Unterschleif in Schulaufgabe, bemerkt erst bei der Korrektur

  • Hallo miteinander,


    ich unterrichte derzeit studienbegleitend an einem bayerischen Gymnasium im Fach Deutsch und benötige Eure Hilfe für den richtigen Umgang mit erkennbarem Unterschleif, welchen ich jedoch erst bei der Korrektur der Arbeiten festgestellt habe. Konkret begründet sich mein Verdacht darin, dass Schülerin A für gewöhnlich ein recht unsauberes Schriftbild hat, was sich auch in dieser Schulaufgabe wieder gezeigt hat. Schülerin B hingegen schreibt recht passabel und war während der Schulaufgabe die Banknachbarin von Schülerin A.


    Nun habe ich festgestellt, dass das Schriftbild in der Schulaufgabe von Schülerin A nach etwa zwei Dritteln wechselt und sehr offensichtlich ab diesem Zeitpunkt die Arbeit von Schülerin B geschrieben wurde. Dazu passt, dass Schülerin B, die sonst recht passable Leistungen ablieferte, nun lediglich zwei der fünf gestellten Aufgaben bearbeitet hat. Es spricht also einiges dafür, dass sich die versetzungsgefährdete Schülerin A von ihrer Banknachbarin hat helfen lassen, um ihre Deutschnote zu verbessern.


    Meine Fragen zu diesem Sachverhalt sind folgende:

    1) Genügt dieser Verdacht, um die Arbeit von Schülerin A mit "ungenügend" zu bewerten?

    2) Wie ist mit der Arbeit von Schülerin B vorzugehen? Auf dieser Arbeit selbst finden sich keine Indizien, die die "Hilfeleistung" unterstreichen, wohl aber auf der Arbeit von Schülerin A.

    3) In gewisser Weise tun mir die beiden Schülerinnen leid und ich respektiere die Entscheidung von Schülerin B, die eigene Note dadurch ruinieren zu lassen, der Freundin zu helfen. Darf ich für die beiden Schülerinnen eine Wiederholung der Schulaufgabe ansetzen oder ist die Bewertung mit "ungenügend" die einzige Möglichkeit, die ich habe?


    Danke für hilfreiche Antworten!

  • Hallo siggi03,
    das ist ja mal was Außergewöhnliches, was Dir da widerfahren ist, zumindest habe ich das noch nie erlebt in meinen 20 Jahren Dienstzeit.

    Ich denke, die Crux an der Sache ist, dass Du die beiden nicht inflagranti erwischt hast, sondern "nur" einen "Anscheinsbeweis" hast, der aber auch sehr ausgeprägt sein kann, wenn die Schriften wirklich so unterschiedlich sind und dann vlt. auch noch ein anderer Stift benutzt wurde.

    Ich würde beide Damen zum Gespräch einbestellen und sie mit der Arbeit von A und deiner Vermutung konfrontieren und mir anhören, was sie zu sagen haben. Ich weiß jetzt nicht, wie zwingend du in Bayern die ungenügende Note geben musst, wenn der Betrug dann nachgewiesen ist oder ob ihr da einen Ermessensspielraum habt.

    Falls eine Alternative zu "Ungenügend" besteht, könntest du ja auch nur den Anteil von A bewerten, der sicher von A stammt und dann ggf. einen Abzug vornehmen wegen Betrugs. Wiederholen lassen würde ich A auf keinen Fall.

    Tragisch könnte es halt für B sein, die ihre Aufgaben nicht komplett erledigt bekommen hat, sie hat aber auch zur Täuschung beigetragen, sollte m.E. also nicht ungeschoren davonkommen. Auch hier würde ich den Teil, der abgeliefrt wurde bewerten.


    Viele Grüße!

  • Sind die beiden Mädchen befreundet? Oder könnte es auch sein, dass A B dazu genötigt haben könnte? Dass man sich hilft, kennst man ja sicher auch aus der eigenen Schulzeit. Aber das ist ja schon sehr ungewöhnlich, dass jemand, durch das Abbrechen der eigenen Arbeit, selbst eine schlechte Note riskiert.

    Wer Fehler findet darf sie behalten und sich freuen! :victory:

  • Ist es das? Ich habe mir für die beste Freundin damals mal ne 5 gefangen. Nee, so ungewöhnlich finde ich das nicht. Zur Sache kann ich nichts beitragen, sorry.

  • Ich hab auch mal eine Klausur für meine beste Freundin geschrieben. Und gerade dieses Jahr hatte ich einen Schüler, der angeboten hat, seine 2 mit der 5 von jemand anderem in einen Topf zu schmeißen und doch einfach für beide eine Mittelnote zu bilden.Ist ja irgendwie süß.



    Im vorliegenden Fall würde ich mir je nach Rahmenfaktoren überlegen, ob ich das überhaupt bemerkt haben will. Wenn ja, dann beide Schüler zum Gespräch laden und die Leistung bzw. das veränderte Schriftbild von A erklären lassen. Wenn alles abgestritten wird, die Klausuraufgabe durch A ggf. vor Ort direkt spontan noch einmal schreiben lassen und abgleichen, ob die inhaltliche Qualität übereinstimmt. Entsprechend werten. Bei B kann man meines Erachtens nichts machen, außer eben die unvollständige Klausur sachgerecht korrigieren und benoten.


    Sicherheitshalber kann man sein Vorgehen evtl. auch mit der Abteilungsleitung oder Schulleitung abstimmen.

  • Wenn du es pädagogisch begründen kannst, kannst du beide wiederholen lassen, wer sollte dir das verbieten? Es sei denn, das bayerische Schulgesetz hat einen entsprechenden Passus, da wirst du googeln müssen.


    Ob es den anderen gegenüber fair ist, würde ich aber in jedem Falle überlegen. Dein Mitleid ist bis zu einem gewissen Grad verständlich, B war ja recht großzügig. Auf der anderen Seite geht es nicht um eine Spende für Bedürftige, sondern um Betrug und beide sollten wissen, dass das Verhalten falsch ist. A muss sich halt schlicht selbst um ihren Schulkram kümmern. Was wäre z.B., wenn es um Versetzung ginge? Dann hinge schon was ab von Bs Verhalten.


    Zuguterletzt macht es auch einen Unterschied, ob die Schülerinnen 11 oder 17 sind.

  • Ich würde mit beiden Arbeiten zur SL gehen.

    Das kann man tun, wenn man sich selbst vor einer Entscheidung scheut, muss dann aber damit leben, dass die getroffene Entscheidung nicht immer zum eigenen Bauchgefühl passt.

    1) Genügt dieser Verdacht, um die Arbeit von Schülerin A mit "ungenügend" zu bewerten?

    2) Wie ist mit der Arbeit von Schülerin B vorzugehen? Auf dieser Arbeit selbst finden sich keine Indizien, die die "Hilfeleistung" unterstreichen, wohl aber auf der Arbeit von Schülerin A.

    3) In gewisser Weise tun mir die beiden Schülerinnen leid und ich respektiere die Entscheidung von Schülerin B, die eigene Note dadurch ruinieren zu lassen, der Freundin zu helfen. Darf ich für die beiden Schülerinnen eine Wiederholung der Schulaufgabe ansetzen oder ist die Bewertung mit "ungenügend" die einzige Möglichkeit, die ich habe?

    1) Ja, ein auf einmal völlig anderes Schriftbild, welches auch noch identisch mit der Sitznachbarin ist, reicht vollkommen aus, um mit hinreichender Sicherheit von einer Täuschung auszugehen. Dafür braucht es keines Nachweises in der Situation selbst.


    2) Schülerin B hat offenbar nachweislich aktiv an der Täuschung mitgewirkt, was entsprechend geahndet werden könnte. Sie hat aber nicht über ihre eigene Leistung getäuscht. Ich persönlich würde daher ihre Arbeit mit dem eingereichten Stand werten, diejenige von A jedoch mit "ungenügend".

    Ob man zusätzlich mit einem geeigneten Erziehungsmittel reagieren möchte, kann man sich überlegen und bietet sich an.


    3) Dafür wäre die Angabe des Bundeslands entscheidend, da die möglichen Spielräume teilweise voneinander abweichen.

    • Offizieller Beitrag

    Das kann man tun, wenn man sich selbst vor einer Entscheidung scheut, muss dann aber damit leben, dass die getroffene Entscheidung nicht immer zum eigenen Bauchgefühl passt.

    Bei einer studentischen Hilfskraft ohne Referendariat, geschweige denn Erstes Staatsexamen /Studienabschluss würde ich aber definitiv zur Schulleitung gehen, bevor ich eine 6 gebe.

    (Unterschleif kann doch nur Bayern sein, oder?)

  • Bei einer studentischen Hilfskraft ohne Referendariat, geschweige denn Erstes Staatsexamen /Studienabschluss würde ich aber definitiv zur Schulleitung gehen, bevor ich eine 6 gebe.

    (Unterschleif kann doch nur Bayern sein, oder?)

    Würde ich auch als ausgebildete Lehrkraft machen ... schon allein, falls sich die Eltern bei der Schulleitung beschweren (Immerhin geht es scheinbar bei Schülerin A um eine versetzungsgefährdete Schülerin).

  • Man kann natürlich die Schülerin, die Beihilfe geleistet hat, auch entsprechend bestrafen.

    Gleiches gilt auch, wenn eine Schülerin / ein Schüler sehr deutlich absichtlich abschreiben lässt, indem die Arbeit rübergeschoben wird oder eingesagt wird etc.

    Aber das ist ja schon sehr ungewöhnlich, dass jemand, durch das Abbrechen der eigenen Arbeit, selbst eine schlechte Note riskiert.

    In meiner letzten Lateinarbeit war klar, dass ich maximal von einer 2 im Zeugnis auf eine 3 abrutschen kann, egal wie die Arbeit ausfällt. Bei einer Freundin von mir ging es aber ums Bestehen und um die Versetzung in die Oberstufe (eigentlich "Kollegstufe"). Ich habe trotz Ermahnungen eingeflüstert, die Arbeit rübergeschoben etc. und sehr bewusst die 6 riskiert, weil es bei mir auf nicht viel angekommen ist. Sowas finde ich nicht so ungewöhnlich unter Freunden.

  • Ok, ihr habt mich überzeugt. 😉

    Ich war nie in der Position so gut gewesen zu sein, dass ich es mir hätte leisten können, bzw. dass man ausgerechnet mich um Hilfe gebeten hätte. 🙈


    Ich war aber auch nicht so schlecht, dass ich die Hilfe benötigt hätte.

    Wer Fehler findet darf sie behalten und sich freuen! :victory:

  • Ich bin noch nie in meinem Leben mit einer Klassenarbeit zur Schulleitung und seit ich Schulleitung bin, kam auch noch kein Kollege zu mir.

    Das fände ich auch schräg. Wir sind erwachsene studierte Pädagogen bzw. Fachwissenschaftler, die selbst entscheiden können, wie die Arbeiten bewertet werden. Das ist ja peinlich, wenn man da zu "Papa Schulleiter" geht (oder Mama).

  • Vorteil: evtl. Rückfragen der Eltern (man nennt es auch "Beschwerde") landen sehr schnell beim Schulleiter auf dem Tisch. Dann ist er bereits involviert und weiß Bescheid.

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    Ich bin noch nie in meinem Leben mit einer Klassenarbeit zur Schulleitung und seit ich Schulleitung bin, kam auch noch kein Kollege zu mir.

    Das fände ich auch schräg. Wir sind erwachsene studierte Pädagogen bzw. Fachwissenschaftler, die selbst entscheiden können, wie die Arbeiten bewertet werden. Das ist ja peinlich, wenn man da zu "Papa Schulleiter" geht (oder Mama).

    Es geht nicht darum, sich bei Mama Schulleiterin auszuheulen, sondern die Schulleitung darauf vorzubereiten dass unter Umständen eine Elternbeschwerde kommen könnte. Wir informieren die Schulleitung auch, bei besonders schlecht ausgefallenen Klausuren (die wir teilweise sogar genehmigen lassen müssen). Das ist für alle Beteiligten sinnvoll.

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