Wert des 1.Staatsexamens

  • Liebe Crowdintelligenz,


    ich habe mein 1.Staatsexamen Ende 2017 mit der Note sehr gut (1.0, SEK II, Sozialwissenschaften und Anglistik) bestandenund habe mich danach in einer Unternehmensstiftung herumgetrieben. Ich habe mich damals bewusst gegen das Referendariat entschieden. Seit Ende des letzten Jahres bin ich in ein Ministerium auf Landesebene gewechselt und habe dort - trotz fehlendem 2.Stex - eine Verbeamtung in A13 angeboten bekommen (kein Schulministerium). Meine Arbeitserfahrung hat den Weg dahin geebnet. Nun bin ich verbeamtete Referentin im Landesdienst. Allerdings merke ich, dass ich stark verunsichert bin, was meinen Studienabschluss anbelangt.

    Zwar weiß ich, dass ich formell ein Master-Äquivalent besitze, aber ich merke in Vorstellungsrunden, dass ich mir selbst aberkenne, eine Fachwissenschaftlerin zu sein bzw. dass auch andere Personen immer wieder verwundert sind, dass ich „nur auf Lehramt“ studiert habe.

    Wie handhabt ihr das? Seht ihr euch selbst als vollwertige „Sozialwissenschaftlerin“ / „Mathematiketin“ etc.?

    Ich merke, dass sich da in mir ein großer Komplex aufbaut. In der Wirtschaft hat mein Studienabschluss niemanden interessiert - im öffentlichen Dienst ist es so ein bedeutender Faktor, das ich sogar gerade überlege, noch einen nebenberuflichen Master aufzusatteln.


    Viele Grüße

    Dayumdrops

  • Am Ende zählt doch nur ob du deine Aufgabe erfüllen kannst oder nicht. Ich finde es zwar interessant welches Studium jemand absolviert hat, aber ich vergleiche mich selbst da nicht mit und am Ende ist es auch vollkommen egal.

    • Offizieller Beitrag

    Wie handhabt ihr das? Seht ihr euch selbst als vollwertige „Sozialwissenschaftlerin“ / „Mathematiketin“ etc.?

    Interessant...
    Ich bezeichne mich definitiv als vollwertige Was auch immer, muss aber zugeben, dass ich mich just vor ein paar Tagen als "Schmalspursozialwissenschaftlerin" bezeichnet habe, weil ich über keine vollständige, breite Methodenkenntnisse verfüge. und es nagt an mir. Durchaus.
    (obwohl ich sie an sich gar nicht BRAUCHE, zumindest nicht für das, was ich gerade mache, nicht für die Schule und auch nicht für eine Menge andere Sachen, die mir einfallen).

    Aber ansonsten: die Bezeichnung "ich bin nur Lehrämtlerin" lasse ich höchstens in meinem Kopf zu. WENN jemand mich fragt, was ich beruflich mache, dann sage ich, was ich MACHE (und es ist zur Zeit nicht Schule). Wenn ich gefragt werde, was ich studiere, dann hängt es vom Kontext ab, ob die Fächer oder die Abschlussform im Vordergrund steht (in der Regel sagt man doch nicht "Eyh, Sarah hier, 35, ich habe Bio und Kunst auf Gym/Ges-Lehramt studiert", sondern steht in einer Runde, redet über Biosachen und jemand fragt vielleicht neugierig nach "oh du hast da Hintergrundswissen?" "ja, ich habe Bio studiert".

  • Das ist wohl eher ein Kopfproblem. Wenn du deine Stelle fix hast, kann dir die Reputation deines Abschlusses doch am Allerwertesten vorbei gehen.


    Zur Frage, ob man sich als vollwertiger Fachwissenschaftler fühlt: ich differenziere da klar nach Fach. In Anglistik -> ja. Ob man da jetzt nochmal x Literatur- oder Sprachwissenschaftsseminare mehr macht oder nicht, ist im Prinzip egal. Im anderen Fach -> nein, denn da fehlt im Lehramtsstudiengang viel an Forschungsmethodik, Umgang mit fachspezifischen Informationssystemen und dergleichen.



    Den Gedanken, noch einen fachwissenschaftlichen Master draufzusetzen, verstehe ich aber grundsätzlich. Ich hab mich auch noch einmal eingeschrieben, komme aber nicht gut vorwärts, weil mir einfach immer wieder Zeit fehlt. Mir gehts dabei aber weniger darum irgendwas "vorweisen" zu können, sondern ich hatte einfach Lust, inhaltlich mal wieder etwas Anspruchsvolleres als den Schulkram zu machen :)

  • Ich habe auch "nur" einen M.Ed., im Gegensatz zu einem M.A./M.Sc. Ich persönlich würde mich weder als "Germanist" noch als "Geograph" oder gar Fachwissenschaftler bezeichnen, weil ich in erster Linie "Lehrer" bin. Das ist der Weg, für den ich mich bewusst entschieden habe.


    Aber solange du deine Aufgaben in deiner Position gut erfüllst, kann es dir doch eigentlich egal sein.

  • Da ich mehr Veranstaltungen auf gleichen Niveau als/wie die Magisterkandidaten absolviert und eine Zulassungsarbeit auf dem Niveau einer Magisterarbeit verfasst habe, bezeichne ich mich ohne den Anflug eines schlechten Gewissens als Germanisten.

  • Mit einer gewissen Arbeitserfahrung interessiert der Studienabschluss doch kaum noch. Letztlich ist dieser lediglich eine formale Zugangsvoraussetzung für bestimmte Stellen. Ich persönlich sehe das 1. Staatsexamen nicht nur formal, sondern auch faktisch als gleichwertig zu Master- und Diplomstudiengängen an. Wir sind halt fachlich etwas breiter aufgestellt als andere, die in einem engeren Fachbereich tiefer drin stecken. Beides hat seinen Reiz und beides kann für Arbeitgeber interessant sein.

  • Ich habe auch "nur" einen M.Ed., im Gegensatz zu einem M.A./M.Sc.

    Warum denn „nur“ und nicht „gerade“ oder „besonders“.


    Lehrkräfte messen sich immer wieder an den einzelnen Fachwissenschaften, aber sie studieren doch viel mehr, zumal sie in Deutschland in der Regel auch 2 Fächer benötigen.


    Vielleicht sollte man generell aufhören, sich hinter einem „nur“ zu verstecken, sich an einzelnen Fächern zu vergleichen.

    Als Lehrkraft ist man in 2 Fächern gut aufgestellt und deckt den Bereich der Erziehungswissenschaften ab, außerdem absolviert man dann noch das 2. Examen, was ja eine weitere Qualifizierung darstellt - also nach dem Master.


    Im Beruf selbst kommen weiter Vertiefungen je nach Einsatzgebiet hinzu, das sehe ich vergleichbar zu anderen Berufen, in denen man sich konkret zur Arbeitsstelle einarbeitet und weiterbildet.

  • Also bezugnehmend zu naturwissenschaftlichen Fächern: ich würde mich weder als Mathematiker noch als Physiker bezeichnen. Beispiel Physik: Hier sind die Lehramtsstudierenden im Vergleich zu den "richtigen" Physikern viel zu dünn aufgestellt. Man hat einige wenige Kurse zusammen, das wars aber. Hätte ich Physik und Englisch, würde ich mich noch viel weniger als Physiker bezeichnen, weil der Anteil an Mathe im Lehramtsstudium Physik marginal ist verglichen mit dem was richtige Physiker leisten müssen. Auch Datenverarbeitung/Programmierung usw. kommt viel zu kurz.

  • Ich habe meine Masterarbeit fachwissenschaftlich in Anglistik geschrieben und sie ist nach den gleichen Kriterien bewertet worden wie die der Studierenden im fachwissenschaftlichen Master auch. Ich bezeichne mich ohne Umschweife und schlechtes Gewissen als Anglistin.


    Als Mathematikerin würde ich mich allerdings nicht bezeichnen, denn dort hätte ich vermutlich keine fachwissenschaftliche Arbeit auf Masterniveau schreiben können.

  • Als ich damals Examen gemacht habe (Gymnasium, Englisch/Geschichte), hatte ich mehr Prüfungen (und Veranstaltungen zu besuchen) als die Leute, die Master machten (und die gleichen inhaltlichen Ansprüche). Auch die Zulsassungsarbeit und die Masterarbeit waren nicht so unterschiedlich von den Anforderungen her. Von daher sehe ich micht durchaus auch als Fachwissenschaftler.

  • Von daher sehe ich micht durchaus auch als Fachwissenschaftler.

    1/2 + 1/2 ist hier nich = 1


    Nicht das ich dir deine Fachlichkeit absprechen will, aber zwei Fächer kann in der gleichen Zeit nicht genauso tief Bearbeiten, wie nur eines.

  • aber zwei Fächer kann in der gleichen Zeit nicht genauso tief Bearbeiten, wie nur eines.

    Wer sagt, dass das so sein muss?


    Gefragt wurde doch, wie es mit dem 1. Staatsexamen bzw. dem Master aussieht.

    Man hat eben nicht allein einen Master in einem Fach,

    sondern für den erreichten Master benötigt man Qualifikationen in 2 Fächern und Erziehungswissenschaften.


    Es gibt doch auch andere Spezialisierungen und kombinierte Studiengänge, bei denen man den Absolvent:innen nicht die Profession abspricht.

    • Offizieller Beitrag

    1/2 + 1/2 ist hier nich = 1


    Nicht das ich dir deine Fachlichkeit absprechen will, aber zwei Fächer kann in der gleichen Zeit nicht genauso tief Bearbeiten, wie nur eines.

    Wo konnte man - außer bei super besonderen Ausnahmestudiengängen - vor dem Erfinden hoch spezialisierter Masterstudiengänge Englisch oder Geschichte (Fächer von Deadpoet) als Alleinfächer studieren?

    An meiner Uni gab es im Masterstudium ein Hauptfach und zwei Nebenfächer, dann ab meinem offiziellen 3. Hochschulsemester die Möglichkeit von zwei Hauptfächern.

  • Ich sehe mich als vollwertigen Germanist, Anglist, Informatiker. Aber nicht als Fachwissenschaftler - für mich beginnt der Wissenschaftler eher mit dem Doktor (und nicht in allen Disziplinen bereits da). Im Lehramt und Master lernt man, wie Wissenschaft funktioniert. Aber vielleicht ist das Wortklauberei, Entschuldigung, und darum ging es nicht.

    Ich bilde mir viel ein auf meine fachwissenschaftlichen Kenntnisse, aber die richtig guten Magister/Diplom/Master-Leute sind da noch einen Tick fitter als ich. Keine Minderwertigkeitsgefühle deswegen.

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

  • Keine Minderwertigkeitsgefühle deswegen.

    Ich gebe den Magisterkollegen immer gern Trinkgeld, wenn sie etwas für mich getan haben, also z. B. mich im Taxi irgendwohin kutschiert oder mir einen leckeren Burger gebraten. :cash:

  • 1/2 + 1/2 ist hier nich = 1


    Nicht das ich dir deine Fachlichkeit absprechen will, aber zwei Fächer kann in der gleichen Zeit nicht genauso tief Bearbeiten, wie nur eines.

    Auch der Master / Magister hat sich in Englisch / Geschichte gewissermaßen spezialisiert.

    Magister haben sich damals ein Haupt- und zwei Nebenfächer gewählt. Das konnte z.B. Alte Geschichte als Hauptfach, Mittelalter- und Historische Hilfswissenschaften als Nebenfächer sein.

    Du kannst das jetzt glauben oder nicht, aber ich habe in Geschichte UND Englisch jeweils die gleichen Veranstaltungen besuchen, die gleichen Nachweise bzgl. des Besuchs erbringen müssen, wie die Magister ... nur musste ich - um beim obigen Beispiel zu bleiben, auch Neuere Geschichte, Geschichtsdidaktik etc abdecken (und dann zu Englisch / Geschichte noch Pädagogik, Psychologie und Schulpädagogik). Und dann waren das auch deutlich mehr Examensprüfungen.

    Evtl. war deshalb die Studienzeit für's Lehramt im Schnitt mindestens zwei Semester länger ...

    Das Ganze ist nun allerdings auch ca. 30 Jahre her.

  • 1/2 + 1/2 ist hier nich = 1


    Nicht das ich dir deine Fachlichkeit absprechen will, aber zwei Fächer kann in der gleichen Zeit nicht genauso tief Bearbeiten, wie nur eines.

    Die Frage ist doch, wo man mit so einer Betrachtung anfängt. Die Spezialisierung auf einen engeren Bereich heißt doch nicht automatisch, dass der Abschluss mehr wert ist als der etwas breitbandiger ausgebildete Allrounder. Der Allrounder mag in dem einen Spezialgebiet etwas weniger können als der Spezialist, das heißt jedoch nicht, dass er insgesamt weniger kann oder sein Abschluss formal schlechter zu stellen wäre.

  • Die Frage ist doch, wo man mit so einer Betrachtung anfängt. Die Spezialisierung auf einen engeren Bereich heißt doch nicht automatisch, dass der Abschluss mehr wert ist als der etwas breitbandiger ausgebildete Allrounder. Der Allrounder mag in dem einen Spezialgebiet etwas weniger können als der Spezialist, das heißt jedoch nicht, dass er insgesamt weniger kann oder sein Abschluss formal schlechter zu stellen wäre.

    Ich habe auch nicht gesagt, dass man weniger kann. Man hat aber mit einem anderen Ziel studiert. Das Ziel des Lehramtes ist nicht das gleiche wie das eines Fachstudiums.

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