Arbeiten, wenn man krank ist

  • Also, diese Diskussion zeigt irgendwie, wie sehr es der Dienstherr schafft, seine eigenen Unzulänglichkeiten an die Lehrkräfte abzuwälzen.

    Ja, ich kann mir vorstellen, dass vieles an der Grundschule nicht so einfach ist wie an weiterführenden Schulen. Aber: Wie sehr hier die Verantwortung übernommen wird für Dinge, die die einzelne Lehrkraft nicht zu verantworten hat, auch unter Gefährdung der eigenen Gesundheit oder indem man sich selbst in Situationen bringt, in denen man dienstrechtlich angreifbar wird, ist schon erschreckend.

    Ja, Unterrichtsausfall ist ungünstig. Und ja, wenn viel Unterricht ausfällt, wird die Erfüllung des Lehrplans unter Umständen schwierig. Aber wenn der Dienstherr eine Personalversorgung zur Verfügung stellt, die echten, inhaltlichen Vertretungsunterricht nicht möglich macht, dann kann es einfach nicht Aufgabe der Lehrkraft, schon gar nicht der erkrankten Lehrkraft (!), sich hier in der Verantwortung zu sehen, diese Unzulänglichkeit aus eigene Kraft auszugleichen.

    Und was passiert, wenn kein Unterricht möglich ist, weil man nur vier Klassen mit zwei Lehrern in der Aula beaufsichtigen kann? Was passiert, wenn die Klassenlehrerin so lange krank ist, dass nicht alle Buchstaben eingeführt werden können oder die schriftliche Multiplikation nicht behandelt wurde? Was passiert, wenn zwei weitere Klassen unter dem Ausfall leiden, weil die einzige Möglichkeit ist, die Kinder "verlässlich" zu beaufsichten, auch den Unterricht in anderen Klassen beeinträchtigt?

    Ja, dann ist das in jedem Fall nicht das Problem der Lehrkraft. Weder der Lehrkraft, die ausfällt, noch der Lehrkraft, deren Unterricht durch die Vertretungslösung gestört wird. Das sind systemische Probleme, die hausgemacht sind, die durch unzureichende Ressourcen verschuldet sind. Die dadurch verschärft werden, dass es immer wieder genügend Lehrkräfte gibt, die sich hier in der Verantwortung sehen und ein völlig fehlerhaftes System auf eigene Kosten (buchstäblich und im übertragenen Sinne) am Laufen halten.

    Nochmal: Es ist nicht die Aufgabe der einzelnen Lehrkraft, ein verkorkstes System am Laufen zu halten. Es ist - sehr bedingt - Aufgabe der Schulleitung, dies innerhalb der eigenen Schule zu tun, aber auch diese wird an ihre Grenzen stoßen. Und dann ist das halt so.

  • Und was passiert, wenn kein Unterricht möglich ist, weil man nur vier Klassen mit zwei Lehrern in der Aula beaufsichtigen kann?

    Es kann eben gut der Fall sein, dass die Kinder ruhiger und entspannter sind und es zu weniger Zischenfällen kommt, wenn sie sich im Nebenraum befinden und betreut fühlen durch eine hereinhuschende Lehrkraft, das meine ich, auch wenn es nicht erlaubt ist. Aber es wendet doch Schaden vom Kind ab.

    Oder man holt sich zusätzlich die Wilden noch in den eigenen Raum und lässt die Selbstständigen allein arbeiten nebenan.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Danke für die Antwort, laleona, aber das war eher als rhetorische Frage gemeint in dem Sinne, dass es eigentlich nicht das Problem der Lehrkraft sein kann.

    Aber ich verstehe schon, dass es auch für die Lehrkraft weniger stressig ist, wenn sie zwei Klassen halbwegs ruhig halten kann, indem sie doppelte Aufsicht führt. Aber ist es das wert, dafür in der Verantwortung zu stehen, falls doch mal etwas passiert?

    • Offizieller Beitrag

    Hm, ich gehe nicht ganz d'accord mit dir, WillG.


    Zugegeben, wir sitzen in der Schule vor einem gordischen Personalknoten, den wir nicht lösen können. Aber die Gesamtverantwortung beim Dienstherrn zu suchen, finde ich etwas übertrieben. Natürlich kann der Dienstherr die Arbeitsbedingungen verbessern, das Gehalt verbessern, den NC kippen, etc. Das sind aber alles a) langfristige Maßnahmen (die man natürlich trotzdem angehen kann) und b) Maßnahmen ohne Erfolgsgarantie. Will sagen: nur weil die Rahmenbedingungen besser sind, hat man nicht plötzlich (oder in 6 Jahren) genug Lehrer.


    Unabhängig davon: ihr kennt mich, ich achte auf meine Kolleginnen. (Weniger auf mich.)

    Aber ich bin verdammt froh, dass ich ein Kollegium habe, welches einspringt, wenn was ist. Welches sich nicht hinstellt und sagt "Nö, ich bin ja nicht schuld an der Situation." Ein Kollegium, welches mir Angebote zur Vertretung macht, wenn jemand fehlt. "Ich habe in der 3. Stunde Sport - ich nehme die Klasse mit." "Ich gehe gleich eben hoch und teile sie auf und geben den Kindern die Arbeitsblätter mit." "Ich kann in der 4. Stunde mit der 2a und der 1b auf den Schulhof gehen." "ich wollte mit der 4a eh ein Video zum Getreide gucken. Da kann die 4b dazukommen. Sag mir nur in welcher Stunde." "Bei mir fehlen Kinder wegen der Erstkommunion. Ich kann die Klasse 2a dazunehmen. Sind dann zwar 35 Kinder, aber das macht nichts." "Ich bleibe heute 2 Stunden länger. Kein Problem." Und so weiter.

    Üblicherweise muss ich meine Kolleginnen eher bremsen als zum Unterstützen motivieren. Und ja, ich finde das gut so.


    Ich finde es gut so, dass in der Situation nicht diskutiert oder lamentiert wird, sondern angepackt wird.

    Ich finde es gut, dass die Kolleginnen den Ernst der Lage sehen (akut und auch generell).

    Ich finde es gut, dass die Kolleginnen sich auch für die anderen Kinder / für die anderen Klassen verantwortlich fühlen. Auch wenn jetzt wieder jemand kommt und mir versucht zu erklären, dass wir Lehrer nicht für die Kinder verantwortlich sind. Vielleicht ist dieses Denken wieder so ein Grundschulding.
    Ich finde es gut, dass die Kolleginnen auch kreative Lösungen finden.
    Ich finde es gut, dass sie nicht schulterzuckend sagen "Ist nicht mein Problem." Das könnten sie. Na klar.


    Ich finde die Einstellung der Kolleginnen gut. Einer für alle, alle für einen. Und alle für die Schule und die Kinder.


    Und mein Job ist es dann, dafür zu sorgen, dass die Füße auf dem Boden bleiben und die Kolleginnen sich nicht verausgaben. Damit ist nämlich auch keinem geholfen.

    Mein Job ist es aber auch, die Situation nach oben zu spiegeln und dem Schulamt klar zu machen, dass wir bei der aktuellen Personalsituation im 2. Halbjahr kein Schwimmen anbieten können. Weil das bei allen kreativen Lösungen nicht mehr aufzufangen ist.

  • Konsequenterweise müsste der Dienstherr zu der Erkenntnis kommen, dass unter den Begebenheiten an vielen Schulen Dinge wie "verlässliche Schule" nunmal nicht möglich sind und ausgesetzt werden müssen. Dass Unterrichtsausfall bei zu wenig Personal kein Tabu mehr sein darf.



    In der Praxis verstehe ich, dass man einspringt und versucht, sich gegenseitig so zu stützten, dass der Laden weiterläuft. Lässt man jede persönliche Beziehung zu Schülern und Eltern, für die man ja letztlich auch das Beste möchte, außer Acht, wäre es richtig(er), ein chronisch defizitäres System auch entsprechend kollabieren zu lassen, wenn die Rahmenbedingungen nunmal keine andere Antwort auf Engpässe geben.

  • Ich verstehe schon, was du meinst, kleiner gruener frosch

    Es ist ja auch eine Gratwanderung. Keiner möchte in einem toxischen Umfeld arbeiten, in dem jeder nur an sich selbst denkt und auf Prinzipien herumreitet. Und jeder freut sich über Kollegen, die auch mal unkompliziert und unbürokratisch Lösungen anbieten. Soweit bin ich da ganz bei dir.

    Und natürlich ist da auch nichts dabei, ich biete mich schon auch mal an, um eine Vertretung zu übernehmen oder eine Aufsicht, wenn halt mal Not am Mann ist.

    Wo ich aber eine klare Grenze ziehe, wenn ich mich selbst dabei ausbeute (- in meiner Schulform bzw. bei meinen Fächern ist das die Linie im Sand ganz klar bei zusätzlichen Korrekturen ohne Entlastung an anderer Stelle -) oder wenn ich dadurch in dienstrechtlich unklare Situationen kommen würde. Aber so verstehe ich dein Post auch, dass du so etwas auch nicht fordern würdest.

    Aber in genau dieser Grauzone liegt es halt auch, Kollegen zu "ermutigen" Arbeitsmaterial zu schicken, wenn sie krank sind, auch wenn es nicht explizit gefordert wird. Der soziale Druck, gerade bei jüngeren Kollegen ist hier echt nicht zu unterschätzen. Und der muss gar nicht vom SL ausgehen.


    Und, trotzdem, es bleibt im Prinzip auch dabei, dass man mit all diesen Hilfestellungen und Entgegenkommen ein System stützt, dass es sich zu einfach macht. Ja, bis die Maßnahmen greifen (würden), würde es noch lange dauern. Aber die Maßnahmen werden ja gar nicht erst eingeleitet, solange alles irgendwie funktioniert. Und ich weiß nicht, wie es bei dir am Schulamt ist, aber als ich im Amt gearbeitet habe, war durchaus die (unausgesprochene) Devise, dass ja alles irgendwie okay ist, solange der Laden irgendwie läuft - und vor allem, solange es keine Beschwerden gibt.

  • Und, trotzdem, es bleibt im Prinzip auch dabei, dass man mit all diesen Hilfestellungen und Entgegenkommen ein System stützt, dass es sich zu einfach macht. Ja, bis die Maßnahmen greifen (würden), würde es noch lange dauern. Aber die Maßnahmen werden ja gar nicht erst eingeleitet, solange alles irgendwie funktioniert. Und ich weiß nicht, wie es bei dir am Schulamt ist, aber als ich im Amt gearbeitet habe, war durchaus die (unausgesprochene) Devise, dass ja alles irgendwie okay ist, solange der Laden irgendwie läuft - und vor allem, solange es keine Beschwerden gibt.

    :top:

    Konsequenterweise müsste der Dienstherr zu der Erkenntnis kommen, dass unter den Begebenheiten an vielen Schulen Dinge wie "verlässliche Schule" nunmal nicht möglich sind und ausgesetzt werden müssen.

    Und der "Dienstherr" ist eben nicht in der Lage und teilweise nicht willens, evtl. vorhandene Erkenntnisse in Taten umzuwandeln, die die geschilderten Probleme lösen könnten.


    Verantwortungsvolle SL "spiegeln die Situation nach oben", aber das nutzt nichts. Denn Schulleiter fordern nicht bzw. dürfen keine Ansprüche stellen. Das Spiegeln hat leider nur vernachlässigbare Konsequenzen.


    Nettes Bild...


    Das nächste große Ding ist ja der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab 2026. Es wird schon wieder etwas beschlossen (siehe Inklusion, Digitalisierung...), bevor überhaupt die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden. Und das wird sich nicht ändern, "solange der Laden irgendwie [kostengünstiger] läuft". Lange wird der nicht mehr laufen, da bin ich ziemlich sicher. Man könnte meinen, er ist schon voll vor die Wand gefahren.

  • Also mein Sohn fand es total toll, als deine Klasse die Woche vor den Herbstferien aufgeteilt wurde. Der Unterricht in der 3. war viel spannender in Mathe und in Deutsch hat er Ausmalbilder gemalt. Hat er erst nach 3 Tagen überhaupt mal erwähnt.

    Schien besser anzukommen als Aufsicht durch Erzieher der OGS, die früher kamen.

    Bei so Diskussionen bin ich echt froh, dass unsere dann einfach zu Hause bleiben können, oder im blödesten Fall nach einer Stunde wieder gehen. Aber hier ging es vor den Ferien auch rund. Wir mussten teilweise Unterricht ausfallen lassen, um die Aufsichten in den Klausuren zu ermöglichen. Auch die Pfarrer*innen sind dafür eingesprungen und mal länger geblieben.

    Only Robinson Crusoe had everything done by Friday.

  • Kann man für A13 ja mal erwarten.

    Im Kirchendienst mit eigener Gemeinde teilweise nur 6 Stunden an die Schule abgeordnet empfinde ich das nicht als komplett normal. Bei denen mit voller Stelle an der Schule natürlich schon.


    Bei mir in der Gemeinde unterrichtet der Pfarrer auch zusätzlich an einer Fachschule, weil es nicht genug Gemeindemitglieder für eine volle Stelle gibt. Trotzdem gibt es ja die gleiche Anzahl von Gottesdiensten.

    Only Robinson Crusoe had everything done by Friday.

  • empfinde ich das nicht als komplett normal

    War auch nicht ganz ernst gemeint und sollte nur zur weiteren Verwirrung von dauerverwirrten Usern dienen. :teufel:

  • Im Kirchendienst mit eigener Gemeinde teilweise nur 6 Stunden an die Schule abgeordnet empfinde ich das nicht als komplett normal. Bei denen mit voller Stelle an der Schule natürlich schon.


    Bei mir in der Gemeinde unterrichtet der Pfarrer auch zusätzlich an einer Fachschule, weil es nicht genug Gemeindemitglieder für eine volle Stelle gibt. Trotzdem gibt es ja die gleiche Anzahl von Gottesdiensten.

    Wobei die Gottesdienste ja nur einen Teil der Arbeit ausmachen, ähnlich wie bei uns, die wir für 25,5 Stunden Unterricht bezahlt werden bei einer 41 Stunden/Woche. Bei größeren Gemeinden hast z.B. mehr Taufen und Sterbefälle, so daß da entsprechend mehr Besuche bei den Gemeindemitgliedern anfallen.

  • War ja auch nur ein Beispiel. Er macht auch ein Mal im Monat Singstunde in der Kita, jedes Quartal Action Bibeltag,...

    Ich wollte nur anhand eines Beispiels zeigen, dass sich Teilzeit bei Pfarrern auch nicht lohnt ;)

    Only Robinson Crusoe had everything done by Friday.

  • Wenn es 4 Klassen sind und 2 Lehrerinnen krank, wer soll dann rein gehen?

    Wenn es 4 Klassen mit nur 4 Lehrerinnen gibt, von denen 2 krank sind, dann können zu dieser Zeit offensichtlich 2 Klassen nicht "verlässlich" versorgt werden. Außer man bekommt es doch irgendwie hin, in dieser Zeit Gruppen so zusammenzulegen, dass eine adäquate Aufsichtsführung möglich ist. An Unterricht ist dann wohl eher nicht mehr zu denken.


    Und dieses Problem kann man durchaus auch über die Eltern und deren Unmut an die Politik weitertragen. Schon klar, auch der Dienstherr kann sich nicht einfach mal so neue Lehrkräfte "backen". Im Moment ist doch aber der Regelfall, dass man nicht einmal nach welchen suchen darf.


    Bei uns brennt es im Moment personell auch an allen Ecken, derzeit befinden sich über 20% des Kollegiums im Krankenstand und selbst wenn alle da sind, liegt die Unterrichtsversorgung gerade mal so bei 100%. Da sind aber Langzeiterkrankte, Elternzeiten u.ä. bereits als anwesend berücksichtigt. Diese Woche kam erst wieder die Nachricht, dass wir - "natürlich" möchte man fast sagen - keine Stelle ausschreiben dürfen.

    • Offizieller Beitrag

    Im Moment ist doch aber der Regelfall, dass man nicht einmal nach welchen suchen darf.

    OWL darf zwar eher wenig feste Stellen ausschreiben, aber Vertretungsstellen werden doch wie Sand am Meer ausgeschrieben. Ist das bei euch nicht so?

    Die Stellen können nur nicht besetzt werden ... weil keine Bewerber da sind. Leider.

  • Die Stellen können nur nicht besetzt werden ... weil keine Bewerber da sind. Leider.

    Jemand mit fester Stelle wird vermutlich nicht die Zeit haben, nebenbei noch als Vertretungslehrer zu arbeiten. Bleiben Studenten, FSJler und Rentner/Pensionäre. Habt ihr schon alle Hochschulen in der Umgebung abgeklappert? Wobei, Vorlesungen sind ja oft zur selben Zeit wie der Unterricht in der Schule. Da will manch ein Student vielleicht eher abends oder am Wochenende arbeiten.

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