Klassenfahrten nach UK unter den derzeitigen Rahmenbedingungen

  • Meine Erachtens bringt es sowieso nichts, weitere Leben zu zerstören. Ein Urteil hätte sich für die Lehrerinnen eine Erlösung sein können, aber ein derart unausgewogenes Urteil ist das wohl eher nicht

    Da stimme ich dir voll zu.

    Schlimm genug was passiert ist. Jetzt weitere Leben/ Zukunften zu zerstören kann nicht zielführend sein.


    Ein Unglück ist es allemal wo wirklich einmal alles schief gelaufen ist. Das ist tragisch.

  • Wenn es tatsächlich so ist, dass die Plädoyers das Strafmaß erhöht haben, verliere ich den Glauben an die Justiz:

    Nein Leute , das ist eine falsche Interpretation

    Es ist einfach so, dass ich auf der einen Seite das Recht habe zu schweigen, um mich nicht zu belasten. Auf der anderen Seite ist es aber bei der Bemessung der Strafe durchaus relevant, ob der Angeklagte Reue zeigt oder nicht. Wenn also nach Aktenlage ein Schuldspruch wahrscheinlich ist, tue ich gut daran Tabula Rasa zu machen. Dies konnten wir auch in der Vergangenheit bei diversen Steuerstrafverfahren beobachten. Hinter verschlossenen Türen wird da sogar teilweise gedealt. Eigentlich so nicht zulässig, wird aber gemacht. Was heißt das? Der vorsitzende Richter hat ein informelles "Nichtgespräch" mit der Verteidigung und handelt auch, dass wenn der Angeklagte auspackt, die Gesamtfreiheitsstrafe um sagen wir mal drei Jahre reduziert. Wie gesagt, nicht gestattet, findet aber statt.


    Und da ist es dann (leider) tatsächlich so, dass derjenige der sich in einem solchen Strafverfahren als Angeklagter befindet, die besseren Karten hat, wenn er einen erfahrenen Strafverteidiger an seiner Seite hat. Dieser würde a.) bei klarer Beweislage ein Geständnis empfehlen und b.) frühzeitig versuchen mit dem Richter zu handeln. Das geht aber nur, wenn Richter und Verteidigung sich gegenseitig auch schon länger kennen. Insoweit habe ich mit einem Wald und Wiesen Verteidiger die A...Karte gezogen. Ich lasse eine komplzierte Bauch OP ja auch nicht von meinem Hausarzt machen.


    An der Stelle komme ich zu einem anderen Punkt. Eigentlich würde ich von meinem Arbeitgeber erwarten, dass der mir eine solide Verteidigung stellt und auch bezahlt (denn die nehmen mehr als die Pflichtverteidiger), wenn es sich um eine Straftat handelt, die im Dienst begangen wurde. Ist aber leider nicht der Fall, zur Zeit.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Um mal auf die Ausgangsfrage: "Klassenfahrten unter den derzeitigen Rahmenbedingungen" zurückzukommen, ziehe ich für mich aus dem ganzen Problem das Fazit, daß ich Klassenfahrten als Lehrer gar nicht mehr durchführen kann. Zur Durchführung bedarf es da schon eines auf Kranken-Reisen spezialisierten Reiseveranstalters, der dann auch während der Fahrt 24/7 ärztliches Begleitpersonal stellt.


    Das Haftungsrisiko, wenn man wirklich alle Schüler mitnehmen muß, ist einfach zu groß.

  • Um mal auf die Ausgangsfrage: "Klassenfahrten unter den derzeitigen Rahmenbedingungen" zurückzukommen, ziehe ich für mich aus dem ganzen Problem das Fazit, daß ich Klassenfahrten als Lehrer gar nicht mehr durchführen kann. Zur Durchführung bedarf es da schon eines auf Kranken-Reisen spezialisierten Reiseveranstalters, der dann auch während der Fahrt 24/7 ärztliches Begleitpersonal stellt.


    Das Haftungsrisiko, wenn man wirklich alle Schüler mitnehmen muß, ist einfach zu groß.

    Dass das ein deutlicher Fehlschluss ist, wurde hier bereits mehrfach aufgezeigt. Es reicht vollkommen aus, nicht grob fahrlässig zu handeln und sich an die absoluten - und wie gesagt auch selbst Einsteigern bekannten - Mindeststandards der Sorgfaltspflicht zu halten. Dann gibt es auch keine Haftungsrisiken.


    PS: Es ist die Pflicht jeder Lehrkraft, sich über geltende rechtliche Rahmenbedingungen des eigenen Tuns zu informieren. Die Schlussfolgerung kann also nicht lauten "Ich informiere mich nicht, daher führe ich meine Dienstpflichten nicht aus", sondern "Dann muss ich mich halt endlich mal informieren".

  • Das Abfragen von Vorerkrankungen ist keine Dienstpflicht. Der korrekte Umgang mit besonderen Diagnosen schon gleich gar nicht, wir drehen uns im Kreis. Dass irgendwer deswegen keine Fahrten mehr macht, ist seine persönliche Entscheidung, ich treffe diese Schlussfolgerung daraus nicht. Allerdings bleibt ein schlechtes Gefühl zurück auch in Hinblick auf den Unterrichtsalltag. Wenn ich im Zweifel nicht auf meinen Arbeitgeber vertrauen kann, dass der juristisch regelt, was an Grundlagen zwingend notwendig ist, geht jede Sicherheit für mein Handeln verloren.


    Was das Gerichtsverfahren angeht, habe ich den Eindruck dass niemand von uns fundierte Kenntnisse über solche hat. Offenbar gelten dort Spielregeln, die sich dem Otto-Normal-Menschen entziehen.

  • Das Abfragen von Vorerkrankungen ist keine Dienstpflicht.

    Eben doch. Wenn du diese Informationen zur Grundlage deiner Planung machen sollst, musst du die Informationen wohl auch einholen.

    Der korrekte Umgang mit besonderen Diagnosen schon gleich gar nicht, wir drehen uns im Kreis.

    Nein, wir müssen nicht Medizin studieren, um auf Klassenfahrt zu fahren. Die Ausbildung zur Diabetes-Fachkraft dauert zwei Stunden und lehrt im Wesentlichen, dass rechtzeitig den Rettungswagen ruft. Da habe ich aber auch nur zufällig von erfahren.

  • Das Abfragen von Vorerkrankungen ist keine Dienstpflicht. Der korrekte Umgang mit besonderen Diagnosen schon gleich gar nicht, wir drehen uns im Kreis.

    Wir drehen uns im Kreis, weil Fakten, die man nicht hören will, ignoriert werden.

    Für NRW ist der ausdrückliche Gesetzestext hier gepostet worden, wir haben (für Niedersachsen) in dieser Woche auch ein Schreiben der RLSchB erhalten, das darauf hinweist, dass die Abfrage erfolgen muss.

    • Offizieller Beitrag

    Bzgl. Gesetzestext bezieht ihr euch ja auf die hier geposteten Richtlinien zu Schulfahrten.

    Abschnitt 4, 4.2


    Oder gab es noch einen anderen Link.


    Interpretation: wenn man eine Klassenfahrt plant und Rücksicht auf Schüler mit chronisch erkrankten nehmen muss, muss man diese natürlich abfragen. Logisch. (Oder anderweitig Kenntnis haben.)

    ich würde diese Abfrage auch immer schriftlich machen ... denn schwarz auf weiß ist immer besser.

    Aber aus dem Erlass für Schulfahrten geht IMHO nicht hervor, dass diese logischerweise zugrundeliegende Abfrage (jegweder Art) schriftlich sein muss.


    Oder habe ich in den letzten 300 Beiträgen einen anderen NRW-Gesetzestext übersehen? Falls ja, postet / verlinkt ihr ihn nochmal eben? Danke.

  • Aber aus dem Erlass für Schulfahrten geht IMHO nicht hervor, dass diese logischerweise zugrundeliegende Abfrage (jegweder Art) schriftlich sein muss.

    Ich hatte zuerst auf den Erlass verwiesen. Tatsächlich ist dort nicht explizit von einer schriftlichen Abfrage die Rede; dies ergibt sich aber m. E. aus dem Umstand, sich abzusichern: Natürlich kann ich die Gefährdungsbeurteilung auch aufgrund rein mündlich getätigter Äußerungen vornehmen; aber im Unglücksfall kann jedes Elternteil dann behaupten "Das haben wir dem kleinen grünen Frosch aber vorher gesagt, dass Vincent-Wendelin allergisch auf Leinenbettwäsche reagiert." Da ist es zur Eigenabsicherung hilfreich, einen von den Eltern unterschriebenen Zettel aus der Tasche ziehen zu können.

  • Da ist es zur Eigenabsicherung hilfreich, einen von den Eltern unterschriebenen Zettel aus der Tasche ziehen zu können.

    Schon, ja. Aber kann ein Gerichtsurteil darauf basieren, dass eine schriftliche Abfrage versäumt wurde, die gar nicht explizit verlangt wird?

    • Offizieller Beitrag

    Antimon - danke. Das war genau meine Überlegung.


    Es wird (egal wie sinnvoll) gesetzlich nicht die Schriftform verlangt ... also kann dies auch nicht die Basis für das Urteil sein. Definitiv nicht. Würde ich also juristischer Laie sagen.

  • Schon, ja. Aber kann ein Gerichtsurteil darauf basieren, dass eine schriftliche Abfrage versäumt wurde, die gar nicht explizit verlangt wird?

    Disziplinarrechtlich wird man denen das nicht vorwerfen können. Dem Strafrecht kann das aber im Zweifel egal sein.

  • Aber wie sollen sie gegen eine rechtliche Grundlage verstoßen haben, die es gar nicht gibt?

    Der Straftatbestand war die fahrlässige Tötung. Das Gericht ging davon aus, dass die beiden Lehrerinnen nicht mit der nötigen Sorgfalt bei der Planung der Fahrt vorgegangen sind. Dass diese Sorgfalt jetzt von Ministerium, Bezirksregierung, Schulleitung, ... so nicht festgehalten war, heißt nicht, dass die Sorgfalt nicht vorausgesetzt werden kann.

    Ich war bei der Verhandlung nicht dabei, mit den Infos die ich habe, wäre ich als Schöffe womöglich auch zu einem anderen Ergebnis gekommen. Aber am Ende werden mind. vier der fünf Richter ein fahrlässiges Handeln gesehen haben, das zum Tod der Schülerin führte.

    Fahrlässige Tötung passiert auch recht schnell. Heute musste ich zum Beispiel zum Zug rennen, weil ich etwas spät dran war. Der Bahnsteig war recht voll. Wäre jemand jetzt durch mein eiliges Handeln auf die Gleise gefallen und zu Tode gekommen, wäre das womöglich auch schon eine fahrlässige Tötung.

  • Aus den Medienberichten geht zumindest hervor, dass das ein urteilsbegründender Vorwurf ist. Das ist halt im Kontext zu sehen. Wir waren alle nicht dabei, aber jeder hat halt so seine Meinung. Ich wünsche den beiden, dass das mit der Revision durchgeht.

  • Die Lehrerinnen sind nicht dafür verurteilt worden, dass sie die Gesundheit nicht schriftlich abgefragt haben, sondern dass sie den Schaden nicht abgewendet haben. In der Garantenstellung stehen sie eben nicht nur für ihre Unterlassung ein, sondern strafrechtlich auch für den „Erfolg“, (den eingetretenen Tatbestand), also eben nicht nur für die Sorgfaltspflichtverletzung, sondern es ist dann ein Tötungsdelikt, sofern zwischen dem Tod und dem eigentlich kleinen Vergehen ein Kausalzusammenhang besteht. Kleine Fehler können so schnell immense Haftungs- sowie strafrechtliche Folgen haben.


    Das gilt für Klassenfahrten sicher in besonderer Weise, wo zu wenige Personen eine zu komplexe Situation beherrschen sollen und dabei nicht nur betreuen, sondern auch das Programm organisieren müssen und unter Stress und Schlafmangel keine Fehler machen dürfen. Kann man ernsthaft niemandem empfehlen. Wir hatten bisher einfach Glück, Sorgfalt hin oder her.


    Wenn sie die Gesundheit schriftlich abgefragt hätten, wären sie vermutlich auch verurteilt worden.

  • Wir gehen in Sonderwochen durchaus auch mit fremden Schüler*innen Velofahren oder in die Berge. Dann kommen aber zwei Lehrpersonen auf 12 Jugendliche. Ich hätte eine Fahrt wie im vorliegenden Fall niemals organisiert. Aber bei euch scheint sowas üblich zu sein.

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