NRW Work Life Balance vs. Feller Teilzeit

  • Allgemeine Anmerkung: Dies ist ein dienstrechtliches (arbeitsrechtlicher) Thema welches Beamte und Angestellte gleichermaßen betrifft. ( Vielleicht also eine Gruppe Dienstrecht allgemein hinzufügen) Jedoch sind Angestellte aufgrund unterschiedlicher Biographie häufiger betroffen, daher schreibe ich hier 🤷


    Was derzeitpassiert

    Jetzt war es soweit, kurz vor den Sommerferien wurden die Ablehnungen für die sogenannte voraussetzungslose Teilzeit rausgehauen. Ein Bestandteil aus dem Maßnahmenkatalog zur Sicherung der Unterrichtsversorgung. Nun gibt es Kollegen, die gesundheitlich beeinträchtigt sind, dies aber bis jetzt nicht angegeben haben, sondern von sich aus halt die Stundenzahl entsprechend angepasst haben.

    Diese sollen, so haben wir in der Gewerkschaft bei diversen Telefonhotlines erfahren, nun amtsäztlich untersucht werden.


    Wie gehts weiter?

    Ob sie bis zum Amtsarzttermin nach den Sommerferien dann erstmal mit ihren bisherigen Stunden starten ist noch unklar.


    Viele haben Teilzeit um nicht krank zu werden, was ist mit denen?

    Jetzt gibt es aber auch noch eine zweite Gruppe. Das sind die, die für sich im Rahmen der Work Life Balance für Teilzeit entschieden haben, da sie genau wissen, dass sie auf Grund diverser Belastungsfaktoren (familiäre Probleme, Belastbarkeit usw.) ein mehr an Stunden gesundheitlich nicht verkraften würden.

    Die haben bis jetzt alles richtig gemacht, da sie vorrausschauend sich richtig eingeschätzt haben und dementsprechend die Teilzeit angesetzt haben. Ansonsten sind sie bis jetzt gesund und dementsprechend gibt es es auch nur wenig ärztliche Expertise - bis jetzt. Wenn jetzt aber auf einmal 25 statt 14 Unterrichtsstunden verlangt werden, ist für diese KuKs absehbar, dass sie das auf Dauer nicht schaffen.


    Was tun?

    Viele denken schon an Kündigung (Lt. WDR haben schon 800 ( davon ,ich glaube 200 verbeamtet) den Job geschmissen.

    Es empfiehlt sich sofort Widerspruch einzulegen und auf die gesundheitliche Situation hinzuweisen. Idealerweise belegt durch ärztliches Attest. Wenn der Arbeitgeber nun dennoch auf die höhere Stundenzahl besteht (was jetzt kommt ist spezifisch für Tarifbeschäftigte) , gibt es zwei Schienen, die man parallel fahren sollte.


    Das Arbeitsrecht

    Zum einen sollte man einen im Arbeitsrecht versierten Anwalt einschalten, der dann gegen diese Weisung arbeitsrechtlich vorgehen soll. Grundlage ist hier das Teilzeit- und Befristungsgesetz, welches in der nachfolgenden Rechtsprechung erhebliche Hürden für eine Teilzeitverweigerung aufgebaut hat. So reicht beispielsweise der allgemeine Hinweis auf den Fachkräftemangel als Begründung nicht aus. Der Arbeitgeber muss vielmehr nachweisen, welche Bemühungen er angestellt hat, um die Teilzeit zu ermöglichen. Der Hinweis, dass die Einstellung von Kräften aus dem Bereich flexible Mittel nur bei Schwangeren möglich ist, aber nicht bei Ausfällen wegen Teilzeit, wird dem Arbeitsgericht nur ein müdes lächeln abgewinnen. Denn die Mittelbereitstellung ist für das Arbeitsgericht ein internes Problem des Arbeitgeber, das nicht zu Lasten des AN führen darf.


    An der Stelle unterscheidet sich Beamte und Angestellte. Recht. Die Verwaltungsrichter sehen dies für Beamte wahrscheinlich anders. Außerdem dauern verwaltungsgerichtliche Verfahren zu lange um hier zielführend zu sein.


    Darf ich mich krank schreiben lassen?

    Die zweite Schiene ist der gesundheitliche Aspekte. Wenn ich dann also erstmal nach den Sommerferien mit der vollen Stundenzahl anfange, werde ich wohl ziemlich schnell merken, ob es zu Beeinträchtigungen kommt. In diesem Fall sofort zum Arzt des Vertrauens und die Problematik besprechen. Dem Arzt signalisieren, dass man von sich aus ja extra Teilzeit gemacht hat, weil man andere belastende Faktoren nicht ausschalten kann. In diesem Fall kann der Arzt von einem Passus in den Krankschreibungsrichtlinien Gebrauch machen, der eine Krankschreibung auch dann vorsieht, wenn akut keine AU vorliegt, bei Verbleib im Arbeitsprozess aber eine solche droht. Leider gibt es in Deutschland keine Teilkrankschreibung, so dass man dann natürlich bis zur amtsärztlichen Entscheidung oder sogar bis zu einem Urteil für die Schule komplett ausfällt. C'est la vie🤷.


    Bei Beamten gibt es diese Möglichkeit auch. Das kann man dann optimal mit einem Antrag auf Teildienstfähigkeit verknüpfen. Stimmt der Amtsarzt dieser Teildienstfähigkeit zu, so hat das noch den Vorteil, dass man zusätzlich zur Teilzeitbesoldung auch noch einen happigen Aufschlag (Hälfte der Differenz zur Vollzeitstelle) erhält, den man vorher nicht hatte

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

    3 Mal editiert, zuletzt von chemikus08 () aus folgendem Grund: Überarbeitung nach berechtigter Kritik zum Layout

  • Sehr wichtiges Thema mit einigen hilfreichen Hinweisen deinerseits chemikus08 , deshalb meine Bitte, deinen langen Beitrag durch Absätze und auch Leerzeilen so zu gestalten, dass die Lesbarkeit erleichtert wird gerade auch für User: innen, die den Beitrag am Handy lesen. Vielen Dank.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Deutschlehrer stimmts? Du hast aber Recht. Habe mich gerade selber über die Bleiwüste erschrocken:D. War mir am Handy gar nicht so aufgefallen.

    An alle Deutschlehrer:
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  • So, ich hoffe jetzt ist es besser:wink_1:

    An alle Deutschlehrer:
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  • (Lt. WDR haben schon 800 ( davon ,ich glaube 200 verbeamtet) den Job geschmissen

    Wow. Das dürfte zumindest bei den Beamten - so die Zahl stimmt - eine Steigerung um mehrere 100 Prozent darstellen.

    Wenn das KM da nicht bald aufwacht, dann ist denen wohl nicht mehr zu helfen.

  • Ein Hinweis noch für die behinderten (GDB 30 und 40) und schwerbehinderten KuKs


    Wer schwerbehindert ist, hat Kraft Gesetz SGBIX einen Anspruch auf Teilzeit, das reicht als Begründung. Wnn die Dienststelle was anderes behauptet legt Widerspruch ein und kontaktiert Eure Schwerbehindertenvertretung (Achtung: Kein Nachteilsausgleich ohne Nachweis, die Schwerbehinderung muss angezeigt werden unter Vorlage des Schwerbehindertenausweises)


    Anders sieht es bei den behinderten Lehrkräften aus (Gdb 30 bis 40). Diese haben diesen Anspruch nur, wenn sie durch das Landesarbeitsamt gleichgestellt sind. Hierzu ist ein entsprechender Gleichstellungsantrag zu stellen. Da die sich immer etwas korintenartig beim Landesarbeitsamt anstellen ist die Begründung wichtig. Damit ich den und den Nachteilsausgleich kriege reicht nicht. Der Arbeitsplatz muss gefährdet sein. Also: Ohne Gleichstellung erhalte ichkeine Teilzeitgenehmigung. Bei Vollzeit droht Dienstunfähigkeit / Arbeitsunfähigkeit. Den Beamten könnte es passieren, dass Ihr trotzdem eine Ablehnung bekommt, denn es gibt auch ohne Nachteilsausgleich das Recht auf Teildienstfähigkeit. Darauf könnten sie verweisen. Bei Angestellten sollte dieser Weg aber funktionieren.


    (Sorry für den Konjunktiv. Das ist aber leider die traurige Erfahrung die wir im Schwerbehindertenbereich machen, dass die Deutungshoheit der Vorschirften zunächst bei den Sachbearbeitern liegt und da ist die Spannbreite was bei gleicher Fallkonstellation raus kommt sehr hoch. Nicht umsonst gehen 50 %aller Verfahren beim Sozialgericht zu Gunsten des Klägers aus.)

    An alle Deutschlehrer:
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  • Deutschlehrer stimmts? Du hast aber Recht. Habe mich gerade selber über die Bleiwüste erschrocken:D. War mir am Handy gar nicht so aufgefallen.

    Nö, bin keine Deutschlehrkraft.^^ Ich möchte nur einfach, dass so ein wichtiger Beitrag nicht einfach deshalb überlesen wird, weil er gerade am Handy etwas schwerfälliger ist infolge seiner Länge. (Ich übersehe gerade am Handy solche Dinge auch manchmal und muss dann später bearbeiten, wenn es mir am Tablet auffällt.) Vielen Dank für die Bearbeitung und deine Hinweise.:danke:

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    • Offizieller Beitrag

    Wow. Das dürfte zumindest bei den Beamten - so die Zahl stimmt - eine Steigerung um mehrere 100 Prozent darstellen.

    Wenn das KM da nicht bald aufwacht, dann ist denen wohl nicht mehr zu helfen.

    Die sind ja so gesehen bereits aufgewacht, waren erschrocken und haben dann die falscheste Maßnahme ergriffen, die man ergreifen kann.

    Gleichwohl ist es irgendwo nachvollziehbar, dass man aus dem vorhandenen Personal herausquetscht, was geht, weil LehrerInnen nun einmal nicht auf Bäumen wachsen.

    Hätte Feller gesagt, dass wir die nächsten Jahre mit Unterrichtsausfall, Kürzungen in der Stundentafel etc. leben müssen, weil LehrerInnen eben nicht auf Bäumen wachsen, wäre das zwar in unserem Sinne gewesen, politisch aber eben nicht wünschenswert - und alles andere als opportun. Akute Missstände werden immer der jeweiligen Regierung angelastet und eben nicht den Vorgängerregierungen.

  • Die sind ja so gesehen bereits aufgewacht, waren erschrocken und haben dann die falscheste Maßnahme ergriffen, die man ergreifen kann.

    Gleichwohl ist es irgendwo nachvollziehbar, dass man aus dem vorhandenen Personal herausquetscht, was geht, weil LehrerInnen nun einmal nicht auf Bäumen wachsen.

    Hätte Feller gesagt, dass wir die nächsten Jahre mit Unterrichtsausfall, Kürzungen in der Stundentafel etc. leben müssen, weil LehrerInnen eben nicht auf Bäumen wachsen, wäre das zwar in unserem Sinne gewesen, politisch aber eben nicht wünschenswert - und alles andere als opportun. Akute Missstände werden immer der jeweiligen Regierung angelastet und eben nicht den Vorgängerregierungen.

    Letztlich zieht NRW mit dieser Maßnahme ja auch nur nach. Hier in BW ist das alles bereits Realität und damit stehen wir sicherlich nicht alleine da bundesweit. Ich vermute, das wird in den kommenden zwei Jahren in allen BL eingeführt werden, in denen das nicht bereits Usus ist.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Die Maßnahmen wären vielleicht noch akzeptabel, wenn sie kurzfristiger Natur wären. Leider ist die Karre so in den Dreck gefahren, dass man sie nur durch zerlegen wieder raus bekommt.


    Will heißen statt die Mitarbeiter zu vergraulen und potentielle Bewerber abzuschrecken hilft nur die Notbremse.

    Schluss mit gebundenem Ganztag

    Schluss mit gemeinsamen lernen

    Verkürzung der Stundentafeln

    Natürliich bei gleichzeitiger Kürzung des Lehrplans

    Für jede Schule einen Schulverwaltungsassistenten und zwar ohne Anrechnung auf Lehrerstellen


    Das wären beispielhaft Maßnahmen die jetzt passieren müssten. Alles andere führt zur Abwärtsspirale🤷

    An alle Deutschlehrer:
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    Das Argument ist allerdings relativ schwach, wenn man bedenkt, dass es 212000 Lehrer in NRW gibt.

    Ich glaub niemand macht sich Sorgen, wenn er hört, dass 0,4% der Arbeitnehmer in irgendeinem Bereich gekündigt haben. Eigentlich ist das sogar eine super Quote. ;)


    Zudem ist bei dieser Angabe auch nicht aufgeschlüsselt, wie viele von den Kündigungen abgebrochene Seiteneinstiege, Vertretungsstellen, etc. sind.


    Das ändert natürlich nichts daran, dass die NRW-Maßnahmen zur "Lehrkräftegewinnung" eine Vollkatastrophe sind, aber mit dem Kündigungsargument schadet man bei den derzeitigen Zahlen eher der Kritik an den Maßnahmen.

  • kodi

    Die ist aber schon klar, dass dies erst der Anfang ist von den ganz Mutigen. Jetzt kommen noch die hinzu, die bis jetzt in keiner Statistik stehen. Nämlich die, die die Kröte geschluckt haben und jeden Tag mehr überlegen, ob sie in den Sack hauen. Die Zahl der KuKs diei einem dies in der Beratung erzählen hat deutlich zugenommen. Möglicherweise überlegen die sich auch andere Exit Strategien. Die Zahl der Amtsarztbesuche und BEM Verfahren hat auch nach Berichten von Kollegen aus anderen Personalräten deutlich zugenommen.

    An alle Deutschlehrer:
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  • Das Problem ist doch, so einen Ausstieg muss man sich finanziell leisten können. Und so wahnsinnig viele Alternativen hat man ja so nicht als Lehrkraft.

    Richtig.


    Mich betrifft das Thema zum Glück nicht, aber nach 8 Jahren Schule (inklusive Referendariat) ist man auch mit Mathe und Physik nur noch mäßig gefragt außerhalb der Schule.

  • state_of_Trance

    In der Forschung sicherlich nicht. Aber in Bereichen wie innerbetrieblicher Umweltschutz, Aufsichtsperson bei der Unfallkasse oder den staatlichen Umweltämtern usw. steht immer wieder was drin. Da muss Du Dich eh neu reinarbeiten. Das hatte keiner im Studium und hochtrabende Physikerechnungen werden da auch nicht mehr verlangt.

    An alle Deutschlehrer:
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  • Der weitaus häufigere Weg, insbesondere in fortgeschrittenerem Alter, dürfte der Exit über Dienstunfähigkeit sein. Oder, im ersten Schritt, über signifikant steigende Krankheitsphasen zur Regeneration im laufenden Betrieb.


    Ich denke, diese Maßnahme ist kurz gedacht und wird die Probleme nur verschärfen.

  • Im Grunde ist es ganz einfach: Die Politik muss sich ein paar dringender Fragen stellen, der derzeit nicht ausreichend berücksichtigt werden:

    1. Werden vorhandene Personalressourcen sinnvoll benutzt?

    2. Gibt es nachvollziehbare Gründe, die eine Erhöhung der Personalressourcen verhindern? Auf gut Deutsch: Welche Gründe bringen junge Leute hervor, die sich gegen das Lehramt entscheiden?

    3. [entfernt, da zu Missverständnissen geführt]

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