Sind die Kranken / Pflegebedürftigen selber schuld?

  • Also nicht, dass jemand Krebs in Kauf nimmt, aber "immerhin habe ich jetzt Spass" und "XY ist ja nicht tödlich, es gibt dafür auch Lösungen".
    (und in Zeiten von Ozempic habe ich in dem Bereich echt doofe Sachen gehört, genauso wie von sorglosen Diabetikern, "kann man nachspritzen".)

    Es mag eine unpopuläre Meinung sein, aber im Grunde ist es so, dass jemand, der bewusst potentiell gesundheitsschädliche Lebensstilentscheidungen trifft, in Kauf nimmt, im Laufe seines Lebens eine schwere Erkrankung zu bekommen, (früher) pflegebedürftig zu werden oder vor der durchschnittlichen Lebenserwartung zu versterben.

    Es gab eine Zeit, da erschien es tatsächlich Zufall, ob man im Laufe seines Lebens bestimmte Erkrankungen oder körperliche Erscheinungen bekommt. Inzwischen jedoch gibt es genug (seriöse) Studien, die zu dem Ergebnis kommen, dass ein gesunder Lebensstil das Risiko für besagte Erkrankungen und Erscheinungen erheblich senken kann. Es gibt seriöse Studien, die sagen, dass Prävention (bis zu einem gewissen Grad) Pflegebedürftigkeit sogar vermeiden kann.

    Ein Restrisiko bedingt durch genetische Vorbelastungen, Zufall und Unfälle gibt es immer und möchte ich auch nicht abstreiten. Bis auf diese wenigen Fälle sind jedoch viele Erkrankungen und körperliche Erscheinungen (zumindest im Jahr 2025 und im deutschsprachigen Raum) das Ergebnis von persönlichen Entscheidungen, und das muss man leider auch so deutlich sagen.

  • Wie frei sind wir wirklich in unseren Entscheidungen? Essen und trinken Menschen zu viel, zu wenig oder zu ungesund, weil sie Hedonisten sind oder weil es unglaublich schwer ist, das eigene Konsumverhalten zu kontrollieren?
    Ich trinke keinen Alkohol, rauche nicht und treibe Sport. All das fällt mir leicht. Aber seit ich denken kann, habe ich Schwierigkeiten mit meinem Zuckerkonsum, und ich habe wirklich schon vieles ausprobiert, um möglichst wenig Zucker (in meinem Fall: Süßigkeiten) zu essen. Ja, es ist eben schwer, wenn überall die Versuchung lauert. Und das sage ich mit einem hohen Bildungsgrad. Was ist mit Menschen, die schlicht uninformiert sind?
    Mein Großvater war Alkoholiker und ist an einer Leberzirrhose gestorben. Natürlich wollte er nicht früh sterben. Hat er das "in Kauf genommen"? Ich glaube nicht.

    Also noch einmal: Wie viel Willensfreiheit haben wir eigentlich (wenn überhaupt)? Oft wird so getan, als sei es völlig selbstverständlich, dass wir bewusste und rationale Wesen sind, die jederzeit ihr Verhalten steuern können, aber das stimmt einfach nicht oder ist zumindest eine starke Vereinfachung eines sehr komplexen Themas.

  • Maylin85 : Findest du? Ich bin an das Thema eigentlich recht unvoreingenommen herangegangen. Als Kind sagt man ja immer "Ich will mal 100 werden.", was aber im Laufe der Zeit unterbleibt, ist die Frage "Was kann ich dafür tun, um auch tatsächlich 100 zu werden?". Ich war von Altersausnahmen beeindruckt, also z.B. wenn man von einem 90-jährigen Marathonläufer liest. Das kann man als Ausnahme abtun oder sich fragen "Was kann ich dafür machen, um selbst mal zu einer Ausnahme zu werden?".

    Ich habe mich eine Zeit lang mal mit Haarausfall beschäftigt, was erschwerende Faktoren sind, welche Möglichkeiten es gibt, den Verlauf zu bremsen oder gar den Eintritt zu verhindern. Das führte dann wiederum zu den Themen "Biohacking" und "Longevity" und ich fand es beeindruckend, mich hier einzulesen und herauszufinden, was theoretisch alles überhaupt möglich ist.

    Da wir bei vielen Themen ähnliche Positionen haben, würde ich dich fragen, was du zu Biohacking und Longevity meinst. Denkst du, da ist etwas dran oder hältst du es eher für Quacksalber?

  • Es mag eine unpopuläre Meinung sein, aber im Grunde ist es so, dass jemand, der bewusst potentiell gesundheitsschädliche Lebensstilentscheidungen trifft, in Kauf nimmt, im Laufe seines Lebens eine schwere Erkrankung zu bekommen, (früher) pflegebedürftig zu werden oder vor der durchschnittlichen Lebenserwartung zu versterben.

    Es gab eine Zeit, da erschien es tatsächlich Zufall, ob man im Laufe seines Lebens bestimmte Erkrankungen oder körperliche Erscheinungen bekommt. Inzwischen jedoch gibt es genug (seriöse) Studien, die zu dem Ergebnis kommen, dass ein gesunder Lebensstil das Risiko für besagte Erkrankungen und Erscheinungen erheblich senken kann. Es gibt seriöse Studien, die sagen, dass Prävention (bis zu einem gewissen Grad) Pflegebedürftigkeit sogar vermeiden kann.

    Ein Restrisiko bedingt durch genetische Vorbelastungen, Zufall und Unfälle gibt es immer und möchte ich auch nicht abstreiten. Bis auf diese wenigen Fälle sind jedoch viele Erkrankungen und körperliche Erscheinungen (zumindest im Jahr 2025 und im deutschsprachigen Raum) das Ergebnis von persönlichen Entscheidungen, und das muss man leider auch so deutlich sagen.

    Das glaube ich nicht, Menschen werden nunmal uralt in Deutschland, was in erster Linie Ernährung, Medizin und dem granatenlosen Dasein geschuldet ist. Die Wahrscheinlichkeit, mit 85 noch kerngesund durch die Gegend zu laufen sinkt, weil man statistisch gesehen überhaupt so weit gekommen ist und gerade nicht mit 69 an einem Herzinfarkt gestorben ist. Irgendwann lässt halt einfach alles nach.

    Aber da du diese Behauptung so selbstsicher aufstellst, hast du sicher noch Daten, die deine These belegen?

  • Da wir bei vielen Themen ähnliche Positionen haben, würde ich dich fragen, was du zu Biohacking und Longevity meinst. Denkst du, da ist etwas dran oder hältst du es eher für Quacksalber?

    Natürlich kann man gesünder oder weniger gesünder leben und damit evtl. Risikofaktoren minimieren. Zum Leben gehören für mich aber auch Genuss (Ernährung, Alkohol), Risiko (Aktivitäten), Unvernunft (schlechter Schlafrhythmus, verarbeitete Lebensmittel weil keine Zeit frisch zu kochen etc.) - ein Leben in permanenter Selbstkasteiung, nur um am Ende vielleicht noch ein paar Extrajährchen herauszuholen, ist für mich weder vorstellbar noch erstrebenswert und letztlich auch nicht "menschlich". Ich denke nicht, dass man das einfordern kann, weil es unserer Natur widerspricht. Zumal man auch mit dem vorbildlichsten Lebenswandel keine Garantie dafür hat, dass der Plan letztlich aufgeht.

    Meine Großeltern sind im Pflegeheim gelandet wegen Parkinson und weil meine Oma (mittlerweile Mitte 90) irgendwann ständig gestürzt ist und sich wiederholt nachts den Kopf im Bad aufgeschlagen hat bzw. generell Haushalt und Selbstversorgung nicht mehr auf die Reihe gekriegt hat. Beide haben keinen sonderlich ungesunden Lebenswandel gehabt, nicht übermäßig getrunken, hatten kein Auto und waren lebenslange Radfahrer... sowas passiert halt einfach.

  • Du hast Recht, dass die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland höher ist als in Ländern mit schlechterer Gesundheitsversorgung und gesellschaftlichen Ruhen. Mir geht es aber darum, mir diese Gruppe der Deutschen näher anzuschauen. Man kann das Ganze aus einer sozialwissenschaftlichen Sicht heraus analysieren, sprich, dass Menschen mit hohem sozioökonomischen Status ein höheres Alter erreichen als Menschen mit niedrigem sozioökonomischen Status, oder dass Männer ein niedrigeres Alter erreichen als Frauen.

    Mich interessiert jedoch eher die medizinisch-naturwissenschaftliche Perspektive, sprich welche lebensstilbezogenen Faktoren erhöhen und welche reduzieren die durchschnittliche Lebenserwartung.

    Deine Frage nach Daten ist nachvollziehbar. Hier z.B. ein aktueller Artikel: https://www.tagesschau.de/wissen/gesundh…s-gene-100.html

  • Maylin85 : Danke dir vorab für deine Meinung und auch den Einblick in deine familiäre Situation. Ich wünsche deiner Oma alles Gute.

    Es ist nur eine persönliche Vermutung und nicht basierend auf wissenschaftlichen Daten, aber ich schätze, dass insbesondere kognitive Erkrankungen des Alters begrenzt bis gar vermieden werden können, wenn man sich auch im hohen Alter kognitiv fit hält. Mir fällt auf, dass viele Senioren in meinem Umfeld sich selbst gar nicht mehr kognitiven Herausforderungen stellen und das ist meiner Meinung nach ein weiterer unterschätzter Faktor. Es gibt auf You Tube das Video einer Dame, die entweder im 2. Weltkrieg ihr Studium abbrechen musste oder gar nicht studieren durfte, und mit deutlich über 80 noch einmal das Studium aufnimmt. Wer in dem Alter noch regelmäßig liest, Quizze löst, auch mal etwas Neues ausprobiert und seine eigenen Grenzen überwindet (Es gibt doch die "Mathe konnte ich noch nie."-Fraktion. Warum sich nicht einfach mal mit 80+ ein Schulbuch der Mittelstufe besorgen und durcharbeiten? Oder eine neue Fremdsprache lernen?), behält bis kurz dem unvermeidbaren Ende eine möglichst hohe Lebensqualität. Warum es nicht wenigstens versuchen? Es gibt nichts zu verlieren und im Zweifelsfall viel zu gewinnen.

  • Danke Magellan für den Hinweis auf eine seriöse Studie. Und ich dachte immer, die spinnen, die Römer:

    Zitat

    Südlich des Limes sind die Menschen heute durchschnittlich zufriedener, gesünder und leben länger als nördlich des Limes. Das allgemeine Wohlbefinden ist bis heute also dort höher, wo einst die Römer herrschten.

  • Maylin85 :

    Es ist nur eine persönliche Vermutung und nicht basierend auf wissenschaftlichen Daten, aber ich schätze, dass insbesondere kognitive Erkrankungen des Alters begrenzt bis gar vermieden werden können, wenn man sich auch im hohen Alter kognitiv fit hält.

    Du solltest in die Demenzforschung gehen!

    🍦 Eis macht Spaß! 🍦
    Schoko, Vanille – ganz egal,
    Hauptsache lecker jedes Mal! 😋

    Ich lese und schreibe nach dem Paretoprinzip.

  • Gleiches gilt auch für künstliche Gelenke. Den Leuten, die nicht mindestens alle 2 Tage ordentlich Krafttraining machen und ihre Gelenke durch Muskelpakete entlasten, sollte der Austausch von Gelenken verwehrt bleiben. Genauso wie Menschen mit zu viel Gewicht.
    Ganz ehrlich, das kann doch alles vermieden werden. ☝️

  • Es ist nur eine persönliche Vermutung und nicht basierend auf wissenschaftlichen Daten, aber ich schätze, dass insbesondere kognitive Erkrankungen des Alters begrenzt bis gar vermieden werden können, wenn man sich auch im hohen Alter kognitiv fit hält. .

    Falsch. Um das direkt zu beziehen auf etwas, was mich mal betreffen könnte: Man weiß inzwischen, dass posttraumatische Belastungsstörungen die Wahrscheinlichkeit erhöhen an Demenz zu erkranken. Ebenso wird das Immunsystem durch eine PTBS verändert- teilweise irreversibel, was das gesunde Altern auch nicht gerade erleichtert, egal wie gesund man sich auch ernähren und bewegen mag (und ich mache in beiden Bereichen verdammt viel). Ich hoffe, dass das was ich im Bereich der Traumakonfrontation mache dazu beiträgt meine Neuroplastizität wieder zu erhöhen und damit mein Demenzrisiko zu senken hilft, aber letztendlich werde ich erst in einigen Jahrzehnten wissen, ob das funktioniert.

    Genetik oder auch Epigenetik sind weitere Faktoren, die wir als Menschen nur bedingt beeinflussen können durch die Art unserer Lebensführung.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Ich bin kein Experte auf dem Gebiet von Demenz, vermute sogar, dass du dich damit durch deinen gesundheitlichen Hintergrund damit mehr auskennst als ich. Ich habe auch vom Zusammenhang zwischen familiärer Vorbelastung und der Wahrscheinlichkeit, an Demenz zu erkranken, gelesen.

    Ich finde deinen Ansatz mit der Traumakonfrontation gut. Ich werde dennoch im Sinne des Biohacking-Ansatzes versuchen, mich kognitiv regelmäßig zu challengen, in der Hoffnung, dass es etwas bringt, auch wenn ich, wie du korrekt beschrieben hast, erst in ein paar Jahrzehnten erfahren werde, ob es funktioniert.


    Spannende These des Forschers Steven Austad: Der erste Mensch, der mal 150 Jahre werden wird, ist bereits geboren. Kann man als Wahrsagerei abtun, aber wer weiß, vielleicht ist ja tatsächlich etwas dran.

  • Ein Restrisiko bedingt durch genetische Vorbelastungen, Zufall und Unfälle gibt es immer und möchte ich auch nicht abstreiten.

    Was ich dabei nicht verstehe: Fußball wird als gesunder Breitensport akzeptiert, Fallschirmspringen und Tauchen werden jedoch als Extremsport in die Ecke gestellt. Bei der Berufsunfähigkeitsversicherung muss ich jedenfalls extra hohe Prämien zahlen, um Luft- und Wassersport mitzuversichern. Dabei sind die Folgekosten beim Fallschirmspringen sehr gering. Entweder es passiert nichts oder es endet tödlich und es fallen 10.000€ Bestattungskosten an. Dazwischen gibt es nichts, so dass das Risiko für die Versicherung eigentlich sehr gering ist. Beim Fußball hingegen gibt es aufgrund der Treterei auf dem Platz über Jahrzehnte massenhaft Krüppel mit kaputten Gelenken, die entsprechend im hohen Alter Pflegekosten verursachen. Eigentlich müsste also Fußball in der Berufsunfähigkeit extra hohe Versicherungsprämien nach sich ziehen und eben nicht das ach so extreme Fallschirmspringen .

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