• Finde den Fehler. Wir können nicht auf der einen Seite davon schwätzen, dass mehr Frauen arbeiten gehen sollen, Gleichberechtigung, blabla, und auf der anderen Seite finden, die Eltern kümmern sich zu wenig.

    Ich sehe keine derartige Korrelation zwischen der beruflichen Belastung der Eltern und der häuslichen Förderung der Kinder, eher das Gegenteil.

  • Aber ich weiss natürlich, dass ich hier recht alleine dastehe mit der Meinung, es müsste viel mehr an der Schule und viel weniger zu Hause erledigt werden.

    Nein, damit stehst du nicht alleine da.


    Insbesondere die kinderhabenden Kolleginnen haben mir dafür hier noch immer die Augen ausgekratzt. Natürlich sind das die gleichen, die das mit dem Gendern ganz wichtig finden und überhaupt... Gleichberechtigung!!!

    Welche meinst du?

  • Ich sehe keine derartige Korrelation zwischen der beruflichen Belastung der Eltern und der häuslichen Förderung der Kinder, eher das Gegenteil.

    Erklärst du dem Kind der alleinerziehenden Mutter, die die letzten 20 Jahre bis zur Rente an 13 verschiedenen Einsatzorten geputzt hat. Meine Mutter hätte gar keine Zeit gehabt, mir Referate zu schreiben. Von den meisten Fächern, die ich am Gymnasium so hatte, hatte sie sowieso keine Ahnung, mehr als Lesen, Schreiben und Rechnen hat die in 8 Jahren Volksschule nicht gelernt. Die hat sich nur zeigen lassen, dass ich überhaupt was gemacht habe und ich finde, das sollte absolut ausreichend sein. Der Rest muss in der Schule passieren.

  • Ich weiß, dass ich jetzt ganz weit zurückgreife (Seite 7 oder so), aber ich würde die Schulproblematik gerne einmal aus Sicht eines Elternteils schildern.


    Hier im Umkreis gibt es in unserer und den drei Nachbarstädten noch genau vier Realschulen, eine davon läuft alsbald aus. Es gibt mehrere riesige Gesamtschulen (ich habe sieben Jahre an einer dieser Gesamtschulen gearbeitet und habe somit einen guten Einblick). Die Förderschulen wurden größtenteils dichtgemacht. Hauptschulen mit einer Laufzeit von > 2 Jahren gibt es noch zwei.


    Unsere Stadt hat mittlerweile eine über 90% ige Quote von Säuglingen mit Migrationshintergrund, der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund (myself included) liegt bei knapp 40% . Die für uns am nächsten liegenden Grundschulen (zu Fuß erreichbar) erreichen eine Migrantenquote von 75-90% (tabellarisch aufgelistet in einem Dokument des Landtags aus dem Jahr 2018, dürften jetzt noch mehr sein). Die Arbeitslosenquote liegt bei etwa 8 Prozent.


    Folgendes passiert: Nach der Grundschule versucht man verzweifelt sein Kind, wenn es irgendwie geht, auf's Gymnasium (zur Not auf die Realschule) zu pushen, da die Zustände an den hiesigen Gesamtschulen (und Sekundarschulen) eklatant schlecht sind: Schlechte Durchmischung was die Schulempfehlungen/wahrscheinlichen Schulabschlüsse sowie die Herkunft (Migration/Nicht-Migration) betrifft, überbordende Inklusions- und Integrationsaufgaben, soziale Probleme und abwandernde (flüchtende?) Lehrpersonen und eklatanter Lehrermangel. NIcht ein mir bekannte/r Kollege/Kollegin von einer Gesamtschule (z.B. meiner alten mit immerhin knapp 120 KuK) würde jemals freiwillig seine Kids auf eine Gesamtschule schicken, solange es noch andere Optionen gibt.


    Die Realschulen und Gymnasien können sich vor Zulauf kaum retten und grasen alles ab, was - polemisch dargestellt - theoretisch nach der vierten Klasse seinen eigenen Namen korrekt buchstabieren kann. Alle anderen kommen auf die Gesamt-/Sekunder-/Hauptschulen, deren Niveaus, wenn man lokalen Betrieben Glauben schenken kann, unterirdisch sind.


    An den Grundschulen sieht es ähnlich aus: Aufgrund der EXTREM hohen Anteile an Kids mit Migrationshintergrund, die enorme Sprachrückstände haben, gepaart mit teils kaum zu bewältigenden Inklusionsaufgaben und notwendigen Sprachförderprogrammen sowie Traumabewältigung ist das allgemeine Leistungsniveau ins Bodenlose gesunken (die aufnehmenden weiterführenden Schulen beklagen dies ganz ernorm, viele Eltern mit mehreren Kindern mit ein paar Jahren Abstand dazwischen ebenso).


    Als Elternteil darf man sich nun Folgendes fragen:

    Schicke ich mein Kind auf die Grundschule, die ich selbst als Kind schon besucht habe (und die damals trotz 14 "Spätaussiedlerkids" super war!), weil es auf diesem Wege lernt, z.B. Verantwortung zu übernehmen, indem es zu Fuß gehen kann, auf die Uhrzeit achten muss usw. und nehme dafür in Kauf, dass es u.U. eines von 2-4 Kindern ist, die Deutsch in der ersten Klasse fließend sprechen? Er könnte zu Fuß hin, hat vielleicht mehr Freunde aus der Umgebung da usw., aber das Niveau vor Ort ist....unterirdisch.


    Oder spiele ich lieber Elterntaxi und kutschiere mein Kind quer durch die ganze Stadt zu einem Vorort, wo er zwar weiterhin wie ein kleines Kind durch die Gegend gefahren wird, die Rückmeldung von den weiterführenden Schulen aber weitaus besser ist?


    Ich finde beide Lösungen echt nicht toll.

  • Als Elternteil darf man sich nun Folgendes fragen:

    Schicke ich mein Kind...

    Wenn du selbst von Migrationsquoten von über 90% bei Säuglingen schreibst, dürfte es das oben beschriebene Szenario doch gar nicht geben, da es Eltern kleiner Kinder ohne Migrationshintergrund in deiner Stadt schlichtweg nicht gibt.

  • Wenn du selbst von Migrationsquoten von über 90% bei Säuglingen schreibst, dürfte es das oben beschriebene Szenario doch gar nicht geben, da es Eltern kleiner Kinder ohne Migrationshintergrund in deiner Stadt schlichtweg nicht gibt.

    Witzigerweise habe ich mich das auch gefragt. Beim letzten Lehrerausflug hat einer der Menschen, der uns durch das Rathaus geführt hat und uns über den sozioökonomischen Stand unserer Stadt aufgeklärt hat, diesen Wert genannt. Allerdings, wenn ich mich im Kindergarten umschaue, dann könnte das schon hinkommen. Ich selbst zähle in die Statistik nunmal auch rein, obwohl ich meinen Migrationshintergrund quasi nicht im Alltag bemerke, genau wie viele meiner Freunde und Bekannten. Es wird halt extrem darauf geachtet, wo man sein Kind hinschickt, auf diese Weise verteilt sich der Anteil der Kids mit Migrationshintergrund eben auch ungleich und zwei, drei Grundschulen stehen deutlich homogener da.

  • auf diese Weise verteilt sich der Anteil der Kids mit Migrationshintergrund eben auch ungleich

    Ja ... Ist hier nicht anders. Wir haben an meiner Schule einen deutlich höheren Anteil Migrantenkinder als an den anderen Gymnasien im Kanton. Je nach Schwerpunktfachprofil können das deutlich mehr als die Hälfte in einer Klasse sein. Ehrlich gesagt findest du hier bei fast jedem irgendeine Art von Migrationshintergrund in der x.ten Generation, wenn man nachfragt. Ich frage schon gar nicht mehr, es ist auch völlig belanglos. Wir stehen deswegen nicht schlechter da als der Rest. Wenn man ein dreigliedriges Schulsystem aufrecht erhalten will, muss man halt auch ernsthaft nach Leistung sortieren. Ob das nun Migrantenkinder sind oder nicht, ist da ziemlich wurscht. Können müssen die alle das gleiche, wenn sie zu uns kommen wollen.


    Ich habe so 1 - 2 Kollegen im Deutsch, die sich irgendein Niveau-Zeug einbilden und rumjammern, dass Goethes Faust leider nicht geht mit 3 Albanern, 5 Italienern, 2 Türken, 4 Portugiesen und 3 Tamilen in der Klasse (die Zahlen sind jetzt völlig random, es interessiert mich wirklich schon lange nicht mehr, wo die alle herkommen). Der Rest jammert nicht rum sondern liest irgendwas anderes, was halt geht. Vielleicht müsste man sich insgesamt mehr den Gegebenheiten anpassen und weniger jammern. Ich nehme, was kommt und bisher ist noch immer was draus geworden.


    Ich kann mich noch recht gut erinnern, dass ich doch sehr erstaunt war, als ich vor knapp 10 Jahren anfing an meiner jetzigen Schule zu arbeiten, dass diese jungen Menschen aber ganz schön bunt sind. Ich hatte das Jahr davor an einer Schule im Zürcher Speckgürtel mit lauter rich kids aus gutbürgerlichem Schweizer Elternhaus gearbeitet. Dort wo ich jetzt arbeite, sind die Eltern eher nicht wohlhabend, haben oft Migrationshintergrund und ebenso oft auch keine akademische Ausbildung. Die allermeisten sind einfach nur froh, dass sie ihre Plagen bei uns untergebracht haben und nörgeln entsprechend selten rum, dass irgendwas nicht den erlauchten Erwartungen entspricht. Das finde ich sehr viel sympathischer als die Prinzessinnen und Prinzen aus dem Zürcher Speckgürtel zu unterrichten.

  • Wenn man ein dreigliedriges Schulsystem aufrecht erhalten will, muss man halt auch ernsthaft nach Leistung sortieren.

    Da stimme ich dir zu.

    Es müsste entweder verbindliche Quoten geben oder man müsste Grundschullehrern vertrauen, dass sie nach 3,5-5,5 Jahren einschätzen können, auf welchem Leistungsniveau die jeweiligen Schüler arbeiten.

    Solange der Elternwille zählt, wird es immer Eltern geben, die das Können ihres Kindes deutlich überschätzen und sich für eine Schulform entscheiden, auf der es von Anfang an völlig überfordert ist.

  • Manche entscheiden sich für eine "zu Hohe" Schulform in der Hoffnung, dass das Kind da aus dem alten Dunst rauskommt und auf ein besseres soziales Milieu stößt und sich nicht wie in den letzten 4 Jahren in seinem Verhalten schlecht beeinflussen lässt und sich "nach unten" orientiert. Dies würde dann schon auf der Busfahrt losgehen (Zitat einer Mutter). Kann ich mir genau vorstellen und weiß, was sie meint.

    Hat bei euch schon mal ein Kind einem anderen in die Backe gebissen, also so richtig, dass man das Gebiss sieht? (heute bei uns in einer 1.Kl. so geschehen, obwohl hier die meisten echt das sind, was man gute Mittelschicht nennt)

  • Ich habe so 1 - 2 Kollegen im Deutsch, die sich irgendein Niveau-Zeug einbilden und rumjammern, dass Goethes Faust leider nicht geht mit 3 Albanern, 5 Italienern, 2 Türken, 4 Portugiesen und 3 Tamilen in der Klasse (die Zahlen sind jetzt völlig random, es interessiert mich wirklich schon lange nicht mehr, wo die alle herkommen). Der Rest jammert nicht rum sondern liest irgendwas anderes, was halt geht. Vielleicht müsste man sich insgesamt mehr den Gegebenheiten anpassen und weniger jammern. Ich nehme, was kommt und bisher ist noch immer was draus geworden.

    Das verstehe ich nicht. Einerseits bestätigst Du, dass man bei einem mehrgliedrigen Schulsystem nach Leistung selektieren muss und dann forderst Du, dass sich die KuK eben dem verminderten Leistungsniveau anpassen sollen. Das passt doch nicht.


    Da müßte eigentlich doch der Faust gelesen werden, weil er vor 20 Jahren auch schon gelesen wurde. Wenn dann 80% der Schüler in der Klasse nicht mitkommen und die Note 5 oder 6 kassieren, dann ist das eben so.


    Ich bin jedenfalls heilfroh, dass wir bei den Azubis gewisse Mindeststandards haben. Die Einstellung der KuK dazu ist auch: „Wir haben die Gesellschaft vor unfähigen Handwerksgesellen zu schützen, denn wenn sie bei uns bestehen, dann dürfen sie beim Kunden am Auto an Bremse und Lenkung schrauben, dann dürfen sie Strom- und Gasleitungen verlegen. Wir, viele KuK sind auch IHK- und Handwerkskammer-Prüfer, sind da der Gatekeeper!“


    Und wenn man dann die komplette Klasse mit der Note 6 durchfallen lassen muss, dann ist das eben so.

  • Hat bei euch schon mal ein Kind einem anderen in die Backe gebissen, also so richtig, dass man das Gebiss sieht? (heute bei uns in einer 1.Kl. so geschehen, obwohl hier die meisten echt das sind, was man gute Mittelschicht nennt)

    Sowas gab es früher aber auch schon. Ich selber wurde in der 3. Klasse der Grundschule dermaßen vermöbelt, dass ich mit Knochenbrüchen ins Krankenhaus kam. Mein Onkel hat sich damals im Jahre 1948 als Erstklässler gegen einen Viertklässler gewehrt, indem er seinen Lederranzen um sich geschleudert hat. Der Viertklässler hatte damals am Ende einen gebrochenen Kiefer.

  • Häh? Unsere Jugendlichen leisten nicht "vermindert".

    Dein Beitrag hörte sich so an, dass im Deutschunterricht vor 20 Jahren Goethes Faust die Standardlektüre war, aber es heute nicht mehr geht. Somit ist das Leistungsniveau in den letzten 20 Jahren gesunken ober vermindert worden.

  • Dein Beitrag hörte sich so an, dass im Deutschunterricht vor 20 Jahren Goethes Faust die Standardlektüre war, aber es heute nicht mehr geht. Somit ist das Leistungsniveau in den letzten 20 Jahren gesunken ober vermindert worden.

    Oder man hat einfach den Lektürekanon mal aktualisiert, um heutige SuS zu interessieren für bestimmte Themen im Faust bzw. bei deren dessen Auswahl ein bestehendes Mehrsprachigkeitskonzept realisiert, was man vor 20 Jahren vielleicht auch in der Schweiz wie hier noch mehr ignoriert hat.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    Einmal editiert, zuletzt von CDL ()

  • Wenn der Bildungsethos der Familie nicht ausreicht, wird es die Schule umso schwerer haben, die Kinder zu bilden.

    Das ist unstrittig. Chancengleichheit kann und wird es nie geben. Die Spaltung beginnt schon vor der Geburt - manche Eltern rauchen oder oder trinken, andere beschallen den Bauch mit Mozart.


    Aber die Tatsache, dass in Deutschland der schulische Erfolg der Kinder deutlich stärker als im OECD-Mittel mit dem Bildungsniveau der Eltern korreliert, ist schon ein Indiz dafür, dass wir hierzulande etwas falsch machen.

  • Da stimme ich dir zu.

    Es müsste entweder verbindliche Quoten geben oder man müsste Grundschullehrern vertrauen, dass sie nach 3,5-5,5 Jahren einschätzen können, auf welchem Leistungsniveau die jeweiligen Schüler arbeiten.

    Solange der Elternwille zählt, wird es immer Eltern geben, die das Können ihres Kindes deutlich überschätzen und sich für eine Schulform entscheiden, auf der es von Anfang an völlig überfordert ist.

    Empirisch gesehen liegen Grundschullehrer mit ihren Einschätzungen offenbar derart oft daneben (- in Hamburg z.B. hatten 40% aller abgestuften Kinder eine Gymnasialempfehlung), dass man fast ebenso so gut auch würfeln könnte!

  • Sind wir das? Es interessiert mich ziemlich wenig, was Eltern so wollen, die unterrichte ich nicht. Ich hatte am letzten Elternabend ein recht bizarres Gespräch mit einem Vater der fand, Physik sei zu kompliziert bei mir. Ich erklärte ihm, ich wisse offensichtlich besser, worum es geht als er und liess ihn stehen. Ich erkläre einem Bäcker auch nicht, wie er seine Brote zu backen hat.

    So eine Haltung finde ich jetzt wiederum ziemlich arrogant.


    Ich weiß nun natürlich nicht, wie sich besagter Vater verhalten hat. Aber sachlich und freundlich vorgetragene elterliche Kritik nehme ich grundsätzlich immer erstmal ernst.


    Für die Übermittlung der Message "mein Kind kapiert nicht, was Du ihm erzählst" muss ein Elternteil auch nicht fachlich qualifiziert sein. Auf den Bäcker übertragen hieße das denn "Dein Brot schmeckt mir nicht".


    Solche Kundenurteile können eine relevante Botschaft sein. Auch wenn ich meinen Job vielleicht ganz gut mache, impliziert das ja nicht, dass kein Verbesserungspotential besteht.

  • Empirisch gesehen liegen Grundschullehrer mit ihren Einschätzungen offenbar derart oft daneben (- in Hamburg z.B. hatten 40% aller abgestuften Kinder eine Gymnasialempfehlung), dass man fast ebenso so gut auch würfeln könnte!

    Oder es spielen politische Dinge mit hinein. Bei uns im Ort hieß es z.B. damals: "Dir Hauptschule darf nicht sterben." Entsprechend haben vor 30 Jahren viele Kinder eine Hauptschulempfehlung bekommen und haben sich dann später nach oben durch das System gekämpft.

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