Tödlicher Schwimmunfall ist fahrlässige Tötung- wie bewertet ihr das Urteil?

  • Denk einfach mal an den Straßenverkehr. Dort hast du stets mit angepasster Geschwindigkeit zu fahren (vgl. eigene Gefährdungsbeurteilung der Lehrkraft). Trotzdem gibt es Tempolimits, die überall ausgeschildert sind als absolute staatliche Vorgabe ab welcher Geschwindigkeit das Fahren als nicht mehr als „angepasst“ angesehen werden kann (vgl. staatliche Vorgabe für den Betreuungsschlüssel im Schwimmunterricht ).

    Also wenn es festgelegt ist. Sagen wir es sind 6 Nichtschwimmer pro Lehrkraft. Also es sind 6 Kinder im Wasser und es stirbt dann jemand. War alles nach der Norm durchgeführt. Dann ist man auch nicht fein raus. Es hilft nur bedingt und wenn was passiert. Eigentlich hilft es nur der SL hier nicht belangt zu werden.

    Auch diese liegen bereits vor. Das entlastet aber Lehrkräfte nicht pauschal von den zugehörigen Sorgfaltspflichten.

    Davon ist man niemals entbunden. Egal wie haarklein die Angelegenheit geregelt ist. Diese Verhandlung wäre genauso ausgegangen.

  • Also wenn es festgelegt ist. Sagen wir es sind 6 Nichtschwimmer pro Lehrkraft. Also es sind 6 Kinder im Wasser und es stirbt dann jemand. War alles nach der Norm durchgeführt. Dann ist man auch nicht fein raus. Es hilft nur bedingt und wenn was passiert. Eigentlich hilft es nur der SL hier nicht belangt zu werden.

    Genau anders herum wird ein Schuh draus. Wenn die Festlegung lautet „maximal 6 Schüler pro Lehrkraft“, braucht sich kein Sportlehrer mehr dafür zu rechtfertigen, warum es seiner Meinung nach nicht reicht, wenn die SL nur einen Sportlehrer und einen Referendar für den Schwimmunterricht mit 30 Schülern einplant.

  • Auch die betreffenden Anwälte und Richter unterrichten kein Schwimmen an der Grundschule. Das disqualifiziert aber keine der Personengruppen darin, auf die rechtlichen Rahmenbedingungen hinzuweisen.

    In einer Verhandlung setzen sich Richter und Anwälte stundenlang mit der Thematik auseinander. Wenn der Richter etwas nicht beurteilen kann, holt sich ein Gutachter dazu. Hier wird sich sicherlich kaum jemand damit so intensiv beschäftigen.

    Sei dir im Übrigen sicher, dass sich auch Lehrkräfte an weiterführenden Schulen ausgiebig mit der Problematik des Schulschwimmens beschäftigen können und dies getan haben. Die Frage wie man mit Nichtschwimmern in schulischen Settings umgeht, stellt sich bei weitem nicht nur an Grundschulen.

    Da liegen aber Welten zwischen. Du hast in der Sek deutlich weniger, sie sind vernünftiger, sie sind größer, du musst die nicht schwimmenden Kinder nicht so intensiv betreuen ...

    Unsere örtliche Sek 1 Schule geht auch mit 2 Lehrkräften und den Nichtschwimmern zum Schwimmen. Allerdings tatsächlich nur mit 6 Kindern. Und warum? Weil es in Jahrgang 5 und 6 nur 6 Nichtschwimmer gibt.

    Ein Urteil liegt bereits vor. Es wird nur noch einmal überprüft.

    Es wird nicht nur überprüft. Es ist schlicht nicht rechtskräftig. Außerdem haben die Anwälte nach den Berichten Berufung nicht Revision eingelegt. D.h. das Urteil wird einer erneuten Tatsachenprüfung unterzogen. Es könnte auch eine Beweisaufnahme geben. Bei einer Revision würde man von den Tatsachen ausgehen und "nur" das Urteil auf Rechtsfehler prüfen.

  • Genau anders herum wird ein Schuh draus. Wenn die Festlegung lautet „maximal 6 Schüler pro Lehrkraft“, braucht sich kein Sportlehrer mehr dafür zu rechtfertigen, warum es seiner Meinung nach nicht reicht, wenn die SL nur einen Sportlehrer und einen Referendar für den Schwimmunterricht mit 30 Schülern einplant.

    Das ist richtig. Wenn das eingehalten wird und was passiert ist die Lehrkraft trotzdem dran. Die Einhaltung der Vorgabe schützt nur die SL.

  • Wenn das eingehalten wird ist die Lehrkraft nicht "trotzdem dran", sondern die Situation bleibt im Grundsatz genau die gleiche wie jetzt: die Lehrkraft muss weiterhin jede Situation auf eine mögliche Gefährdung prüfen und das Unterrichtsseting entsprechend anpassen. Es kann weiterhin Gründe geben, durch die man hinterher zu dem Ergebnis kommt, dass eine besondere Berücksichtigung notwendig gewesen wäre und man für die folgen haftet.

    Genau wie in jedem anderen Lebensbereich.

  • Das ist richtig. Wenn das eingehalten wird und was passiert ist die Lehrkraft trotzdem dran. Die Einhaltung der Vorgabe schützt nur die SL.

    Etwas passieren kann immer und überall. Aber darum geht es bei der Strafbarkeit ja gerade nicht, sondern darum, ob die Sorgfaltspflicht durch die Lehrkraft verletzt wurde.

    Solche Vorgaben schützen vor allem Lehrkräfte davor, nicht zu zweit mit 30 Kindern ins Schwimmbad zu müssen.

  • Wenn das eingehalten wird ist die Lehrkraft nicht "trotzdem dran", sondern die Situation bleibt im Grundsatz genau die gleiche wie jetzt: die Lehrkraft muss weiterhin jede Situation auf eine mögliche Gefährdung prüfen und das Unterrichtsseting entsprechend anpassen. Es kann weiterhin Gründe geben, durch die man hinterher zu dem Ergebnis kommt, dass eine besondere Berücksichtigung notwendig gewesen wäre und man für die folgen haftet.

    Genau wie in jedem anderen Lebensbereich.

    Genau das ist der Punkt: Eine besondere Berücksichtigung. Die bisherigen Pressemeldungen lesen sich aber so, dass keine besonderen Gründe gibt sondern das an den meisten Schulen normale Setting bereits nicht ausreichend ist. Oder anders auch gedrückt auch in einer vollkommen normalen Unterrichtssituation ohne besondere zusätzliche Gefahren ist die Vorgabe des Landes selbst wenn man sie übertrifft unzureichend.

  • Was anzumerken ist, wenn das ursprüngliche Verfahren ein Einzelrichterverfahren war (die Vermutung liegt an Hand von Pressefotos Nähe), dann ist es das beim Berufungsverfahren vor dem Landgericht nicht mehr. Hier sitzen dann zwei Schöffen und ein hauptberuflicher Richter zusammen. Diese (also die Schöffen) bringen eine etwas pragmatischere Sichtweise in die Verhandlung ein. Wie sich das auswirkt werden wir sehen.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • https://www.lkz.de

    Nach Urteil gegen Lehrerinnen in Konstanz

    Ludwigsburger Grundschulen setzen den Schwimmunterricht aus

    Leider hinter der Bezahlschranke. Ich kann aber morgen in der Printausgabe schauen, falls jemand mehr wissen möchte.

  • Leider hinter der Bezahlschranke. Ich kann aber morgen in der Printausgabe schauen, falls jemand mehr wissen möchte.

    Das wäre nett. Danke

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Nach Urteil gegen Lehrerinnen in Konstanz

    Ludwigsburger Grundschulen setzen den Schwimmunterricht aus

    Interessant - besonders, weil sich in Ludwigsburg eine Pädagogische Hochschule befindet, an der auch Sport - und somit auch Schwimmunterricht füŕ Grundschulen - gelehrt und geprüft wird.
    Vermutlich wird nun das Wasser aus den Becken gelassen, damit praktische Übungen mit Schülern eingeübt werden können.

    «Wissen – das einzige Gut, das sich vermehrt, wenn man es teilt.» (Marie von Ebner-Eschenbach)
    Meine Beiträge können Spuren von Ironie und Sarkasmus enthalten

  • Interessant - besonders, weil sich in Ludwigsburg eine Pädagogische Hochschule befindet, an der auch Sport - und somit auch Schwimmunterricht füŕ Grundschulen - gelehrt und geprüft wird.
    Vermutlich wird nun das Wasser aus den Becken gelassen, damit praktische Übungen mit Schülern eingeübt werden können.

    Fun fact: An der PH Ludwigsburg ist das Sportzentrum seit Jahren geschlossen und wird derzeit neu gebaut. Von außen kann man gut die leeren Schwimmbecken sehen. Bist also sehr, sehr nahe an der Wahrheit dran.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Jetzt mal ein bisschen zynisch: Wir machen halt mal ne Online-Fortbildung, um das Vertrauen der Lehrkräfte in ihre Handlungskompetenz zu stärken und geben Materialien raus. Und alles ist wieder gut und die Einhörner pupsen wieder Glitzerstaub.

    Aber die Frage, wie denn bitteschön genügend qualifiziertes Personal zur Verfügung gestellt wird und die Rahmenbedingungen für die Schulen verbessert werden können, das habe ich überlesen. Letzteres würde eher helfen, die unheimlich wichtige Schwimmfähigkeit zu trainieren und das sicher für die Kinder und mit minimiertem Risiko für die Lehrkräfte.

    Tim Finnegan liv’d in Walkin Street
    A gentle Irishman mighty odd.

  • Aber die Frage, wie denn bitteschön genügend qualifiziertes Personal zur Verfügung gestellt wird und die Rahmenbedingungen für die Schulen verbessert werden können, das habe ich überlesen.

    Für mich war das mit den Fortbildungen auch mal wieder Zynismus pur. Wenn es dem Schulamt und der Stadtverwaltung so wichtig ist, dass das Schulschwimmen stattfindet, dann sollen sie doch während der Zeit des Schwimmunterrichts ausreichend Bademeister für die Aufsicht stellen, so dass ein entsprechender Betreuungsschlüssel gewährleistet ist.

  • Aber die Frage, wie denn bitteschön genügend qualifiziertes Personal zur Verfügung gestellt wird und die Rahmenbedingungen für die Schulen verbessert werden können, das habe ich überlesen. Letzteres würde eher helfen, die unheimlich wichtige Schwimmfähigkeit zu trainieren und das sicher für die Kinder und mit minimiertem Risiko für die Lehrkräfte.

    Es ist utopisch die Vorraussetzungen, die einzelne hier im Thread fordern, flächendeckend umzusetzen. Selbst, wenn das Geld da wäre, würde man niemals auch nur annähernd genug qualifiziertes Personal finden.

    Letztlich wird Schwimmunterricht immer ein Risiko bergen und man muss klar machen, welches Risiko akzeptabel ist. Hört sich böse an, ist aber letztlich in den meisten Bereichen des Lebens Realität.

  • dann sollen sie doch während der Zeit des Schwimmunterrichts ausreichend Bademeister für die Aufsicht stellen, so dass ein entsprechender Betreuungsschlüssel gewährleistet ist.

    Also hier gibts weder bei Vereins noch bei Schulschwimmen noch Bademeister, dafür sind wir selber verantwortlich,

  • Für mich war das mit den Fortbildungen auch mal wieder Zynismus pur. Wenn es dem Schulamt und der Stadtverwaltung so wichtig ist, dass das Schulschwimmen stattfindet, dann sollen sie doch während der Zeit des Schwimmunterrichts ausreichend Bademeister für die Aufsicht stellen, so dass ein entsprechender Betreuungsschlüssel gewährleistet ist.

    Wir haben bei uns 2 Klassen parallel im Bad. Das sind rund 40-50 Schüler. Plus normale Badegäste. Bei einem Schlüssen von 8 Kindern pro Bademeistern bräuchte die komplette Woche über durchgehend 6 Bademeister. Für die Schwimmgäste und die Schüler. Dazu noch Menschen, die die anderen Aufgaben der Bademeister übernehmen und natürlich Urlaubsvertretungen und Krankheiten. Wahrscheinlich brauche ich am Ende rund 10 Bademeister. Und das nur bei uns. Die Nachbargemeinden etc. brauchen das auch. Wo findet man das Personal? Wie bezahlt man das? Was kostet das Schwimmen dann für Normalos? Oder arbeiten die Bademeister dann alle nur Halbtags? Und selbst wenn wir das alles lösen würden, dann werden immer noch Unfälle passieren. Machen wir dann 6,5,4,3 Kinder pro Rettungsschwimmer?

  • Es ist utopisch die Vorraussetzungen, die einzelne hier im Thread fordern, flächendeckend umzusetzen. Selbst, wenn das Geld da wäre, würde man niemals auch nur annähernd genug qualifiziertes Personal finden.

    Dann kann es wohl keinen Schwimmunterricht geben. Schade.

  • Und auch weiterhin sind weder die beiden Lehrkräfte noch die Schule wegen nicht passender Rahmenbedingungen verurteilt worden, sondern die beiden Lehrkräfte wegen Beurteilungsfehlern während der Durchführung des Schwimmunterrichtes.

    Aus diesem Urteil lassen sich keine Anforderungen an andere Rahmenbedingungen ableiten, da die Rahmenbedingungen nicht das Problem waren.

    Wir führen jetzt hier eine Diskussion, die vergleichbar damit ist, dass der ÖPNV seinen Betrieb einstellen würde, wenn ein Busfahrer für die Verursachung eines Unfalls verurteilt worden wäre, weil er bei rot über die Ampel gefahren ist.

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