Was mir Angst macht...

  • Man kann auch mit Ende 30 Altbürgermeister sein. Und früher ist der Xavier halt mehr mit nervigen Eunuchengesang als mit braunen Parolen aufgefallen, deshalb "Jungnazi".

  • Ich hab aber schon Angst vor Sprachwandel, eben dann, wenn etwas Geliebtes wegfällt. Ich bin kein Sprachwissenschaftler und mag all unsere Fälle :rotwerd:

    Alle Fälle? Also meine Oma in Trier hat ihr Leben keinen Genitiv gekannt, vielleicht aus dem Fernsehen.

  • Sprache ändert sich nun mal.

    Es heißt immer noch Zeugnis und nicht Zeugniss. Es heißt Maschine und nicht Maschiene, Voraussetzung und nicht Vorraussetzung. Auch die Kommasetzung hat einen Sinn.


    Aber man kann das auch alles voll lustig finden, schon klar.

  • Aber man kann das auch alles voll lustig finden, schon klar.

    Übertreiben kann man es aber auch! Ich finde, man sollte es alles nicht so ernst nehmen. Ich amüsiere mich immer mal wieder über die Fehler meiner SuS, finde es andererseits aber doch traurig, dass kaum noch jemand die korrekte Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung beherrscht. Ob man daran allerdings - gerade an den beruflichen Schulen - noch viel ändern kann, bezweifele ich.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Ich bin ein echter Genitivnazi. Jaja, ich weiß, Duden, darf man, alles gut...aber ich mag eben auch alle vier Fälle. Ich lasse meinen Schülern den Dativ zähneknirschend durchgehen, aber weise sie eben auch immer wieder darauf hin, dass es durchaus noch den Genitiv gibt.

    Unsere Bürodamen haben in den Klassenräumen auf jeden zweiten Tisch einen Zettel mit der Aufschrift "Platz frei halten wegen Mindestabstand" geklebt. Meine MSAler haben jeden einzelnen Zettel korrigiert, nur, um mir eine Freude zu machen.:D


    Das sind aber meine persönlichen Miggeligkeiten. Was mich erschreckt, ist die sprachliche Verarmung, die ich in den letzten Jahren verstärkt beobachte: immer häufiger werde ich nach ganz normalen Worten gefragt, die meine Schüler noch nie gehört oder gelesen (naja, das tun sie ja sowieso nicht) haben. Ich habe das Gefühl, dass der deutsche Wortschatz kleiner wird. Aber das mag subjektives Empfinden sein, vielleicht könnte die Linguistin dazu was sagen?


    Dass ein Mädchen aus afghanischen Elternhaus nichts mit dem Schimpfwort "vermaledeiter Stockfisch" anfangen kann, finde ich völlig legitim. Aber ein 19jähriger Muttersprachler, der das Wort "Saum" nicht kennt? Oder was ein "Raubvogel" sein soll?


    Ist das ganz normal und ich werde einfach alt und unbeweglich?

  • Ich habe das Gefühl, dass der deutsche Wortschatz kleiner wird.

    Nein.

    Der deutsche Wortschatz wird nicht kleiner.

    Aber die Gruppe derjenigen, die ihn noch in seiner ganzen Schönheit, seinem Abwechslungsreichtum und seiner Treffsicherheit kennen... :heul:


    Und ja: Ich werde alt und störrisch. :lach:

  • Boah, so

    ein Mädchen aus afghanischen Elternhaus

    Eieiei, und das gerade in diesem Zusammenhang :lach: aber zu deiner Verteidigung: das Handy erdichtet oft genug Kurioses.


    Thema Wortschatzverlust: da gerät sicher was in Vergessenheit, aber es kommt ja auch was hinzu. Ich erinnere mich zum Beispiel an den Artikel von Max Goldt über Begriffskreationen wie die "Rohlingsspindel".

  • Boah, so

    Eieiei, und das gerade in diesem Zusammenhang :lach: aber zu deiner Verteidigung: das Handy erdichtet oft genug Kurioses.

    Ooooh fuck. Nein, das war nicht das Handy, das war ich ganz alleine.:rotwerd:


    edit: und darum korrigiere ich das auch nicht. Möge es als Mahnung an mich selbst so stehen bleiben!

  • Unsere Bürodamen haben in den Klassenräumen auf jeden zweiten Tisch einen Zettel mit der Aufschrift "Platz frei halten wegen Mindestabstand" geklebt. Meine MSAler haben jeden einzelnen Zettel korrigiert, nur, um mir eine Freude zu machen.

    "Ein allein stehendes, stark gebeugtes Substantiv im Singular bleibt im Allgemeinen ungebeugt"

    https://www.duden.de/rechtschr…olge_bezueglich#grammatik

    Ich habe das Gefühl, dass der deutsche Wortschatz kleiner wird.

    Die Anzahl der im Duden verzeichneten Wörter steigt kontinuierlich. Da sind aber natürlich auch viele englischsprachigen Ursprungs dabei, die du evtl. auch aus ideologischen Gründen ablehnst?

  • Wenn man noch älter ist, wie ich z.B., merkt man, dass noch viel mehr Wörter weggefallen, dafür aber auch andere hinzugekommen sind. Es ist m.E. müßig, das zu werten, aber bedauern darf man es aus persönlicher Sicht. „Verarmung“ ist ein viel zu starkes und wertendes Wort. Vermutlich müsste das jede Generation gegenüber der nächsten in Bezug auf Sprache behaupten.

    Ich selbst habe Spaß am Konjunktiv I, der auch sehr selten geworden ist, aber von MathematikerInnen noch gerne verwendet wird „es sei f eine Funktion...“. In Matheklausuren korrigiere ich sehr streng auch alle Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehler und halte meine SuS zu korrekter Sprache an. Dennoch empfinde ich neue Rechtschreibung und Veränderung der Sprache nicht als Untergang unserer Kultur.


    Manche grammatikalisch falschen Dinge fallen mir unangenehm auf, andere finde ich harmlos - das liegt bestimmt mehr an meiner sprachlichen Prägung als an der Fehlerhaftigkeit. Als Ruhrpottkind liebe ich manche „Fehler“ und kann sie auch von falschen/nachgemachten Fehlern unterscheiden, die Leute machen, wenn sie den Ruhrpottdialekt nicht wirklich beherrschen.


    Außerdem bieten sich auf diesem Gebiet so viele prima Möglichkeiten für allerhand Realsatire (s. Döner und Jules Beitrag).

    Die Weisheit des Alters kann uns nicht ersetzen, was wir an Jugendtorheiten versäumt haben. (Bertrand Russell)

  • Die Anzahl der im Duden verzeichneten Wörter steigt kontinuierlich. Da sind aber natürlich auch viele englischsprachigen Ursprungs dabei, die du evtl. auch aus ideologischen Gründen ablehnst?

    Warum sollte ich das tun? Und schon gar nicht aus "ideologischen" Gründen, was bitte unterstellst du mir?! Ich unterrichte schließlich auch Englisch - und auch ich benutze Anglizismen im Alltag, wenn es passt.

    Ich meinte mit der "Verarmung" nicht, dass es weniger Wörter gibt, sondern dass durchaus geläufige Worte nicht mehr bekannt sind.

  • Wirklich schlimm finde ich es, wenn Leute mit Abitur oder gar einem Hochschulabschluss das und dass nicht unterscheiden können. Genauso schlimm finde ich es, wenn man Dativ und Akkusativ nicht richtig auseinanderhält. Bin ja auch schon älter. Die Ignoranz des Genitivs tut mir nicht ganz so weh.

  • Ich bin ein echter Genitivnazi. Jaja, ich

    Dass ein Mädchen aus afghanischen Elternhaus nichts mit dem Schimpfwort "vermaledeiter Stockfisch" anfangen kann, finde ich völlig legitim. Aber ein 19jähriger Muttersprachler, der das Wort "Saum" nicht kennt? Oder was ein "Raubvogel" sein soll?


    Ist das ganz normal und ich werde einfach alt und unbeweglich?

    Also, ich hatte "Rand eines Stoffes" im Visier, aber habe es gegoogelt. Gebraucht habe ich das Wort noch nie. Raubvogel ist da eine andere Hausnummer.


    Meine Schüler kennen selten das Wort "Schar" im Sinne der Funktionenschar. Aber ehrlich gesagt, wo hört man das sonst schon noch.

  • Meine Schüler kennen selten das Wort "Schar" im Sinne der Funktionenschar. Aber ehrlich gesagt, wo hört man das sonst schon noch.

    Meine kennen es teilweise aus der Vogelhochzeit.

    Ich erzähle ihnen dann noch was von himmlischen Heerscharen oder Schwerter zu Pflugscharen und mach darum allerhand Quatsch, weil sie das nämlich auch nicht kennen. Meist behalten sie den Quatsch.

    Einer fragte mal, was der Unterschied zwischen einer „Schar“ und einer „Herde“ ist. Super Frage, damit war die Stunde endgültig durch etymologische Vermutungen und anschließende Internetrecherchen zum Deutschunterricht mutiert. Hat den SuS bestimmt mehr Spaß gemacht als die anschließenden Untersuchungen von Funktionenscharen.

    Die Weisheit des Alters kann uns nicht ersetzen, was wir an Jugendtorheiten versäumt haben. (Bertrand Russell)

  • ...dabei ist Deutsch da ja noch harmlos...

    im Englischen... vergleicht doch mal diese Worte - gibts da im Deutschen jeweils ein anderes Wort für (es ist jeweils die entsprechende "Gemeinschaft" von Tieren gemeint):

    - group

    - swarm

    - community

    - family

    . flock

    - pack

    - pride

    - school

    - tribe

    - murder

    - herd

    - lot

    - state

    - band

    ...bestimmt noch mehr...

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • „Functionpack“ finde ich hübsch😂

    Die Weisheit des Alters kann uns nicht ersetzen, was wir an Jugendtorheiten versäumt haben. (Bertrand Russell)

  • , finde es andererseits aber doch traurig, dass kaum noch jemand die korrekte Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung beherrscht.

    Vielleicht hätten es auch ein paar Rechtschreibreformen/Alternativen weniger getan. Ich wundere mich immer noch, was ein Tunfisch tun kann. Ich bevorzuge immer noch den Thun mit "h".

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