Was in norddeutschen Studienseminaren gerade so abgeht

  • Ja, ist er immer noch.

    Kannst du die verlinkten Artikel denn ein Stück weit einordnen vor dem Hintergrund deiner Erfahrungen an diesem Seminar, aber auch deiner bisherigen Berufserfahrung?


    Dafür, dass offenbar derart umfassend berichtet wird über die beiden betroffenen Studienseminare bleibt es inhaltlich doch eher dünn, wenn es darum geht auszuführen, wo genau der Schuh klemmt. Einfach nur Durchfallquoten einzelner Jahrgänge herauszuziehen ohne Kenntnis der individuellen Hintergründe des Nichtbestehens oder Abbrechens zu kennen ist meines Erachtens unseriös (dafür habe ich genügend an meinem Seminar- mit rund 10% Abbrechern/ Nichtbestehern im Kurs- mitbekommen über derartige Vorgänge, um zu wissen, dass das von außen schnell als unfair und intransparent empfunden wird, obgleich die Einzelfälle jeweils glasklar und transparent waren). Auch Begriffe wie "traumatisierend" fallen meines Erachtens an vielen Stellen eher unreflektiert, weshalb ich mich frage, was genau denn systematisch falsch läuft/ laufen soll an diesen Seminaren und nicht nur in einem oder zwei Einzelfällen. Vielleicht kann der/ die TE angstvorrepressalien das auch einfach etwas substantieller und differenzierter gestalten (angefangen mit einer Änderung des Threadtitels, geht es doch nicht pauschal um "norddeutsche Studienseminare", sondern lediglich um zwei Seminare in Oldenburg).

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    • Offizieller Beitrag

    ich habe vor über 10 Jahren mein Ref an einem anderen, nicht weit entfernten Seminar absolviert und genauso wurde auch über das Seminar gesprochen (und es stimmte soweit, ich könnte die Artikeln zu meiner Zeit dort nehmen). Wir hatten einen Abbrecher aus Oldenburg gehabt (der dann bei uns abgebrochen hat).
    Ich bin zwiegespalten zwischen "was ist hart und schlimm" und "hören wir mal bitte auf, Alle in Watte zu packen" (eine von mir beobachtete Entwicklung)


    Ich habe sehr viel geweint, es war eine verdammt harte Zeit, mein (jetziger) Mann musste echt viel durchmachen, ich bin wochenlang nachts in Tränen aufgewacht, aber es liegt an meiner schlechten Verarbeitung und fehlenden (gesunden) Distanz und dessen war ich mir zu dem Zeitpunkt schon bewusst. Keiner hat mir was Böses gesagt (aber auch nichts Nettes). Ich habe also 14 Monate gezappelt, um am Ende eine gute Vornote zu bekommen und damit unter den besten des Jahrgangs... aber ich habe 14 Monate lang geglaubt, super schlecht zu sein.
    Ich war PR' und viele haben am Ende gesagt, es sei die schlimmste Zeit ihres Lebens gewesen und ich habe nur gedacht "Mensch hattet ihr ein nettes Leben bisher". (Was auch stimmt. Dorfkinder, die für 5 Jahre (und kein Tag mehr) unter der Woche an der Uni waren (in Oldenburg :D für die meisten, einige "mussten" zum weiter entfernten Osnabrück, puhhh...), und jetzt zurück zum Dorf kamen...

    Ich habe in meiner Zeit dort 2 mal Durchfallen (und danach bestanden), 2 mal Durchfallen mit Abbruch (ist also endgültig...), 1 mal endgültiges Durchfallen und 3 Abbrüche miterlebt. Wir waren insgesamt auf drei Jahrgängen verteilt maximal 75, also doch eine satte Quote.
    Es herrschte einfach Angst (die die Leitung womöglich als Respekt empfand). Weil eben NIE "positiv" gearbeitet wurde. Grundsätzlich: ohne Wörter, die je auf eine Note zurück schließen lassen könnten, also nie das Wort "gut" benutzt, und der hierarchische, formale Gedanke war einfach das wichtigste. Und dadurch war keine Kultur des Lernens und Entwickelns da.
    Strukturell liegt einiges schief in den Studienseminaren allgemein, aber ich glaube, dass die Erwartungen der Referendar*innen auch zu hoch sind. Das Referendariat ist das Einfügen in das Beamtenverhältnis und da muss man von Anfang an wissen, wie der Wind weht. Dann weiß man genau, ob man für immer in so einer Struktur sein will.

  • Meine Erfahrungen zur Benotungs-Kultur an einem Studienseminar in Niedersachsen (Gy, vor 20 Jahren):

    Als wir zur Hälfte unserer Ausbildungszeit ein Grillen veranstalteten, sagte der stellvertretende Seminarleiter: "Von Ihnen wird niemand durchfallen. Sie können es. Das wissen wir mittlerweile." Das sollte sich zumindest für den ersten Teil der Aussage bewahrheiten.


    Er sagte aber auch Folgendes: "Jeder Fachleiter bekommt seine Note." Ist er also der Ansicht, die erbrachte Leistung in der Lehrprobe war "sehr gut" oder "mangelhaft", dann wird letztlich auch so bewertet. So viel zur Demokratie der Notengebung!


    Über das Studieneseminar Meppen wurde auch an unserem Seminar von ganz oben sehr abfällig gesprochen. Es hieß, dort würde mit der Selbstmordrate unter den Referendaren regelrecht geprahlt!

    • Offizieller Beitrag

    Mit deinem letzten Absatz meinst du der Fachleiter, der die "Prüfungskommission" dann für "seine" Stunde lenkt?

    Das kann ich für mein Seminar genauso bestätigen. Was mein zweiter Fachleiter zu meiner Französischstunde als Begründung gelabert hat (sorry für den Ausdruck, ist nichts Anderes und spätestens da hatte ich keinen Respekt mehr), nachdem er mir 18 Monate lange immer wieder gesagt hat, KEIN Wort Französisch zu können (natürlich mit französischem Akzent) und nur Pommes bestellen zu können "des pommes s'il vous plaît" (hahahahaha)... er hat weit und breit erklärt, warum er sich der Fachleiterin anschließt, was ihm alles an Qualität gefehlt hat, die sprachliche Tiefe hier und da, blablabla...

    Da ich in einigen Examensstunden und -besprechungen (offizieller Teil) anderer Reffis saß, hatte ich es schon gehört...

    • Offizieller Beitrag

    Über das Studieneseminar Meppen wurde auch an unserem Seminar von ganz oben sehr abfällig gesprochen. Es hieß, dort würde mit der Selbstmordrate unter den Referendaren regelrecht geprahlt!

    Dank der neuen Leitung ist sie gesunken...
    Mann durfte dann auch Jeans tragen. (ob es eine Korrelation mit Abbrüchen und Selbstmorden gibt, weiß ich nicht. Obwohl ich als Frau gedurft hätte, habe ich glaube ich 90% der Zeit schwarze Stoffhosen oder Rock getragen, die ich mir neu gekauft hatte, Organisationen haben Regeln )

  • Über das Studieneseminar Meppen wurde auch an unserem Seminar von ganz oben sehr abfällig gesprochen. Es hieß, dort würde mit der Selbstmordrate unter den Referendaren regelrecht geprahlt!

    Bösartig. Da ich nicht weiß, was unter den schwammigen Formulierungen "von ganz oben" und "es hieß" zu lesen ist, gibt es verschiedene Möglichkeiten der Bösartigkeit:

    1. von der Person, die wirklich geprahlt hätte

    2. von der Person, die das so von oben herab formuliert

    3. von dem Seminar, wenn das dort wirklich die Haltung wäre oder

    4. von denen, die dieses bösartige Gerücht (wenn es das ist) in die Welt setzen.

    ...


    Also in jedem Fall bösartig, indiskutabel, verletzend etc. Egal von welcher Seite das kommt. Es lässt sich von Außen nicht feststellen, welche Variante der Bösartigkeit vorliegt, daher halte ich es für problematisch, dies hier als Haltung "von ganz oben" oder dem Studienseminar Meppen zu deklarieren.

    Tim Finnegan liv’d in Walkin Street
    A gentle Irishman mighty odd.

  • Über die Willkür der Benotung kann ich auch aus 1. Hand berichten:


    Ein Referendar hatte seine Examenslehrprobe. Auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin war ich zugegen.


    Er machte Gruppenarbeit (in meinem Examensdurchgang waren Gruppenarbeiten untersagt worden; man wollte die Lehrenden stärker in Aktion sehen!). Für die Sicherungsphase hatte der Referendar eine Schülerin auserkoren, welche die Ergebnisse auf einer OHP-Folie sicherte. GLEICHZEITIG schrieb er die Ergebnisse auf der Tafel dahinter "ins Reine".

    Mir wurde unwohl während der Stunde. Für mich war diese Vorgehensweise Überformung und Entwertung in Reinkultur. Wer leitete diese Phase? Die Schülerin? Doch der Lehrer?

    In der Besprechung der Stunde wurde dieser Sachverhalt mit keiner Silbe erwähnt. Für die "angestrebte" Note wäre dies wohl hinderlich gewesen.

  • Ich hoffe doch, dass manches 10 oder 20 Jahre später anders läuft an Seminaren, nicht nur infolge von Personaländerungem, sondern auch weil sich inhaltlich etwas getan hat.

    An meinem Seminar wurde - vor 3 Jahren - darauf Wert gelegt, dass bei aller berechtigten Kritik möglichst konstruktiv und wertschätzend gearbeitet wurde. In Einzelfällen hat das zwar nicht geklappt, im Regelfall aber durchaus. Hinweise von uns Seminarsprechern in diesem Bereich wurden SEHR ernst genommen, nachdem es am Ende des Vorgängerkurses zu einem Suizid gekommen war nach einer nicht bestandenen Lehrprobe. Es gab auch davor schon Coachingangebote und eine ausführliche Beratung gerade bei drohende Nichtbestehen. Das wurde aber noch deutlich ausgebaut, um sicherzustellen, dass niemand im Ref gebrochenen wird.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    2 Mal editiert, zuletzt von CDL () aus folgendem Grund: Autofillpannen

    • Offizieller Beitrag

    Mein Fazit nach dem Ref in NDS (2006-2008):


    Nicht halb so gruselig wie von Anderen vorhergesagt (aber ich hatte auch die 40 überschritten und hatte 4 Kinder, daher war die Vorstellung, von 8-17 Uhr zu hospitieren (!) die eines gechillten und geregelten Tages, nicht der Horror der Hochschulabgänger :sofa:)


    aber völlige Intransparenz, was die eigenen Leistungen angeht, bzw. den eigenen Notenstand. Da wurde, wie oben schon beschrieben, um eine konkrete Aussage herumgeeiert, dass es schon fast zum Fremdschämen war.

    Erstaunlicherweise profitiere ich von manchen Tipps meiner Fachleiter immer noch "Ego eos absolovo"

  • Vieles sind Legenden, die seit Jahrzehnten weitergegeben worden sind. Wie bei den meisten Legenden ist ein Kern Wahrheit vorhanden: die Geschichten in Meppen waren schon zu meiner Studienzeit bekannt und nicht mehr aktuell. Es gab tatsächlich ein oder zwei Suizide unter den Referendaren und der Seminarleiter hatte den Spitznamen "Der Henker von Meppen", das war aber vor ca. 40 Jahren.


    In Niedersachsen liegt sehr viel in der Hand der Fachleiter und da gibt es an jedem Seminar 20-25. Wie es an fast jeder größeren Schule problematische Lehrkräfte gibt, so gibt es auch problematische Fachleiter. Ich glaube aber nicht, dass die Quote in Niedersachsen insgesamt überproportional hoch ist.

  • Es geht in dem ersten Artikel um das Seminar fürs Gymnasiallehramt. Das ist direkt neben dem BBS-Seminargebäude. Wir sind/waren zwar manchmal in deren Räumen, aber mehr Berührungspunkte gibt es nicht. Anekdote: Uns (BBS-LiV) wurde untersagt, durch das Gebäude (Gym-Seminar) zu gehen, um die Räume aufzusuchen, in denen wir unsere Seminarsitzungen hatten. Wir wurden von der Gym-Seminarleitung gebeten, draussen zu warten, bis jemand den Schlüssel für den Hintereingang hatte. Einmal wurden wir sogar von deren SL in persona abgefangen und durch die Vordertür wieder rausgeschickt. Kein Gerücht. Das betraf eine Kollegin und mich. Muss man sich mal vorstellen.


    Der zweite Artikel ("Jetzt gerät auch...") ist übrigens von der NWZ vorläufig entfernt worden. Da geht es um das BBS-Seminar.

    Ich bin im PR, deswegen möchte ich hier nicht Stellung nehmen. Wohl aber kann ich sagen, dass es schwierig ist, eine LiV dazu zu bewegen, offen (also nicht anonym) auszusprechen, wenn etwas nicht gut läuft. Was ich absolut nachvollziehen kann. Also erzählt sie es dem PR. Der darf aber wohl eher nicht mit der Presse reden, anders als die Seminarleitung.

    Auf der Homepage des Seminars findet sich eine Stellungnahme der Seminarleitung.

  • Ich habe selbst nie ein Referendariat gemacht, aber ich finde es sehr seltsam, wenn Menschen, die angehenden Lehrern beibringen sollen, wie man unterrichtet, dieses Wissen nicht selbst anwenden!!

  • Ich habe selbst nie ein Referendariat gemacht, aber ich finde es sehr seltsam, wenn Menschen, die angehenden Lehrern beibringen sollen, wie man unterrichtet, dieses Wissen nicht selbst anwenden!!

    Menschen handeln nicht selten bigott, ohne es zu merken. Ja, auch Lehrer sind betroffen.

    Einmal editiert, zuletzt von Lempira ()

  • Aus meinem damaligen Seminar kann ich absolut alles bestätigen, was oben angeprangert wird. Nicht nur das Studienseminar, auch der Amtsarzt genießt einen gottgleichen Status ohne jegliche Kontrollinstanz und können ihre machtgeilen Spielchen ausleben wie sie wollen.


    Ein paar Anekdoten (mehrerer!) Fachleiter/innen aus meinem Seminar:
    1. FL1 hasst FL2 und wenn beide zusammen in der Besprechung saßen wurde deren Hass auf brutalste Art und Weise am Reffi ausgelassen.

    2. FL2 lässt mehrere sehr eindeutig sexuelle Sprüche fallen und betont direkt im Anschluss, dass sein Wort dafür sorgen kann, das 5 Jahre + 1,5 Jahre Ref umsonst waren. Danach betont er ebenfalls, dass er auch dafür sorgen kann, gut durchs Referendariat zu kommen wenn man sich entsprechend fügt.

    3. FL3 verlangt von Reffi, dass dieser seinen Urlaub in den Ferien cancelt, da niederes Fußvolk anzutanzen hätte, wenn die Obrigkeit (hier die FL) das so wünschen (Das Wort Fußvolk wurde auch explizit erwähnt).


    Die Quote von menschlichen Vollar***** in meinem Seminar würde ich auf mindestens 70% schätzen, wenn nicht noch höher. Das betraf sowohl junge, als auch ältere FL.


    Amtsarzt ist eine ähnliche, wenn nicht sogar noch perversere Konstellation. Da es keine genormte Untersuchung gibt und dieser einem alles mögliche andichten kann, ist man auf Gedei und Verderb dem Wohlwollen ausgeliefert. Ich sage nur "Oh Sie haben leicht erhöhten Blutdruck... da schicke ich Sie zuerst mal zu einem Facharzt. Oh Sie sind zu dick/dünn/whatever, da muss ich aber erstmal monatelang prüfen, ob das im (verb.) Staatsdienst Sinn macht".


    Ich habe dort Dinge erleben müssen, dass ich mittlerweile der festen Überzeugung bin, dass purer Sadismus eine Grundvoraussetzung für eine FL/Amtsarztstelle sind. Was die verbrannte Erde in unserem Bezirk hinterlassen haben.


    Bei der Anzahl an Menschen die dort drangsaliert wurden wundert es mich wirklich, dass es dort (noch) zu keiner Selbstjustiz gekommen ist. Bei mir persönliche hätte nur noch ein Funke gefehlt und ich wäre eingewandert, wenn ich einem von den menschlichen Versagern nachts über den Weg gelaufen wäre.

  • Sorry, diese Teile deines Posts sind komplett daneben.

    Tim Finnegan liv’d in Walkin Street
    A gentle Irishman mighty odd.

  • Mann durfte dann auch Jeans tragen.

    Vorher nur in Unterhose?


    Sorry, aber wieso hat man bei Selbstmorden (Plural? 😵) einfach zugesehen? Wer hat denn hier alles die Fürsorgepflicht verletzt?

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