechen, verbietet sich da natürlich auch.


    Letztlich wird man wohl dann doch bei den drei von mir angesprochenen Bereichen landen - was will man den sonst anführen?

    Gruß
    #TheRealBolzbold

    Ceterum censeo factionem AfD non esse eligendam.

  • Die Gestaltung klingt gut, ist aber realitätsfremd, weil man de facto Mangel verwaltet. Die drastische Wahrheit sprechen, verbietet sich da natürlich auch.

    Wenn man das als sehender Mensch doch aber zuvor weiß, dass Gestaltung nicht wirklich geht, warum dann Schulleiter wirklich werden?

    Was wäre denn bei den meisten Chefs/Chefinnen wirklich der wahre Grund, wenn nicht Gestaltung/Gehalt?


    Der Respekt, den einem die anderen Lehrkräfte entgegen bringen (müssen)?

    Auf Augenhöhe mit Bürgermeistern sprechen?

    Das Mikro oft in der Hand?

    Das größte Büro?

  • Ist das so, dass man an deutschen Schulen als Schulleitung so wenig zur Schulentwicklung beitragen kann? Nach meiner Erfahrung hängt sehr viel von der Schulleitung ab. Meine Chefin hat dem Laden schon ziemlich krass den Stempel aufgedrückt.

  • Ich würde der Aussage bei Bolzbold nicht mal zustimmen, du kannst absolut gestalten. Die Frage ist, ob das wirklich die Motivation ist. Ich habe ehrlich keine Ahnung.

  • Es wäre für mich der einzige Grund das zu machen. Unser Lohnsystem ist an der Stelle ein bisschen paradox. Die Schulleitung hat zwar das bessere Lohnband, fängt dann aber bei Erfahrungsstufe 1 wieder an, was nicht selten dazu führt, dass die SL schlechter entlöhnt ist als die dienstältesten Lehrpersonen im Kollegium. Wie erwähnt weiss ich aber, dass ich soweit nicht käme, wie ich wollte. Das tu ich mir nicht an.

  • Antimon Du das ist bei uns nicht anders. Die SL kann bei Berücksichtigung von Kinderzuschlägen und Erfahrungsstufen deutlich weniger verdienen.

    Ich finde das alles auch total bekloppt aber hier im Forum sind Vielen Fairnis und Alimentation wichtig. Da landen Anreize, die das System stabilisieren könnten, oft nur auf dem 2. Platz des Treppchens.

    Bei SL-Stellen ist man oft froh, wenn es einen Bewerber oder eine Bewerberin gibt.

    Wenn die doppelt so viel wie normale Lehrkräfte verdienen würden (in der Wirtschaft eine völlig normale Relation), sähe das sicher anders aus.

  • Ich würde der Aussage bei Bolzbold nicht mal zustimmen, du kannst absolut gestalten. Die Frage ist, ob das wirklich die Motivation ist. Ich habe ehrlich keine Ahnung.

    Du brauchst ein stückweit IdealistInnen. Das hat meine Schulleitung mir auch so gesagt - sie brannte dafür. Ich nicht. Daher werde ich auch nicht Schulleiter.

    Theoretisch kannst Du gestalten. Praktisch geht das nicht ohne Dein Kollegium - und die freuen sich darauf, Arbeit zu machen, mit der Du der Schule Deinen Stempel aufdrücken kannst.
    Wenn Du gestalten willst, dann musst Du den Geist der Schule in Dich aufnehmen und entsprechend so gestalten, dass das Kollegium Dir auch bereitwillig folgt - und eben nicht wegen der vage in den Raum gestellten A14-Stellen.

    Gleichzeitig hast Du den kommunalen Träger, die BR, das MSB, Eltern, SchülerInnen, Lehrkräfte und sonst noch wen an der Backe. Wer das möchte - nur zu.

    Gruß
    #TheRealBolzbold

    Ceterum censeo factionem AfD non esse eligendam.

  • Danke auf jeden Fall für eure zahlreichen Beiträge. Tatsächlich ist es besoldungstechnisch gar kein Aufstieg :sterne:

    Ich bin mir schon sehr sicher, dass ich die nötigen Voraussetzungen mitbringe - in den Bereichen, in denen ich noch weniger Erfahrung habe, bin ich aber absolut lernbereit und gestehe mir dies auch zu. Aber viele eurer Anregungen haben mir wirklich weitergeholfen…


    Ich finde diese Diskussion dennoch sehr interessant, denn tatsächlich bleibt von außen gesehen die Frage, warum man sich das „antut“ (also generell SL): wenn überhaupt nur wenig Geld mehr als die normalen LK, dafür für alles den Kopf hinhalten müssen - warum macht man das? Also unabhängig von der Frage, ob man es kann? Warum erklärt man sich bereit, diese Aufgabe zu übernehmen, wenn es doch einfacher auch geht? Worin besteht die Attraktivität? Naja, im Grunde gibt es ja tatsächlich so viele offene Schulleitungsstellen, dass man vielleicht auch festhalten muss, dass die Attraktivität gering ist und nur wenige Visionäre (mit schlechter Ehe:teufel: ) sich das antun.

    Ich werde der Frage in den kommenden Tagen für mich noch mal gründlicher nachgehen, um eine Formulierung zu finden, die den zeitlichen Rahmen nicht sprengt und nicht zu pathetisch ist, ein bisschen ehrlich aber nicht verletzend für meine Sl usw…


  • Witzig. Da unterschätzt du aber ganz gewaltig den Druck von weiter oben, wenn die Anmeldezahlen mangels Schulleben dahinschmelzen.

    Richtig. Das ist nämlich der einzige Grund wieso zahlen sinken. Ohne Sommerfest kommt keiner 🤣🤣🤪🤪

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