Altersfreigabe von Filmen

  • Wie sollte Herr M-L verfahren? 42

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    Der rein fiktive Herr Müller-Lüdenscheidt unterrichtet an einer bayerischen Mittelschule eine siebte Klasse u. a. in Deutsch und GPG (Geschichte - Politik - Geographie).


    Die Bereitschaft zum Lesen längerer Text ist bei den meisten Schülerinnen und Schülern eher mäßig ausgeprägt.


    Nun hat man bei der letzten Lehrplanreform den I. Weltkrieg von der 8. auf die 7. Jahrgangsstufe verschoben. Da sind die Kinder plus minus 12 Jahre alt.


    Herr M-L liest mit seiner 7- Klasse "Im Westen nichts Neues" in einfacher Sprache. Lesefaule Schüler liefern sich Wettrennen, wer die meisten Seiten bis zum nächsten Tag schafft.


    Drei Schüler haben bereits die neue Netflix-Verfilmung gesehen, die restliche Klasse möchte diese nun unbedingt auch sehen, leider ist sie erst ab 16 Jahren freigegeben/empfohlen.


    Wie sollte Herr M-L verfahren?

  • Wenn der Inhalt pädagogisch und kritisch-reflektierend behandelt wird, wieso nicht (1)

    Dafür hab ich gestimmt.

    Einfach das Okay der Schulleitung geben lassen, dann ist er ggf. aus dem Schneider (1)

    Dir SL würde ich mit deiner o.g. Erklärung informieren

    Und ebenso die Eltern.

    Einen Elternbrief rausgeben, um die Erlaubnis der Eltern einzuholen, dass ihr Kind den Film sehen darf (1)

    Wer Fehler findet darf sie behalten und sich freuen! :victory:

  • Ich arbeite an einer Grundschule, habe auch aus Elternsicht eine eindeutige Meinung.

    Den Film einfach zu zeigen geht meines Erachtens nach gar nicht! Auch die Schulleitung wird es sicher NICHT erlauben. Ich finde es etwas erschreckend, überhaupt anzunehmen, dass das Möglichkeiten wären. Schließlich gibt es nicht umsonst die FSK Angaben und die Kinder, um die es hier geht (es sind ja noch nicht mal Teenies) sind nicht um die 16 Jahre (manche noch 15 Jahre, dann könnte man darüber vielleicht diskutieren), nein, sie sind ziemlich genau um die 12 Jahre, für die es bei FSK Angaben ja die Kategorie FSK 12 gibt.

    Die Frage wäre, ob der Lehrer selbst sich die Netflix Verfilmung angesehen hat und die kritischen Stellen kennt, die zur Einstufung in FSK 16 geführt haben. Wenn es nicht zu viele sind, könnte man die eventuell überspringen und kurz die Handlung in den Szenen zusammen fassen, aber selbst dafür bräuchte man dann meines Erachtens nach die Information an die Eltern und deren Einverständnis.

    Ich würde es sein lassen oder auf eine der alten Verfilmungen zurückgreifen.

  • Die FSK ist eine Empfehlung, keine Pflicht. Es geht um einen Film, dessen Inhalt im Lehrplan für 12jährige steht. Den Film haben schon Einige ohne Begleitung durch Erwachsene gesehen und hatten bisher somit nicht die Möglichkeit das Gesehene zu besprechen/verarbeiten. Ich selbst hab den Film nicht gesehen und kann daher nicht beurteilen wie belastend bestimmte Szenen sein könnten. Daher stimme ich dir Mara zu, dass es sehr wichtig wäre, dass Dendemeier den Film vorher anschaut und kritische Stellen noch seinem Ermessen begleitet.

    • Offizieller Beitrag

    Es mag eine Empfehlung und keine Pflicht sein, aber ich würde sie so auslegen, dass sie für meinen Unterricht gilt.
    Selbst bei einer FSK 16 hätte ich bei einer 10. Klasse Probleme (was zum Beispiel auch im SoWi-Unterricht vor Jahren dazu führte, dass man "das Experiment" im Zuge von G8 nicht mehr gucken konnte.)
    Nur, weil einige zu Hause beaufsichtigt oder unbeaufsichtigt die FSK nicht einhalten: das mache ich in meiner professionellen Rolle nicht! Und es ist echt schwierig, die Kinder einzuschätzen.
    Ich bin jahrelang (und ich spreche von mindestens einem Jahrzehnt!) von Schindlers Liste traumatisiert gewesen, das ich mit 14 angucken "durfte", kurz nach "die Nürnberger Prozesse" (der Geschichtslehrer der 8. Klasse hatte wohl viel Zeit zu verlieren), und der Film hätte in Deutschland die passende Freigabe gehabt. Ich war halt sehr empfindlich.


    Vor ein paar Jahren habe ich in meinem Unterricht den Film "Napola" gezeigt, dieser Film wird immer wieder gezeigt und ich hatte den Anruf der Mutter einer 17-jährigen Schülerin, ob ihre Tochter dem zweiten Teil bitte fernbleiben darf. Ich hatte - obwohl ich selbst zu Hause in der Vorbereitung echt Probleme hatte zu schauen - unterschätzt, dass es auch für eine Schülerin schwierig sein kann.
    Ich habe das lösen können und es war nicht schlimm, aber mein Unterricht baute auf die Beobachtungsaufträge, meine Reihe werde ich nie wieder so halten.

    und darüber hinaus: mit welchen Rechten (und Zugang) zeige ich einen Netflix-Film im Unterricht?

  • Wenn du deinen SuS einen Film ohne passende Altersfreigabe zeigen willst im Unterricht darfst du das rein rechtlich gesehen zwar, weil es keine öffentliche Vorstellung ist (ausgeschlossen ab 18), allerdings solltest du einerseits prüfen, warum es diese Altersfreigabe gibt und ob es tatsächlich vertretbar ist, der Klasse den kompletten Film, ohne Überspringen besonders gewalttätiger Szenen zuzumuten. Darüber hinaus benötigst du das schriftliche Einverständnis sämtlicher Erziehungsberechtigten (vor allem bei getrennt lebenden Eltern wichtig zu beachten in so einem Fall) und solltest dir vorab das OK deiner SL holen.

    Persönlich würde ich darauf verzichten. Ich erinnere mich in der 8. Klasse nach einer Dokumentation über KZs weinend aus dem Raum gelaufen zu sein (obgleich das inhaltlich nicht neu war für mich, waren die Bilder zu drastisch für mich). Ich hatte über Monate Albträume von diesen Bildern. Meiner Schwester ging es in der Mittelstufe ähnlich. Es reicht ein Kind im Raum, für das der Film zu überwältigend ist am Ende, um dessen Zeigen letztlich nicht mehr rechtfertigen zu können. Nachdem du das nicht gesichert ausschließen kannst, würde ich persönlich anders vorgehen und gehe auch anders vor.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    • Offizieller Beitrag

    Ich habe die erste Antwort angeklickt. Es ist die einzig korrekte.

    Wobei: die Formulierung ist sehr unschön - es geht nicht um "Angst". Sondern um Vernunft und Veranwtortung.


    Dies ist eine typische Situation, in der der Schulleiter bei einer Elternbeschwerde dem Lehrer "in den Rücken fallen" müsste und klar sagen müsste: ja, das war falsch. Bzw. "Ja, das durftest du nicht".


    Denn im Gegensatz zu isd's Aussage ist "FSK 16" keine "Empfehlung". Im Hinblick auf FSK16-Filme im Kino ist gesetzlich (Jugendschutzgesetz) klar vorgegeben, dass diese Filme erst ab 16 gesehen werden dürfen. Da ist es auch egal, ob eine erwachsene Begleitperson dabei ist. Kinos würden gegen das Jugendschutzgesetz verstoßen.

    In Schulen ist es keine öffentliche Film-Veranstaltung (dann dürfte man den Film als Lehrer gar nicht zeigen), aber die FSK-Bedingungen sollten 1 zu 1 übertragen werden.


    Also: klare Antwort - nicht zeigen und sich ggf. im Vorfeld mal mit dem Jugendschutzgesetz (§11, Abschnitt 1 und 2) beschäftigen.


    kl. gr. frosch

  • Ich habe auch das erste angeklickt, obwohl ich mich über die Formulierung geärgert habe.

    Es geht mir nicht darum brav zu sein, sondern die Kinder zu schützen.

    Und da sollte man sich nicht davon leiten lassen, dass ein paar Kinder damit prahlen welche FSK 16 Filme sie bereits kennen....



    Abgesehen davon finde ich einen solchen Film als Stundenfüller vor den Sommerferien doppelt unpassend!

    • Offizieller Beitrag

    Nachtrag bzgl. "keine öffentliche Filmveranstaltung": was das angeht sind sich die Lizenzgeber und die kommunalen Spitzenvereinigungen allerdings noch uneinig.


    Netflix schreibt übrigens explizit dazu:

    Genehmigung zur Vorführung für Bildungszwecke

    Netflix ist stolz darauf, dass sich die Benutzer von unseren Original Programmen angesprochen fühlen. Wir wissen, dass viele von Ihnen von diesen Filmen und Serien ebenso begeistert sind wie wir und sie wegen ihres lehrreichen Charakters gerne zu Bildungszwecken vorführen würden – sei es in der Schule, beim nächsten Vereinstreffen oder in Ihrem Buchclub. Deshalb werden wir unter den folgenden Bedingungen eine einmalige Vorführung aller entsprechend gekennzeichneten Titel zu Bildungszwecken gestatten:

    Bei "Im Westen nichts Neues" kann ich keine entsprechende Kennzeichnung entdecken. (Kann ja auch nicht, ist ja auch kein Dokumentarfilm.) Im Sinne des Rechteanbieters ist das Zeigen des Films damit also (unabhängig von der FSK) in der Klasse also generell nicht erlaubt.

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    #Zesame:!:


    Konzentrieren Sie sich ganz auf den Text, wenden Sie das Ganze auf sich selbst an. (J.A. Bengel)

  • Vielen Dank für die Abstimmung, die Argumente und Sichtweisen. Die Materialien und Dokus vom ÖR sind oft super und Herr Müller-Lüdenscheidt setzt sie gerne wohldosiert ein.


    Wäre es kein (Anti-)Kriegsroman, dann würde sich das vergleichende Arbeiten mit Literatur und Literaturverfilmung didaktisch beinahe aufdrüngen.


    Wie eingangs erwähnt, hat Herr M-L auch so seine Bedenken, ob das Verschieben der Urkastastrophe des 20. Jahrhunderts von Jgst. 8 zu 7 der Weisheit letzter Schluss war. Fairerweise muss man auch sehen, GPG an bayerischen Mittelschule ein gedritteltes, also zurechtgestutztes und verkümmertes Pflänzchen ist. Irgendwo muss man den Stoff unterbringen und es gilt nach dem I. Weltkrieg noch einige, teils größere Kastastrophen der Menschheitsgeschichte zu behandeln:


    8. Klasse - Jugendliche zwischen 13 und 15 Jahren --> NS-Zeit, Nachkriegsdeutschland


    9. Klasse - Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren --> Kalter Krieg, Stellvertreterkriege, Wettrüsten, Tschernobyl, Terrorismus


    10. Klasse - Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren --> Menschenrechtsverletzungen anhand Beispielen, Extremismus und Radikalisierung


    Grundsätzlich wäre der Einsatz des Films durch Herrn Müller-Lüdenscheidt kein stumpfer "Stundenfüller vor den Sommerferien", schließlich liest Herr M-Ls Klasse nun mal gegen Ende der siebten Jahrgangsstufe dieses Buch. Aufgrund der durchaus drastischen Schilderungen im Buch wurde hierfür bewusst ein Zeitpunkt spät im Schuljahr gewählt.


    Auf weiter Antworten zu dem Fall bin ich sehr gespannt.

  • Hol dir, wenn du das partout machen möchtest die schriftliche Erlaubnis sämtlicher Erziehungsberechtigten, sowie das OK deiner SL (denn es geht ja wohl um deinen Unterricht, nicht um den, eines fiktiven Kollegen). Denk daran, dass du aus Urheberrechtsgründen nicht in der Schule streamen darfst. Nachdem das Zeigen eines Filmes mit FSK 16 Wellen schlagen könnte auch im Kollegium, solltest du weitere rechtliche Problempunkte von vornherein ausschließen, damit Dir nicht doch noch jemand im Nachgang berechtigt ans Bein pinkeln kann. Mache den Eltern vorab in einem Elternbrief deutlich, warum es ein Film mit FSK 16 ist, damit diese begründet abwägen können, ob sie es für vertretbar halten, dass ihre Kinder diesen sehen. Mach deinen SuS vor dem Anschauen deutlich, dass sie jederzeit stoppen können oder hinausgehen können, wenn der Film sie belasten sollte.

    Pädagogisch halte ich es zwar für den falschen Weg, einen solchen Weg mit Siebtklässlern anzusehen, aber wenn du es machst, dann zumindest rechtlich sauber und pädagogisch hoffentlich entsprechend eingebettet und entlastet.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    Einmal editiert, zuletzt von CDL () aus folgendem Grund: Autofill ärgert mich heute...

  • Wie eingangs erwähnt, hat Herr M-L auch so seine Bedenken, ob das Verschieben der Urkastastrophe des 20. Jahrhunderts von Jgst. 8 zu 7 der Weisheit letzter Schluss war.

    Selbst, wenn der Inhalt in Klasse 8 gelehrt werden würde, wären die Schüler noch weit entfernt von den empfohlenen 16 Jahren - wo ist dein Argument?

    Nachtrag. Was mich ein bisschen besorgt, ist die Tatsache, dass es sich anhört, als würdest du, solltest du den von dir anscheindend präferierten Weg, den Film zu kucken, nicht gehen, dies aus äußerst fragwürdigen Gründen tun: Nicht, weil du die Schüler schützen willst, sondern weil du Angst vor etwaigen Konsequenzen hast.

  • Schon die Formulierung der möglichen Antworten ist tendenziös. Den Film nicht zeigen hat nichts mit "brav an die Vorgaben halten, um keinen Ärger zu riskieren" zu tun, sondern mit Verantwortung.


    Zwei Einschätzungen:


    Die SuS sind 12, die FSK sagt "ab 16" - und das in diesem Fall aus guten Gründen. Von mir als Vater hätte Herr M-L mindestens eine dicke Beschwerde an der Backe. Ich würde erwarten, dass Pädagogen hier mehr Fingerspitzengefühl zeigen.


    Und zweitens: Wer den Film gesehen hat kann doch nicht im Traum daran denken, so etwas Kindern im Alter von 12 zu zeigen?


    Ich wundere mich auch gerade über einige ForenuserInnen hier, die das irgendwie so hinbiegen wollen, dass es möglich ist.

  • Ich wundere mich auch gerade über einige ForenuserInnen hier, die das irgendwie so hinbiegen wollen, dass es möglich ist.

    Zumindest ich möchte gar nichts "hinbiegen", habe nur deutlich gemacht, wie das abzulaufen hätte, da ich den Eindruck habe angesichts der tendenzioesen Antwortoptionen, dass den Kollegen unsere Aussagen nicht stoppen werden am Ende, ganz gleich für wie falsch viele von uns das Zeigen des Films halten mögen. Ich baue insofern darauf, dass dann zumindest die SL ihr Okay verweigert oder eben irgendein vernünftiges Elternteil sein Einverständnis.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Das Thema im Unterricht schon so früh zu behandeln und einen Film dazu schauen, sind zwei völlig verschiedene Dinge.

    Beim Lesen macht man sich selbst Bilder (die leider auch schon problematisch sein könnten), beim Schauen aber sieht man Bilder, die man dann oftmals nicht mehr aus dem Kopf bekommt.

    Wenn die Lehrkraft das Einverständnis der Eltern einzuholen versucht, fühlen sich u. U. manche unter Druck gesetzt bzw. werden ihre Kinder/Jugendliche sich bloßgestellt fühlen, wenn ihre Eltern das Einverständnis nicht geben.

    M. E. sollte man sich an die FSK halten. Die Kinder sehen schon zu oft zu früh verstörende Bilder und sind so sehr unterschiedlich in ihrer Entwicklung.

    Die Weisheit des Alters kann uns nicht ersetzen, was wir an Jugendtorheiten versäumt haben. (Bertrand Russell)

    Einmal editiert, zuletzt von MarieJ () aus folgendem Grund: Rechtschreibung

  • Beim Lesen macht man sich selbst Bilder (die leider auch schon problematisch sein könnten), beim Schauen aber sieht man Bilder, die man dann oftmals nicht mehr aus dem Kopf bekommt.

    Ich sehe es umgekehrt. Die Bilder, die man sich selbst macht sind häufig deutlich schlimmer.

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