Immer mehr Berufsanfänger beginnen in Teilzeit?

  • Du unterstellst, dass Naturwissenschaftler keine Fremdsprache außer Englisch auf C1-Niveau sprechen könnten. Da würde ich dir zustimmen. Aber da du Spanisch unterrichtest betrachte ich das als deinen Job. Also nochmal, welche Sprachen sprichst du denn SONST noch so auf C1-Niveau.

    Darum geht es doch gar nicht. Die Sprachen zu erlernen bzw. zu perfektionieren ist Aufgabe eines Sprachstudenten (in Spanisch haben viele erst an der Uni angefangen). Dafür absolvieren viele mehrere längere Auslandsaufenthalte. Man muss auch ständig lesen, hören, gucken. Die "Anstrengung" und "Leistung" eines geisteswissenschaftlichen Studiums ist also durchaus vergleichbar. Nur anders. Ich finde es echt daneben, wie eingebildet so manch ein Naturwissenschaftler ist.

  • Ich versuche mal einen Aspekt beizutragen, da ich sowohl in einem ingenieurwissenschaftlichen Studium und in einem geisteswissenschaftlichen Erfahrungen habe:

    Erst mal vorab: Ich bin unter MINTlern/innen ein Exot, da ich zwar meinen MINT-Krempel kann, der mich als reiner Lebensinhalt aber nicht zufrieden macht und ich lieber mit Menschen arbeite. Und ich spreche, lese und schreibe freiwillig und gerne... Das ist für viele MINTler/innen, denen ich begegne, durchaus eine Horrorvorstellung :D

    Jetzt zu dem, was ich an Erfahrungen habe:

    In meinem Ingenieursstudium war der vorherige Mathe-LK eine kleine notwendige Basis für alles, was danach kam. Ich bin aber fachlich während de Studiums immer mal wieder so abgekackt, wie ich das in der Schule nicht erlebt habe. Wenn ich mit der Arbeitsweise wie vor einer Mathe-LK-Klausur an einen Physik-Schein (oder sonstwas) drangegangen bin, bin ich teils mit 10% der Punkte raus. Das war alles extrem krass.

    Bei dem, was ich im geisteswissenschaftlichen Bereich so alles geschrieben habe (Klausuren und Seminararbeiten etc.) kam ich mit dem, was ich in Sozi-Leistung als Kompetenzen gezeigt hatte, problemlos aus. Ich formuliere es mal so: Wenn man Karl Marx und Max Weber im Original-Text gelesen und interpretiert hatte, dann war die Textarbeit in diesem geisteswissenschaftlichen Studium auf dem gleichen Niveau, aber nicht höher. Dort Texte zu lesen, zu verstehen und in verständlichen Worten wiederzugeben bzw. Situationen, Szenarien etc. zu interpretieren und zu verschriftlichen, hat mich nie so gefordert, wie die Klausuren in der Ingenieurwissenschaft.

    Gleichzeitig ist es aber so, dass bei dem geisteswissenschaftlichen Kram, den ich so gemacht habe, wohl 95% meiner Kommilitonen der Ingenieurwissenschaft ausgestiegen wären. Für diese wäre das nicht machbar gewesen.

    Was ich aber nicht geschafft hätte, wäre ein Fremdsprachenstudium gewesen. Außer man zählt Latein dazu, das hätte ich wohl geschafft. :D

    Tim Finnegan liv’d in Walkin Street
    A gentle Irishman mighty odd.

  • Ich stimme Anna-Lisa zu, dass Bezahlung sich nicht ausschließlich am Studienabschluss vor x Jahren ausrichten sollte. Am Beispiel der Bäckerei (Nehmen wir die drei Mitarbeitertypen "Doktor der Agrarwissenschaften", "gelernter Bäckereifachverkäufer" und "Ungelernter"/"Minijobber" (je m/w/d)) sollte der Doktor der Agrarwissenschaften nicht automatisch mehr Geld bekommen als der gelernte Bäckereifachverkäufer. Wäre die Berufsbezeichnung so essentiell zum Einstieg in den Beruf, hätte man den Doktor gar nicht erst zur Berufsausübung zugelassen. Hat man aber, also sollte die Bezahlung angemessen sein. Da ist die Frage, ob ich den Doktor eher mit dem gelernten Bäckereifachverkäufer gleichsetze (weil "hat ja einen Abschluss vorzuweisen") oder mit dem Ungelernten/Minijobber (weil nicht genau der Idealabschluss vorhanden). Ich bin ehrlich: Ich weiß es selbst nicht, wie ich hier den Doktor einordnen würde. Was nur Wichtig ist: Berufserfahrung sollte Anerkennung findet. Wer 5 Jahre + in einem Job arbeitet, sollte de facto gleichgestellt sein mit einer Person, die das von Grund auf gelernt hat, was Bezahlung und Weiterbildung angeht.


    Gleichzeitig muss ich aber auch sagen: Würde es jetzt absolut einen Mangel an Lehrkräften Deutsch-Geschichte für Gymnasien geben und er wäre auf kurze Sicht auch nicht zu beheben, fände ich es legitim, finanzielle Anreize zur Ergreifung dieses Lehramtes zu schaffen. Auch wenn das dann am Ende bedeutet, dass Lehrkräfte mit manchen Fächerkombinationen mehr verdienen würden als andere.

  • Ein akademisches Studium halte ich für wichtig. Das soll so bleiben. Aber einmal im Schuldienst leisten wir alle auf verschiedene Arten die gleiche Arbeit (das meiste ist ja eh pädagogisch / organisatorisch). Deswegen sollte das Studium bei Bezahlung etc. keine Rolle spielen.

    Wenn du mit Doktortitel in Agrarwissenschaften in der Bäckerei Brötchen verkaufst, bekommst du trotzdem keinen höheren Stundenlohn.

    Ich will mal kurz darauf hinweisen, dass dies für Angestellte im Öffentlichen Dienst außerhalb der Schule auch der Fall ist: da entscheidet die Tätigkeit über die Entgeltgruppe, nicht die Qualifikation.

  • Da ist die Frage, ob ich den Doktor eher mit dem gelernten Bäckereifachverkäufer gleichsetze (weil "hat ja einen Abschluss vorzuweisen") oder mit dem Ungelernten/Minijobber (weil nicht genau der Idealabschluss vorhanden).

    Das fragst du dich ehrlich? Natürlich wie ein Ungelernter und der Bäckereifachverkäufer sollte natürlich mehr verdienen als der Doktor, weil es um die Tätigkeit geht, in der der Doktor nichts kann. Wenn der Doktor dann nach einigen Jahren dazugelernt hat, dann sollte er so viel verdienen wie der Bäckereifachverkäufer.

  • Das fragst du dich ehrlich? Natürlich wie ein Ungelernter und der Bäckereifachverkäufer sollte natürlich mehr verdienen als der Doktor, weil es um die Tätigkeit geht, in der der Doktor nichts kann. Wenn der Doktor dann nach einigen Jahren dazugelernt hat, dann sollte er so viel verdienen wie der Bäckereifachverkäufer.

    Prinzipiell sehe ich das auch so, aber dass der Doktor erst "nach einigen Jahren" genug dazungelernt hat, um das Fachverkäufergehalt zu bekommen, ist mir zu pauschal.

  • Prinzipiell sehe ich das auch so, aber dass der Doktor erst "nach einigen Jahren" genug dazungelernt hat, um das Fachverkäufergehalt zu bekommen, ist mir zu pauschal.

    Da stimme ich zu. Vor allem, nehmen wir mal an, es gäbe einen großen Mangel an Bäckereifachverkäufern (m/w/d). Würde es dann nicht erst recht den Doktor der Agrarwissenschaften (m/w/d) abschrecken, diesen Job zu ergreifen, wenn er wüsste, dass er finanziell mit einem Ungelernten (m/w/d) gleichgestellt werden würde?

    In den letzten Monaten hörten wir ja immer wieder davon, dass einige größere Betriebe größere Mengen an Mitarbeitern (m/w/d) entlassen mussten. Nicht jeder fand vermutlich unmittelbar etwas im gelernten Beruf in vergleichbarer Position. Wenn diese dann schon Kompromisse eingehen mussten, weil sie dann doch einen Job brauchen, um ihren Verpflichtungen nachgehen zu müssen, müssen diese dann wirklich wieder finanziell ganz unten starten? Im Zweifelsfall von der Führungsposition in der Industrie zur Hilfsarbeiterposition?

  • Prinzipiell sehe ich das auch so, aber dass der Doktor erst "nach einigen Jahren" genug dazungelernt hat, um das Fachverkäufergehalt zu bekommen, ist mir zu pauschal.

    Dann ersetze dass pauschale "nach einigen Jahren" durch, bis er gelernt hat genauso gute Arbeit zu leisten, wie die Fachverkäuferin. Keine Ahnung wie lange deren Ausbildung normalerweise dauert und ob der Doktor in seinem Leben schon vergleichbare Expertise erworben hat.

  • Würde es dann nicht erst recht den Doktor der Agrarwissenschaften (m/w/d) abschrecken, diesen Job zu ergreifen, wenn er wüsste, dass er finanziell mit einem Ungelernten (m/w/d) gleichgestellt werden würde?

    Warum sollte ein Unternehmen für einen Doktor mehr zahlen als für einen Ungelernten, wenn dieser den Job nicht besser machen kann.

    Wenn es einen Mangel geben würde, müsste er jedem Bewerber mehr zahlen, um die Stelle besetzen zu können, völlig unabhängig davon, ob derjenige einen Doktor hat, wenn dieser mit der Stelle inhaltlich überhaupt nichts zu tun hat.

    Das macht kein Unternehmen auf dieser Welt.

  • Da stimme ich zu. Vor allem, nehmen wir mal an, es gäbe einen großen Mangel an Bäckereifachverkäufern (m/w/d). Würde es dann nicht erst recht den Doktor der Agrarwissenschaften (m/w/d) abschrecken, diesen Job zu ergreifen, wenn er wüsste, dass er finanziell mit einem Ungelernten (m/w/d) gleichgestellt werden würde?

    In den letzten Monaten hörten wir ja immer wieder davon, dass einige größere Betriebe größere Mengen an Mitarbeitern (m/w/d) entlassen mussten. Nicht jeder fand vermutlich unmittelbar etwas im gelernten Beruf in vergleichbarer Position. Wenn diese dann schon Kompromisse eingehen mussten, weil sie dann doch einen Job brauchen, um ihren Verpflichtungen nachgehen zu müssen, müssen diese dann wirklich wieder finanziell ganz unten starten? Im Zweifelsfall von der Führungsposition in der Industrie zur Hilfsarbeiterposition?

    warum hast du eigentlich so eine obsession mit m/w/d? bist du mal wegen nichtnennung eines der buchstaben geschimpft worden?

  • Wir haben irgendwie kaum Teilzeitbeschäftigte. Ich glaube 2 von 40 Lehrpersonen.
    In NRW ist es aber eh kaum möglich. Voraussetzungslose Teilzeit wird wohl nicht mehr bewilligt. Mir persönlich ist es aber total egal, ob jemand in Teilzeit arbeitet oder nicht. Fühle mich dadurch nicht getriggert. Soll doch jeder selbst entscheiden, wenn die Möglichkeit besteht.

  • geht das in nrw nicht einmal aus gesundheitlichen gründen oder mit relativ vielen stunden wie 75%? ich werde schon in teilzeit oft genug krank.. in vollzeit wäre ich dann wohl kaum mehr gesund.

    ich hoffe, die lehrer in nrw geben dann ihren job auf, statt in den sauren apfel zu beißen.. sonst machrn sie das überall so, wenn sie sehen, dass die lehrkräfte das mit sich machen lassen.

  • geht das in nrw nicht einmal aus gesundheitlichen gründen oder mit relativ vielen stunden wie 75%? ich werde schon in teilzeit oft genug krank.. in vollzeit wäre ich dann wohl kaum mehr gesund.

    ich hoffe, die lehrer in nrw geben dann ihren job auf, statt in den sauren apfel zu beißen.. sonst machrn sie das überall so, wenn sie sehen, dass die lehrkräfte das mit sich machen lassen.

    Doch das geht. Ich hatte eine Kollegin mit einen Schwerbehindertengrad. Die hat es vor einem halben Jahr durchbekommen.

  • In NRW ist es aber eh kaum möglich. Voraussetzungslose Teilzeit wird wohl nicht mehr bewilligt.

    Jetzt mal so aus der Praxis...

    Sie wird nicht mehr automatisch genehmigt. Sie ist aber auch nicht völlig ausgeschlossen. Wir haben für unsere betroffenen TZ-Kollegen durchgeboxt, dass sie die voraussetzungslose Teilzeit weiter bekommen. Anders als früher mussten wir uns als SL deutlich dahinter klemmen, damit das klappte.

  • Doch das geht. Ich hatte eine Kollegin mit einen Schwerbehindertengrad. Die hat es vor einem halben Jahr durchbekommen.

    Als Schwerbehinderter mit GdB 50 sowie als Gleichgestellter besteht ein Rechtsanspruch auf Teilzeit nach SGB IX.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Hallo,

    letzte Woche habe ich im Lehrerzimmer ein Gespräch mit angehört. Immer mehr Berufsanfänger (Lehrer:innen) möchten in Teilzeit beginnen.

    Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht?

    An meiner schule starten alle Berufsanfänger mit Volldeputat.

    Als ich vor knapp 20 Jahren angefangen habe, haben sich die Regierungspräsidien mit Händen und Füßen gegen den Volleinstieg gewehrt. Daher bin ich mit 19 Stunden gestartet, im zweiten Jahr waren es dann 22 und ab Jahr 3 dann Vollzeit. Aus der Rückschau betrachtet war das nicht die schlechteste Wahl.

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