Der große Knall?!

  • Obwohl nach meiner Erfahrung im Lehrerinnenzimmer ja gerne mal gejammert und geschimpft wird, ändert sich aus meiner Sicht die Stimmung.

    Viele Kolleginnen sind wirklich richtig genervt, einige überlegen zu kündigen, andere sind dauererkrankt, Nachwuchs fehlt, die Studierendenzahlen sinken...

    Soziale Probleme in der Schülerinnenschaft nehmen zu, "die Medien" spielen eine immer größere Rolle, Leistungsbereitschaft und Bildungsniveau sind im Sinkflug usw.


    So weit- so bekannt. Aber nun zu meiner eigentlichen Frage:


    Ist dies das übliche "Früher war alles besser" oder glaubt ihr, wir steuern auf einen großen Knall im Bildungssystem zu, nach dem sich wirklich mal etwas ändern muss und wird?

  • Ja, glaube ich. Wobei es sicherlich regional und auch lokal je nach Schule gravierende Unterschiede geben dürfte, mit welchem Eindruck man durch den Schulalltag geht, aber in einigen Gegenden ist doch längst alles gekippt und die Katastrophe wird nur noch irgendwie verwaltet.

  • Das war aber ja in NRW schon vor 20 Jahren an so mancher Hauptschule so, je nach Region und Klientel. Da war kein geregelter Unterricht möglich, die Schülerinnen wurden verwahrt und verwaltet, Personal fehlte. Das habe ich selber so erlebt und dachte eben damals schon: so kann das nicht weitergehen.


    Ich frage mich halt, ob wir in 10 Jahren wieder/immer noch an dem Punkt sind, dass wir glauben, es ändere sich was oder dann einfach z.B. Klassen vergrößert werden oder Unterricht gestrichen wird. Oder ob es mal eine wirkliche Veränderung gibt weil sich die Situation objektiv extrem verschlechtert.

  • Der Totalschaden ist noch nicht ganz eingetreten. Aber das Schulsystem in NRW ist schon vor die Wand gefahren worden, und trotzdem wird mit Fehlplanungen weiter Gas gegeben... [siehe z.B. die Betreuungsplatz-Garantie]

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    • Offizieller Beitrag

    Falls es etwas analoges zum Auge des Tornados gäbe, innerhalb dessen es ja ruhig sein soll, würde ich sagen, wir sind knallmäßig genau dort. Es knallt doch regelmäßig an allen Ecken und Enden. Vielleicht sind wir da auch schon zu abgestumpft gegenüber der Kakophonie dessen, was im Schulsystem nicht läuft und solange nicht laufen wird, wie Bildungspolitik über Wohl und Wehe des Schulsystems entscheidet - also auf ewig.

  • Nun - einige erhellende Aussagen zur Misere des Bildungssystems und der Fähigkeiten unserer "Klienten und Klientinnen" sammle ich seit Jahren:
    https://www.autenrieths.de/jugendvonheute.html

    Das Diskutieren von Tatsachen ist eine "wunder"bare Sache.
    Dieser Beitrag kann Spuren von Ironie und Sarkasmus enthalten.

  • Ist mir noch nicht aufgefallen. Nur das bei den IT Azubis heute auch Schüler mit einer niedrigen IT Vorbildung von den Betrieben genommen werden.


    Kann mich erinnern, wie die Lehrer schon vor vielen Jahren über uns als Schüler geschimpft haben.

  • Nein, früher war es nicht besser.


    Eine romantisierte Verklärung der Vergangenheit gepaart mit verdrängte Erinnerungen lassen allerdings schnell zu diesem Schluss kommen.


    Es wurde über euch und euer Grotten schlechtes Niveau auch gemeckert, als ihr noch auf der anderen Seite gesessen habt.

  • Hmmm... entweder bin ich aktuell im Bullerbü mit hohen Migrationsanteil gelandet, oder unsere Lehrkräfte sind total resilient. An unserer Schule ist die Stimnung fast immer sehr gut. Ein paar Rummoser*innen gibt es überall, gab es auch schon immer.


    Vergleiche zu früher kann ich nur in Bezug auf meine eigene Schulzeit ziehen. Wir waren 33 Schüler*innen in einer Klasse. Heute dürfen es (in dem Bundesland und Schulform) meines Wissens maximal 30 sein. Obwohl wir ein Gymnasium in ländlicher Gegend mit Migrationshintergrund von unter 5% waren, sind ein paar Dinge passiert die, retrospektiv betrachtetecht, heftig waren. Damals hatten wir dabei einen Riesenspaß, doch die Lehrkräfte sind an uns verzweifelt. Ich glaube nicht, dass es früher besser war-höchstens anders.

    Wer Fehler findet darf sie behalten und sich freuen! :victory:

  • Nein, ich glaube nicht, dass es den großen Knall geben wird. Es wird nur immer weiter abwärts gehen. An meiner Schule können schon jetzt aufgrund des Lehrermangels mehrere Fächer nicht mehr vollständig abgedeckt werden. In der nächsten Zeit gehen weitere KuK in den Ruhestand, die nur zu einem kleinen Teil von jungen Leuten oder Seiteneinsteigern ersetzt werden können. Und so werden wir weiter kürzen und versuchen, alles irgendwie am Laufen zu halten.
    Und was kommt vom Kultusministerium (das 20 Jahre lang kaum Lehrer eingestellt hat)? Die beglücken uns mit "Bildungsland Sachsen 2030" mit einer Reihe neuer und zusätzlicher Aufgaben, von denen viele natürlich von den Schulen in Eigenverantwortung zu erfüllen sind! Ich weiß gar nicht, wo die die Leute und das Geld dafür hernehmen wollen.
    Mir tun nur die Schüler leid, die das alles ausbaden müssen.
    https://www.bildungsland2030.s…_2030_Druckversion_A4.pdf

  • Dass im Lehrerberuf immer schon gemeckert wurde ist klar, das ist in anderen Bereichen auch nicht anders.

    Allerdings gibt es in einer normalen Entwicklung auch immer Brüche, die besondere Zäsuren darstellen und als besondere Bealstungsfaktoren wahrgenommen werden können (aber nicht müssen). Da gab es in den letzten 5 Jahren gleich drei, die alle nicht besonders gut gemanagt wurden: Corona, Digitalisierung und Integration von Flüchtlingsströmen.

    In der Summe nehme ich schon wahr, dass die Nerven bei vielen aktuelle angespannter sind, als in den 15 Jahren davor.

    Die entscheidenden Belastungsfaktoren, die KuK dann aber letztlich auch manchmal dazu bringen persönliche Änderungen an zu streben, sind aber meiner Meinung nach meistens "lokal" und haben ganz viel mit schlechter Leitung einer Schule zu tun.

  • Ob es zu einem Knall kommt? Schwierig.


    Es gibt auch immer noch Schulen, die personell recht sicher und gut ausgestattet sind, die über zusätzliches Personal verfügen und es flexibel einsetzen können, die über einen Förderverein Mängel kompensieren oder Besonderes bieten.

    Die nicht erleben und vielleicht nicht verstehen, wie man mit einer 80%-Versorgung, vielen Abordnungen im Brennpunkt ohne Rosinen-Pickerei bei den Schüler:innen auskommt.


    Während die gut gestellten Schulen sich eher die Politiker:innen einladen, winken die anderen Schulen wohl eher ab, weil sie gallig sind oder keine Lust auf großen Bahnhof haben und dafür auch keine Reserven sind.


    NRW hat doch schon länger den Sozialindex. Warum greift er nicht?

  • Wobei es hier im Ausgangsposting primär nicht um die Schüler ging, die immer schlechter werden, sondern um die Rahmenbedingungen. Oder, sunshine_:-) ?

    Genau, insbesondere die Rahmenbedingungen, die inzwischen so vielfältig sind, dass viele den Aufgaben nur noch hinterherlaufen.

    Was die Schülerinnen direkt betrifft, da sehe ich als Hauptpunkt eben "die Medien". In welchem Ausmaß diese die Lebenswelt der Schülerinnen beeinflussen ist in der Politik/ Verwaltung usw. leider immer noch nicht angekommen und wird nirgendwo thematisiert.


    Beispiel: WhatsApp! WhatsApp ist nunmal da und wird nicht weggehen. Es kommt zu Cybermobbing usw. Jetzt kann man auf dem Standpunkt stehen, dass ginge uns nichts an. Wir seien nicht zuständig, sondern die Eltern. Sind wir wirklich nicht zuständig? Die Konflikte werden ja aus der Schule und in die Schule getragen. Außerdem besteht das gleiche Problem auch im Teamschat, der von der Schule auf einen Gerät der Schulträgerin bereit gestellt wird. Prävention? Gibt es keine. Behandlung der Problematik? Wir haben keine Zeit dafür vorgesehen an meiner Schule. Was also tun? Viel Arbeit, viel Aufwand, viel Zeit, kein Konzept.


    Das wäre so ein Beispiel für eine Thematik, bei der ich mich im Sinne meines Erziehungsauftrages in der Pflicht sehe, aber weder weiß, wie noch wann.


    Dies ist nur ein Beispiel für die Vielzahl der Anforderungen, denen sich Kolleginnen zunehmen nicht gewachsen sehen.


    Das nochmal zur Konkretisierung meiner Ausgangsfrage.

  • Es gibt auch immer noch Schulen,

    NRW hat doch schon länger den Sozialindex. Warum greift er nicht?

    Theoretisch greift er glaube ich, praktisch ist es bei den zwei mir bekannten Schulen mit sehr hohem Sozialindex anekdotisch so, dass sie einfach die regulären Stellen seit zwei Jahren schon nicht besetzen geschweige denn zusätzlich Personal auftreiben können.


    Edit: Trotz GL werden die Klassen vollgepackt, doppelte Besetzung gibt es im Prinzip garnicht. Kann man sich da als Schule wehren? Sagen, wir nehmen aber unter den Bedingungen nur 25 Kinder/Klasse? Gibt es solche Möglichkeiten? Das weiß ich nicht.

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