Verbindliche Anredeform am BK – rechtlich zulässig?

  • Hallo zusammen,

    ich habe eine Frage in die Runde, die mich seit einer kürzlich stattgefundenen Fach- bzw. Bildungsgangkonferenz an einem Berufskolleg in NRW beschäftigt:

    Es wurde dort beschlossen, dass das gesamte Kollegium die Schüler: innen ausschließlich mit „Herr/Frau XY“ und „Sie“ ansprechen soll.

    Insofern diese sich einer schulischen Ausbildung befinden - meist Anlage B, E.

    Individuelle Abweichungen – etwa die Anrede mit Vornamen und „Sie“ – sind demnach nicht mehr möglich.

    Ich persönlich empfinde diese Vorgabe in Zeiten von Diversität und Vielfalt als etwas sehr befremdlich. Daher meine Fragen:

    • Gibt es überhaupt eine rechtliche Grundlage dafür, eine solche einheitliche Anrede schulweit verbindlich vorzuschreiben?
    • Oder ist das eher eine Konvention, die man nicht zwingend befolgen müsste?
    • Inwiefern kann das Kollegium einem einzelnen Lehrenden hier eine bestimmte Form „aufoktroyieren“?

    Ich freue mich über eure Einschätzungen und Erfahrungen.

    Vielen Dank schon einmal!

  • Ich unterrichte auch an BK und würde es mir verbieten wie ich meine Schüler Anrede!

    Die Berufsausbildung OK, da reden ich die Schüler schon mit "Sie" an. Anlage E selbstverständlich auch per Sie.

    Aber Ausbildungsvorbereitung oder Anlage B oder C? Nein, würde mir nie in den Sinn kommen.

    Ich glaube auch nicht, dass mein Chef oder eine Konferenz dies vorschreiben darf/sollte. Beim Unterrichten und Lehren geht es sehr stark um Bindung und Lehrerpersönlichkeit. Zu einem Schüler der Anlage C oder B oder Ausbildungsvorbereitung wirst du keine persönliche Bindung aufbauen können, wenn er mit dem distanzierten "Sie" angesprochen wird.

  • Ich meine es ist rechtlich ok, wenn sowas beschlossen wird und es ist entsprechend auch verbindlich. Aber nicht in den Gremien, die du hier anführst. Das kann nur die Schulkonferenz beschließen.


    An sich halte ich solche Beschlüsse für ziemliche Nebelkerzen. Hat man nichts besseres zutun als so einen Quatsch regeln zu wollen?

  • Vielleicht zur Klarstellung: Die Sie-Form bleibt selbstverständlich bestehen – also in der Art „Thomas, können Sie …“. Allerdings wurde in der Konferenz festgelegt, dass in den schulischen Ausbildungen der Anlage B und E die Anrede zwingend in der Form „Herr/Frau Müller, können Sie …“ erfolgen soll.

    Mir geht es dabei gar nicht ums Duzen, das finde ich im Kontext Berufskolleg auch nicht passend.
    Aber ich habe bisher die Sie-Form in Verbindung mit dem Vornamen verwendet, was für mich in Ordnung und respektvoll ist.

    Problematisch finde ich, dass diese Vorgabe nicht nur sehr starr wirkt, sondern auch Fragen in Bezug auf Diversität aufwirft.
    Was ist zum Beispiel mit non-binären Menschen, die sich im klassischen Schubladen-Denken „Herr/Frau“ gar nicht wiederfinden möchten?

    Und ganz grundsätzlich: Darf mir so etwas als Lehrkraft überhaupt vorgeschrieben werden? Meiner Meinung nach sollte es doch jeder Lehrkraft selbst überlassen sein, welche respektvolle Anrede sie wählt.

  • Ich duze die meisten meiner Schüler, sogar im Beruflichen Gymnasium, weil es denen dort lieber ist. In der Ausbildungsvorbereitung natürlich sowieso, wenn ich die sieze, würde ich gar nicht verstanden werden.

    Und in Spanisch duzen mich die Schüler, wegen Interkulturalität und so...

  • Und ganz grundsätzlich: Darf mir so etwas als Lehrkraft überhaupt vorgeschrieben werden?

    Ich kann mir nicht vorstellen, dass es im Schulgesetz oder in irgendwelchen Ausführungsbestimmungen steht. Als Beschluss an einer Schule auf Bitte oder gar Anordnung der SL halte ich es auch für fragwürdig.

  • Vielleicht zur Klarstellung: Die Sie-Form bleibt selbstverständlich bestehen – also in der Art „Thomas, können Sie …“. Allerdings wurde in der Konferenz festgelegt, dass in den schulischen Ausbildungen der Anlage B und E die Anrede zwingend in der Form „Herr/Frau Müller, können Sie …“ erfolgen soll.

    Mit Vorname siezen finde ich wiederum sehr befremdlich. Aber ihr da oben (nördlich) macht sowas ja.


    Die Fachkonferenz ist in keinem Fall der Ort, wo sowas verbindlich beschlossen werden kann. Eine vernünftige SL würde solche unnötigen Beschlüsse auch verhindern/kassieren.

  • Ich duze die meisten meiner Schüler, sogar im Beruflichen Gymnasium, weil es denen dort lieber ist. In der Ausbildungsvorbereitung natürlich sowieso, wenn ich die sieze, würde ich gar nicht verstanden werden.

    Spannend. Ich bin da gerade neu drin und kam gar nicht auf die Idee, jemanden zu duzen. Auch nicht in IFK..

    Herr/Frau X finde ich allerdings auch extrem sperrig und hätte ein Problem damit, auf die Variante Sie + Vorname verzichten zu sollen. Erscheint mir etwas fragwürdig und die Frage nach dem Umgang mit nonbinären Menschen ist tatsächlich auch ein sachliches Gegenargument.

  • Bei mir wird jeder in meinem Unterricht so angesprochen, wie ich selbst angesprochen werden möchte.

    Also Frau/Herr Nachname (die Vornamen kenne ich oft gar nicht). Ich empfinde unterschiedliche Anreden als respektlos gegen den "kleineren" in diesem Gefälle. Ich fand das auch in der Schule nicht gut, dass ich die Lehrkräfte anders ansprechen soll, als die mich angesprochen haben. Sowas gibt es danach auch nie wieder. Entweder man ist Perdu oder Persie. Wieder ein Punkt auf der Liste "merkwürdige Gepflogenheiten der Schule".

  • Bei mir wird jeder in meinem Unterricht so angesprochen, wie ich selbst angesprochen werden möchte.

    Ich habe eine Kollegin, die wird mit "Frau Vorname" angesprochen, weil sie den Schülern nicht zutraut, den Nachnamen richtig hinzubekommen. Er ist ziemlich kompliziert, aber das finde ich trotzdem witzig.

  • Ich habe eine Kollegin, die wird mit "Frau Vorname" angesprochen, weil sie den Schülern nicht zutraut, den Nachnamen richtig hinzubekommen. Er ist ziemlich kompliziert, aber das finde ich trotzdem witzig.

    Macht mein Stiefbruder auch so (wobei sein Name gar nicht so schwierig ist). Es hat ihn aber immer genervt, weils kaum einer hinbekommt.

  • Macht mein Stiefbruder auch so (wobei sein Name gar nicht so schwierig ist). Es hat ihn aber immer genervt, weils kaum einer hinbekommt.

    Da fällt mir ein: Ich hatte mal eine Schülerin, die hatte noch das Namensschild von ihrer Arbeit an. Da stand auch "Frau Vorname" drauf. Ihre Mutter und Vater waren beide nicht-deutsch und optisch kam sie nach der Mutter und der Name war aber vom Vater und das war zu "verwirrend", da fand sie es mit dem Vornamen einfacher. :D

  • Da fällt mir ein: Ich hatte mal eine Schülerin, die hatte noch das Namensschild von ihrer Arbeit an. Da stand auch "Frau Vorname" drauf. Ihre Mutter und Vater waren beide nicht-deutsch und optisch kam sie nach der Mutter und der Name war aber vom Vater und das war zu "verwirrend", da fand sie es mit dem Vornamen einfacher. :D

    Wenn dann noch "Frau Elfriede" drauf steht, dann sind die Boomer komplett verwirrt :D

  • Ich duze die meisten meiner Schüler, sogar im Beruflichen Gymnasium, weil es denen dort lieber ist. In der Ausbildungsvorbereitung natürlich sowieso, wenn ich die sieze, würde ich gar nicht verstanden werden.

    Und in Spanisch duzen mich die Schüler, wegen Interkulturalität und so...

    Ist doch super, dass sich Lehrer und Schüler gegenseitig duzen.

  • Ist doch super, dass sich Lehrer und Schüler gegenseitig duzen.

    Finde ich eigentlich auch. Versuche ich gerade in einer Klasse (Fachschule). Ich weiß nicht, ob wir das dieses Schuljahr noch hinkriegen ... Nachdem in gar nicht wenigen großen Firmen auch schon alle - wirklich alle - per du sind und die Schüler sagten, ich dürfe "du" sagen, fand ich, es wäre zeitgemäß, wenn sie zurückduzen. Aber schwierig, sie sind immer wieder beim "Sie".

    Bei den anderen Klassen bin ich nach Jahren tatsächlich auch zum "Vorname + Sie" übergegangen.

    Ich denke, so ein Beschluss müsste durch die Schulkonferenz, weil es zur Schulordnung gehört. In der Oberstufe dürfen die SuS auf "Sie" bestehen, man könnte also nur das "Sie" festlegen. Aber wozu?

  • Ist doch super, dass sich Lehrer und Schüler gegenseitig duzen.

    Finde ich eigentlich auch. Versuche ich gerade in einer Klasse (Fachschule).

    Ich mache das ab dem dritten Jahr (oder wenn es sich vorher ergibt) in der Fachschule auch. Aber die Studierenden sind meist trotzdem beim Sie, aber zumindest bei meinem Vornamen. Ich finde in der Anlage E / Weiterbildung ist es ein anderes Miteinander und für mich völlig okay. Ich würde mich insgesamt auch duzen lassen, bin kein Fan vom Sie.

    Vollzeitschüler in der FHR-Schiene duze ich. Azubis sieze ich, meist aber mit Vornamen, weil die Schüler:innen sich untereinander auch mit Vornamen anreden.

  • Sollte ein nichtbinärer Schüler an der Schule sein, kann man die Person ja fragen, welche Adressierungsform sie bevorzugt. Jede nichtbinäre Person hat einen Nachnamen und nicht jede möchte geduzt werden. Beim Aspekt "Diversität" sollte auch dieser Punkt bedacht werden.

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