Soll ich mich für das Referendariat bewerben?

  • Ich finde es gut, dass inzwischen mehr Lehramtsstudenten praktische Erfahrung im Unterrichten sammeln, z.B. im Rahmen von Vertretungstätigkeiten. Nur ist mir gerade in den letzten 12 Monaten aufgefallen, dass der fach- und/oder schulformfremde Vertretungseinsatz von Lehramtsstudenten stark zugenommen hat. Ich bin ehrlich: Ich frage mich, ob das so sinnvoll ist oder ob man damit Lehramtsanwärter nicht unnötig verheizt. Es ist eine Sache, erfahrene Lehrkräfte fach- und/oder schulformfremd einzusetzen (und selbst das wird ja durchaus auch kontrovers gesehen), aber Lehramtsanwärter, die bisher noch kaum über praktische Lehrerfahrung verfügen?

    Was war hier eure Motivation, MissMaple , für diesen Schritt, statt nach einer Vertretungstätigkeit in euren studierten Schulformen und Fächern zu schauen?

  • Hallo liebe Lehrerinnen und Lehrer,

    vielen Dank für eure zahlreichen Antworten! Euer Verständnis für meine Situation hat mich sehr gerührt. Ich glaube, dass ich mir einen zu großen Druck mache, da ich den Kindern und der Schule gerecht werden möchte, ich aber aufgrund der fehlenden sonderpädagogischen Ausbildung und Praxiserfahrung gar keinen perfekten Unterricht machen kann. Die Direktorin hat meinen Unterricht bis jetzt einmal besucht und meine Lehrerpersönlichkeit zwar gelobt, doch gefiel ihr die Struktur des Unterrichts nicht. Ich versuche mir inzwischen für die Stunden, in denen ich fest eingeteilt bin, Verlaufspläne zu gestalten, doch das kostet wieder Zeit. Kontakt zur Lehrerin, die ich vertrete, besteht leider keiner. Ich bekomme für spontane Vertretungen meistens Material, doch für die Klasse, bei der ich fest Vertretung bin, bekomme ich nichts und gestalte das Material selbst.

    Mein KV-Vertrag endet zu den Sommerferien. Ich bin mir nicht sicher, ob ich jetzt kündigen sollte, da es nicht mehr lang bis zu den Ferien ist, es mir für die Kinder und KuK leidtäte und ich mir auch ungern eingestehen möchte, dass ich meine erste Lehrstelle nicht bis zum Vertragsende besetzt habe. Außerdem wäre meine Bewertung für die Vertretung sicher schlecht, da ich häufig krankheitsbedingt gefehlt habe und meine eine Beobachtung nicht so gut lief. Das ändert aber nichts an der emotionalen Belastung und der Angst, nach den Pfingstferien sechs weitere Wochen irgendwie schaffen zu müssen.

    Hat dein Partner schon das 2. Staatsexamen oder auch noch nicht?

    Nein, wir wollten eigentlich gleichzeitig mit dem Referendariat anfangen.

    einen Gedanken würde ich gerne noch hinzufügen: hier in BW steht dir nach dem Studium auch das Lehramt an den Beruflichen Schulen offen. Neben den normalen Ausbildungsberufen haben wir auch Vollzeitklassen, in denen junge Leute ab 15 Jahren alle Schulabschlüsse machen können, bis zum Fachabitur, Abitur und dem Bachelor.

    Wärst du bereit mir mehr zu der Arbeit an der Berufsschule zu erzählen? Hätte ich mit meiner Fächerkombination (Englisch, Geschichte, Deutsch) überhaupt Chancen? Ich dachte, man müsste auch Wissen zu Ausbildungsberufen vermitteln können. Das SuS Schulabschlüsse nachholen können, war mir gar nicht bewusst.

    Was war hier eure Motivation, MissMaple , für diesen Schritt, statt nach einer Vertretungstätigkeit in euren studierten Schulformen und Fächern zu schauen?

    Es sind leider kaum Stellen für das Gymnasium ausgeschrieben. Die allermeisten Stellen sind für die Grundschule. In meiner Region wurde allgemein nicht viel gesucht, daher hatte ich mich zuerst sehr über die Stelle an der Sonderschule gefreut.

    Ich wünsche euch noch ein schönes Wochenende!

  • Ich versuche mir inzwischen für die Stunden, in denen ich fest eingeteilt bin, Verlaufspläne zu gestalten, doch das kostet wieder Zeit.

    Nachfrage: wie hast du es denn sonst gemacht?

    Zitat

    Kontakt zur Lehrerin, die ich vertrete, besteht leider keiner. Ich bekomme für spontane Vertretungen meistens Material, doch für die Klasse, bei der ich fest Vertretung bin, bekomme ich nichts und gestalte das Material selbst.


    Es ist normal. Die Kollegin ist wohl langzeiterkrankt, in Elternzeit oder Ähnliches (sonst hättest du keinen Vertrag), da besteht nie Kontakt. Materialgestaltung und Unterricht ist entsprechend dein alleiniger Job.
    Für spontane Vertretungen ist es je nach Schule sehr unterschiedlich, denn auch bei spontaner Krankheit kann man nicht verpflichtet werden (nur bei geplanter Abwesenheit wegen FoBi oder Wandertag zum Beispiel), da ist es schön, wenn du regelmäßig Unterlagen bekommst.

  • Liebe Miss Marple,

    die BS (Beruflichen Schulen) suchen eben noch Kuk, auch mit D, E, G. , also mit deiner Fachkombination.

    Den Fachunterricht in den Berufen vermitteln die Fachkollegen. Die Klassen haben jeweils eine Stunde D, E, G ( in der Kombi GGK mit Gemeinschaftskunde) pro Woche. Das ist eher selten beruflich gebunden, etwa Geschäftsbriefe oder Business Telefonate, ansonsten klassisch.

    Die BS gibt es als kaufmännische, gewerbliche oder hauswirtschaftliche Schulen. Auf dem Land gibt es auch Mischschulen, die von allem etwas haben, in den Städten sind die Bereiche meist getrennt.

    Wir bereiten z.B. Hauptschüler in 2 Jahren auf den Realschulabschluss vor, Realschüler auf das Fachabitur (2 Jahre) oder auf das Abitur (3 Jahre). Es gibt in Bw eine riesige Zahl von Schulformen und Schulversuchen in Vollzeit. Diese Schüler haben dann natürlich 3-4 h Englisch und Deutsch die Woche und 2 Stunden GGK.

    Die Schulen sind teilweise sehr groß, bis 3000 Sus und 170 Kuk. Schau einfach nach der nächstgelegenen Berufsschule und sieh dir mal an, was die so haben.

    Ich empfehle dir ein Praktikum, idR freuen sich die Schulen über Interessenten, uns kennt nämlich kaum jemand.

    Der große Unterschied zum Gym ist, dass wir jährlich in allen Schularten Prüfungen haben. Wir fangen im April an und sind bis Mitte Juli durchgängig beschäftigt.

    Wir an der BS verdienen genauso viel wie die Kuk am Gym, vielleicht sind bei uns die Beförderungsmöglichkeiten etwas besser.

    Attraktiv ist meist die technische Ausstattung, da wir den aktuellen Stand bedienen müssen ( der in der Ausbildung verlangt wird), sind die BS meist deutlich besser ausgestattet als die Gym.

    Das Ref kannst du auch am Gym machen und danach wechseln, du kannst dein Ref aber auch an der BS machen. Wir sind vielleicht einen Ticken bodenständiger als die Gym, weil viele Kuk bei uns vor dem Studium eine Ausbildung absolviert haben.

    Hilft dir das so etwas weiter?

    LG

  • Nein, das Referendariat erhöht deine Chance außerhalb der Schule nicht auf eine Stelle. Allerdings wüsste ich auch nicht, wo du dich mit Lehramt Geschichte und Deutsch bewerben willst.

    Ich würde das so pauschal nicht sagen. Gerade wenn man sich im pädagogik-affinen Bereich (Lehrbuchverlag, Museums- oder Theaterpädagogik) umtut, wird ein abgeleistetes Referendariat alles andere als schädlich sein.

    Natürlich ist es mit diesen Fächern nicht ganz so einfach, eine Stelle zu finden, aber es gibt da draußen zehntausende Studierte mit ähnlichen/identischen Fächern, die Arbeit finden. Keiner meiner Kommilitonen, die auf Magister studiert haben, ist heute arbeitslos. Es war eben nur kein direkter Berufsweg vom Hörsaal in die Schule.

    Ich selber habe mich übrigens mit ähnlichen Fächern letztes Jahr anderweitig außerhalb der Schule beworben und eine Stellenzusage erhalten.

  • Okay, vielleicht liege ich falsch mit meiner Vorstellung, dass das Referendariat außerhalb vom Schulkosmos nichts nützt. Aber wer nach 2 (!) Monaten Vertretung feststellt, dass er völlig überfordert ist, dem würde ich nicht empfehlen, sich durchs Ref zu quälen, weil er damit vielleicht im Verlag oder Museum etwas größere Chancen auf eine Stelle hat.

    ...

    Nun zu meiner Frage: Glaubt ihr, dass es sich lohnt, das Referendariat durchzuziehen, wenn ich jetzt schon so erschöpft bin und starke Zweifel daran habe, ob ich in Zukunft Lehrerin sein möchte? Ich überlege schon meine Vertretungsstelle zu kündigen....

    Wenn die TE im Museum arbeiten möchte, sollte sie Praktika in Museen machen, Kindermalkurse leiten und alle Ausstellungen der Gegend bis aufs letzte Gemälde kennen o.ä. Jedenfalls scheint es mir zielführender.

  • Okay, vielleicht liege ich falsch mit meiner Vorstellung, dass das Referendariat außerhalb vom Schulkosmos nichts nützt. Aber wer nach 2 (!) Monaten Vertretung feststellt, dass er völlig überfordert ist, dem würde ich nicht empfehlen, sich durchs Ref zu quälen, weil er damit vielleicht im Verlag oder Museum etwas größere Chancen auf eine Stelle hat.

    Wenn die TE im Museum arbeiten möchte, sollte sie Praktika in Museen machen, Kindermalkurse leiten und alle Ausstellungen der Gegend bis aufs letzte Gemälde kennen o.ä. Jedenfalls scheint es mir zielführender.

    Wenn man schon weiß, was man will (Museum ...) dann macht es Sinn, zu schauen, wie man da am Besten hinkommt.

    Aber für mich klingt die TE unentschlossen und als ob sie noch nicht wüsste, ob sie Lehrerin sein will oder nicht.

    Sie ist mit der momentanen Situation überfordert, was bei den Umständen auch kein Wunder ist und weiß nicht, ob es am Job allgemein oder nur an der speziellen Situation liegt.

    In dem Fall, macht es eher Sinn das Referendariat zu machen und zu testen ob man den Job doch mag, wenn man ihn einmal erlernt hat.

  • Erkundige Dich unbedingt, was mit dem ersten Staatsexamen passiert, wenn Du das zweite nicht machst. Früher war es bei uns in SH zumindest so, dass das erste verfällt, wenn man nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums das zweite gemacht hat.
    Ich würde Dir auf jeden Fall zum Referendariat raten. Nutze die jetzige Situation, um etwas Erfahrung zu sammeln, und danach startest Du richtig durch. In dem Bereich, der zu Deinen studierten Fächern passt. Wenn Du dann feststellst, dass das doch nicht Dein Job ist, kannst Du Dich nach was anderem umschauen.

  • Schnee von gestern. Man hat die Erfahrung gemacht, dass das nicht so gut funktioniert und es besser ist Lösungen zu finden, mit denen Betroffene zufrieden sind. Mit eigenen Ohren gehört ☝️😄

  • Ich rate dir auch zum Ref, obwohl mein Ref die reinste Katastrophe war (kann bei dir super laufen). Trotzdem konnte ich einiges mitnehmen.

    Ich unterichte jetzt in einem Land, wo es ein Ref in der Form nicht gibt (nur Praktika und eine Induktionsphase - absolut nicht vergleichbar) und ich merke deutliche Unterschiede zu den meisten Kollegen.

    Und das Ref gemeinsam mit deinem Freund - perfekt eigentlich.

    Sollte es nicht gut laufen, dann brich ab und komm zu uns.

  • Ohne jetzt zu googlen, ist es nicht so, dass das Gehalt bei euch durchaus spürbar unter dem in den deutschsprachigen Nachbarländern liegt? :/

    Ja, ist leider so.

    Aber man könnte die Ausbildung abschließen und muss ein paar Voraussetzungen erfüllen (je nach deutschem Bundesland verschieden) und kann zurück. Man darf nur nicht endgültig durchgefallen sein bzw die Nichteignung festgestellt worden sein (letzteres gibt es auch hier).

  • Die Bezirkrsegierung Düsseldorf findet es ja normal langjährige Kolleg*innen vom Gymnasium und vom Weiterbildungskolleg spontan an Förderschulen geistige Entwicklung abzuordnen.

    Was heißt "normal"?

    Es scheint zweckmäßig, sinnvoll und notwendig (gewesen) zu sein: Lehrerüberschuss an der einen, großer Mangel an der anderen Schulform.

    Abordnungen von Regelschulen an Förderschulen gibt es hier auch.

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