Umgang mit Erschöpfung - kleine Erleichterung im Alltag?

  • Hallo zusammen!


    Es gibt zwar einen Anti-Burnout-Thread, aber ich dachte mir, ein eigener wäre vielleicht doch besser.

    Ich bin jetzt bereits ein paar Jahre im Schuldienst. Gehöre leider zu den Perfektionisten, habe sehr viel gemacht, auch außerunterrichtlich. Leider gab es dann einen Wechsel in der SL und seitdem geht es ziemlich bergab. Wertschätzung gibt es keine mehr, im Gegenteil, man wird vor dem ganzen Kollegium bloßgestellt, wenn man schlechte Noten gibt. Das ist eines der Probleme, die immer stärker werden, in der Regel sind vor allem ältere Kollegen betroffen, die aber schrittweise in den Ruhestand gehen. Man fühlt sich also fast alleine damit. Dazu kommt, dass andere Kollegen, die große fachliche Mängel haben, nur heiße Luft reden und es auch mit Vorschriften nicht so genau nehmen, von der SL bevorzugt werden. Das war in letzter Zeit eine große Belastung, auch der Betriebsrat kann mir hier nicht helfen, da er nur die verhlängerte Hand der SL ist. Kurzum: Wer sich bei uns an die Vorgaben hält (Notengebung, etc.) ist eigentlich der Dumme. Das geht so weit, dass sogar Kollegen Schüler gegen einen Aufsetzen, indem sie ihnen vermitteln, sie hätten die negative Note gar nicht verdient, bzw. wären eh so lieb und toll. Man könnte sagen, man wird zum Monster hochstilisiert. Leider unterrichte ich kein Fach, wo man mit den Anforderungen stark rungergehen kann (Abiturfach), zumal ich nicht Lehrer geworden bin, um Faulheit und Minderleister in ihrem Nichtsttun zu fördern.


    Dazu kommt, dass ich in diesem Schuljahr wieder viele Überstunden habe - das letzte mal, wie ich mir geschworen habe.

    Ich habe auch schon gelernt, Nein zu sagen, gewisse Aufgaben nicht mehr zu erledigen und auch nicht nachzubessern, wenn jemand anders ungenau gearbeitet hat.


    Eigentlich sehe ich mich damit auf dem richtigen Weg. Mich würde nur interessieren, wie ihr mit der Erschöpfung umgeht, die daraus entsteht. Ob es schon ein Burnout ist, weiß ich nicht, ehrlich gesagt habe ich noch nicht an einen Arztbesuch gedacht, weil ich weiß, dass ich in erster Linie meine Gesamtsituation ändern muss (kurzfristig weniger Stunden, mittelfristig neue Schule).


    Ich bin ständig müde, und fühle mich nach Ferien nach wenigen Tagen wieder ausgelaugt, habe auch Verspannungen und würde gerne am liebsten den ganzen Tag im Bett verbringen. Trotzdem mache ich alle 2 Tage 1 Stunde Sport (freeletics). Leider setzt mich das auch unter Druck, weil ich Angst habe, keine Fortschritte zu machen. Manchmal fällt der Sport auch aus, weil der Kopf voll von Schule ist.


    Was macht ihr gegen solche und ähnliche Zustände? Spaziergänge helfen nicht viel, Freunde treffen geht momentan schwer...


    So genau weiß ich gar nicht, warum ich diesen Beitrag hier schreiben, Tipps findet man ja überall mal, aber ich glaube, es ist mir auch wichtig, unter Gleichgesinnten diese Gedanken zu teilen.


    Wenn ich Freunden oder Familie erzähle, dass ich überlastet bin, fühlt sich das komisch an. Es versteht auch nicht wirklich jemand.


    LG Josh

  • Ich würde dir raten die Schule zu wechseln und bis dahin das zu tun, was die SL will. Deine Gesundheit ist wichtiger, als dein Stolz und Berufsethos. Distanziere dich so gut wie du kannst. Du musst in dieser Schule eine "well f*** you too" Einstellung entwickeln

  • Bewusste Auszeiten einplanen. Seit ein paar Jahren halte ich mir z.B. den Samstag komplett schulfrei - man darf dann aber auch kein schlechtes gewissen haben.

    Das o.g. Pareto-Prinzip ist nicht von der Hand zu weisen. Als Anfängerin suchte ich oft stundenlang nach motivierenden Stundeneinstiegen, bis ich gemerkt habe, dass es eigentlich gar keinen Unterschied macht zu: Unser Thema heute.....

  • Ich würde dir raten die Schule zu wechseln

    Das war ehrlich gesagt auch mein erster Gedanke. Gerade, wenn die Situation so ist, dass du angegriffen wirst, wenn du den SuS keine guten Noten schenkst und hinterherwirfst, sondern sie nach ihren tatsächlichen Leistungen bewertest. So etwas macht mich so unglaublich sauer... :schreien:


    LMAA ist auch gut, aber diese Einstellung kann man sich glaube ich nicht über Nacht aneignen. Da braucht man auch ein dickes Fell, um (wenn auch haltlose) Kritik an sich abprallen zu lassen. Das schafft nicht jeder.


    Ist denn ggf. absehbar, wie lange die SL da sein wird (Alter...)?

  • Josh, letztendlich kannst du die Situation an deiner Schule nicht ändern und kommst aus der Nummer nur raus, wenn du dich selbst änderst.

    Das bereits empfohlene LMAA hilft hier wirklich wunderbar. :thumbup:

    Natürlich ist es eigentlich traurig - aber wenn das Motto eurer Schule "gute Noten für alle:prost:" ist, dann änderst du als Einzelperson eh nichts dran. Ergib dich und pflege deinen Galgenhumor.


    Ich weiß, wovon ich rede. Ich arbeite seit Jahren an einer Schule mit dem gleichen "pädagogischen Konzept" wie deine. Jahrelang habe ich mich dagegen aufgelehnt und für meine "Werte" gekämpft (dazu muss ich sagen, dass 99% der Schüler mir das Feedback gaben, hart aber fair zu sein und damit auch gut klar kamen). Als aber im letzten Schuljahr der Schulleiter meine Fachnote im Zeugnis gegen meinen Protest geändert hat (unsere Schulordnung gibt das her), um einer Schülerin einen Abschluss zu ermöglichen, war bei mir Schicht im Schacht.


    Ich mach jetzt mit. Gechillterer Unterricht, weniger und leichtere Leistungsbewertungen, dadurch bessere Noten, weniger Diskussionen, öfter mal Wegschauen bei Regelverstößen.

    Seitdem ist mein Puls ruhiger und ich habe seltener Kopfweh.


    Ob das richtig ist? :weissnicht: Ich bezweifle es. Aber mir geht es besser.


    Und um deinen ersten Beitrag aufzugreifen: Ja, du bist unter Gleichgesinnten. :troest:

  • Ich weiß nicht, als ich aufgehört habe zu kämpfen und angefangen hinzunehmen, bin ich erst richtig in ein Loch gefallen. Und schöne Unterrichtsmaterialien sind für mich kein Stress sondern eher noch heilsam, das letzte bisschen Selbstbestimtheit sozusagen. Keine Ahnung, such dir Gleichgesinnte, halte von den anderen Abstand und finde einen besseren Chef. Aber wie?

    Einmal editiert, zuletzt von UrlaubVomUrlaub ()

  • Ich gehöre auch zur Fraktion, die für angemessene Noten steht. Aber da das flächendeckend nicht mehr gewünscht wird, bringt es auch nichts, da gegen Windmühlen anzukämpfen. Auf Dauer werden alle Abschlüsse immer weniger wert. Unterm Strich wird darunter auch das Bildungsniveau leiden.


    Sich dafür noch anpöllen zu lassen, müsste ich auch nicht haben. Allerdings kann man einem Schulleiter auf Kontra geben. Gerade im Rahmen einer Notenkonferenz, wenn man vorberitet ist und die Noten begründen kann. Ich hab da durchaus schon zur Erheiterung beigetragen, im wesentlichen zu meiner eigenen.


    Aber auf Dauer lohnt das nicht.

  • Nimm die Beine in die Hand und lauf! Lass dich versetzen oder suche dir selbsteine andere Schule.


    Ich bin gerade da durch. Meine Schulleitung war genauso wie du es beschreibst. Ich habe nur noch Frust geschoben und hatte keine Lust mehr auf Schule.


    Nun bin ich an einer anderen Schule, wo man sich auf Augenhöhe begegnet und ich mich (auch mal kritisch) einbringen darf. Die Arbeit macht wieder Spaß.

    Zu diesem Punkt wäre ich niemals gekommen, wenn ich nicht selber die Initiative ergriffen hätte.


    Alles Gute!

  • Respekt vor dir, Finchen!


    Ich hatte auch schon öfter den Gedanken, aber dann hieß es immer "Woanders ist es auch nicht besser." Da dachte ich mir: Stimmt wohl.

    Außerdem habe ich auch ein paar richtig liebe Kollegen. :love:


    Aber es geht ja nicht um mich. Wäre es für den TE vielleicht eine Option, die Schule zu wechseln?

  • Schreibt er ja "mittelfristig neue Schule"


    Ich denke auch, dass es am besten ist, weiß aber auch, dass dies manchmal sehr schwierig ist. Man kann z. B. schulübergreifende Fortbildungen nutzen, um sich über andere Schulen zu informieren. Ich weiß daher genau, an mindestens 2 Schulen in der Nähe möchte ich auf keinen Fall unterrichten.

    Meine Beiträge werden auf einer winzigen Tastatur eines Tablets mit Autokorrektur geschrieben. Bitte entschuldigt Tippfehler. :mad:

    Einmal editiert, zuletzt von Kris24 () aus folgendem Grund: Tippfehler

  • Yoga machen, Bilder malen und Bücher lesen zum Abschalten (am besten mit einer möglichst langen Reihe anfangen, damit du gut damit beschäftigt bist). Handy abends aus der Hand legen, Fernseher auslassen.

    Plan machen bzgl. s.o. Schule wechseln.

  • Außerdem würde ich an Deiner Stelle überlegen, ob eine Reha Massnahme Dir evtl gut tut. Dies setzt natürlich einen Arztbesuch und eine entsprechende ärztliche Diagnose voraus.
    Hinweis für Beamte: Bei psychischen Hintergründen ist unter Kostengesichtspunkten die Einweisung in eine Akutklinik der monetär günstigere Weg. Geht man den Reha Weg ist für die Beihilfeansprüche der Amtsarzt zwischengeschaltet. Ob und wieviel Unterstützung die Krankenzusatz leistet hängt von der Qualität des Bertrag ab. Bei Einweisung entfällt der Amtsarzt. Ferner ist die Finanzierung sichergestellt und es redet einem auch keiner in die Terminierung.
    Tarifbeschäftigte stellen einen Reha Antrag bei der Rentenversicherung.
    In diesen Massnahmen kann man erstmal sich mind. 4 Wochen für sich nehmen, wo es nur um mich und meine Gesundheit geht. Man lernt Massnahmen zur Stressbewältigung, um dann nach der Massnahme mit frischer Kraft wieder an die Arbeit zu gehen. Falls erforderlich kann im Anschluss auch eine stufenweise Wiedereingliederung beantragt werden.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Ich kann das alles so gut nachvollziehen. Mein Chef ist eine Katastrophe. Es fängt damit an, dass fast ausschließlich nur noch über Mail kommuniziert wird und es geht weiter, dass Schüler kein Konsequenzen erfahren, wenn sie dermaßen über die Strenge schlagen, wenn der Weg über die Schulleitung laufen muss. Mehr als ein "du, du, du... und mach das nicht noch einmal" passiert da nicht. Als Kollegium schreiben wir uns die Finger wund was Elternbriefe angeht und nichts passiert.

    Das Problem ist, dass selbst wenn man sich versetzen lassen möchte, man auch an der Schule nicht der einzige Kollege ist, der da weg will. Das macht eine Versetzung noch unwahrscheinlicher. Auch da begibt man sich in einen Kampf und macht eine neue Baustelle auf, weil dem Betriebsrat die Situation an der Schule bekannt ist, aber eben auch nichts machen kann.

    Der Weg ist also Dienst nach Vorschrift, sich ducken, damit der Stundenplan nicht noch schlechter ausfällt und beim Betriebsrat baggern, dass man dort weg kommt. Gesundheitlich fahre ich an der Kante, aber ewig krankschreiben lassen kann ich mich auch nicht, da ich nicht verbeamtet bin.

  • Bücher lesen zum Abschalten (am besten mit einer möglichst langen Reihe anfangen, damit du gut damit beschäftigt bist)

    Genau das! Bei nichts kann ich besser entspannen, als beim Lesen. Es müssen für mich aber wirklich Romane sein und keine Sachbücher. Sonst denke ich die ganze Zeit darüber nach, wie man das wohl im Unterricht einsetzten könnte (was mir bei Romanen manchmal auch passiert, aber dann will ich wissen, wie es weiter geht und denke nicht weiter über die Schule nach).

    Ich habe dieses Jahr schon zwei Trilogien mit jeweils über 2500 Seiten gelesem, das neue Ken Follet Buch gestern Abend zu Ende gelesen (hat auch über 900 Seiten, musste mich sputen, denn meine Mutter liest das auch gerade und spoilert sonst) und habe jetzt die dirtte Trilogie diese Jahr angefangen (heute morgen beim Frühstück). Beim Sport, Wäsche waschen, kochen etc. höre ich immer Hörbücher (zwei weitere Trilogien schon in diesem Jahr und gerade eine Biographie). So kann ich z.B. auch beim Wäsche zusammenlegen super abschalten und dann fühlt sich das für mich auch nicht mehr nach einer Pflichtaufgabe an.

    Man muss natürlich gerne Lesen (und Hören), damit das auch funktioniert. Und ich gucke nur sehr wenig Fernseh (sonst hätte ich ja keine Zeit zum Lesen). Wichtig ist für mich auch, dass ich lese (oder eben höre), was mir gefällt und nicht, was irgendwelche Buchkritiker oder sonst wer gut finden.


    Überstunden und Perfektionismus kenne ich. Gerade der Perfktionismus setzt mir auch oft zu. Irgendwo hier habe ich schon mal geschrieben, dass ich mir feste Zeiten setzte, nach denen ich nur im Notfall (Korrekturen müssen weg, der Vertretungs- bzw. Stundenplan bricht zusammen) arbeite. Und das wirklich nur im Notfall. Alles was ich bis dahin nicht fertig habe, ist eben ungeplant.Eigentlich schaffe ich es aber, meine Zeit so einzuteilen, dass ich immer fertig werde und selber mit den Stunden auch zufrieden bin. Wobei ich halt zufrieden bin mit "die SuS haben was gelernt und vielleicht hatten sie auch Spaß". Da muss nicht immer ein Feuerwerk gezündet werden, die SuS sind auch oft ganz froh, wenn man das nicht macht.

  • Ich würde dir raten die Schule zu wechseln und bis dahin das zu tun, was die SL will. Deine Gesundheit ist wichtiger, als dein Stolz und Berufsethos.

    Das wäre auch mein Rat.

    Mir hatte seinerzeit der Streit um die Bewertung legasthenischer Arbeiten im Englischunterricht den letzten Stoß versetzt.

    Ab dann war ich sicher, an der RS nichts mehr verloren zu haben, denn so könne man ja unmöglich Englisch unterrichten.

    Aber ich habe dazu gelernt - man kann.

    Ich mach jetzt mit. Gechillterer Unterricht, weniger und leichtere Leistungsbewertungen, dadurch bessere Noten, weniger Diskussionen, öfter mal Wegschauen bei Regelverstößen.

    Seitdem ist mein Puls ruhiger und ich habe seltener Kopfweh.


    Ob das richtig ist? :weissnicht: Ich bezweifle es. Aber mir geht es besser.

    Same here.

    Ich heule mit den Wölfen, rede nicht mehr davon "als Englischlehrer meine Seele zu verkaufen, wenn ich..." und verkneife mir ein zynisches Grinsen, wenn es darum geht, dass auch der Grammatikunterricht auf Englisch abgehalten werden müsste...

    Nun bin ich an einer anderen Schule, wo man sich auf Augenhöhe begegnet und ich mich (auch mal kritisch) einbringen darf. Die Arbeit macht wieder Spaß.


    Zu diesem Punkt wäre ich niemals gekommen, wenn ich nicht selber die Initiative ergriffen hätte.

    Das waren auch meine wunderbaren Erfahrungen letztes Jahr, als ich - nach einem jahrelangen Gymnasialstudium und 20 Jahren an der Realschule - finally an der Mittelschule angekommen war und aufgeblüht bin wie ein Pfingströschen. Dieses Jahr bin ich wieder an der RS... und täglich grüßt das Murmeltier...

    Zitat von Diokeles

    Der Weg ist also Dienst nach Vorschrift, sich ducken, damit der Stundenplan nicht noch schlechter ausfällt und beim Betriebsrat baggern, dass man dort weg kommt. Gesundheitlich fahre ich an der Kante, aber ewig krankschreiben lassen kann ich mich auch nicht, da ich nicht verbeamtet bin.

    This! :thumbup:

    Wobei ich halt zufrieden bin mit "die SuS haben was gelernt und vielleicht hatten sie auch Spaß". Da muss nicht immer ein Feuerwerk gezündet werden, die SuS sind auch oft ganz froh, wenn man das nicht macht.

    Das ist auch meine Erfahrung. :_o_)

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